Vom Flüchtling zum Fussball-Profi
Warum der FCB fast für Akolos Karriere-Aus sorgte

Mit 15 flüchtet Chadrac Akolo aus dem Kongo in die Waadt. Wieso er sich zu Beginn die Fussballschuhe nicht binden konnte. Warum er fast mit Fussball aufgehört hätte. Und weshalb er sich beim FCSG angeboten hat.
Publiziert: 28.01.2024 um 12:27 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2024 um 12:47 Uhr
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Stefan KreisReporter Fussball

Ein Fussballplatz, wie es ihn in jeder noch so kleinen Ostschweizer Gemeinde vor dem Schulhaus gibt. Grüner Rasen, weisse Linien, zwei Tore mit Netzen. Privilegien. Zumindest, wenn mans mit den Kinderaugen von Chadrac Akolo (28) sieht. Der heisst mit richtigem Namen Akolo Ababa Chadrac und kommt mit 15 als Flüchtling aus der Demokratischen Republik Kongo in die Waadt. Und er spielt beim FC Bex zum ersten Mal auf einem richtigen Feld. «Ich hatte zuvor weder mit Schuhen noch mit richtigen Linien gespielt. Wenn du damals im Kongo auf einem Fussballplatz gekickt hast, warst du ein Profi. Die Amateure durften nicht drauf.»

Dass er schon damals eher Profi als Amateur ist, wird gleich im ersten Einsatz erkennbar. Sein damaliger Trainer Anthony Tagnan sagt: «Was wir zu sehen bekamen, war unglaublich. Er hatte eine sagenhafte Technik, war beidfüssig, schnell.»

Eigenschaften, die ihn aktuell zu einem der gefährlichsten Super-League-Angreifer machen. Acht Tore hat der 28-Jährige in dieser Saison schon erzielt, nur Chris Bedia (10, ex Servette), Jean-Pierre Nsame (9, ex YB) und Jonathan Okita (9, FCZ) sind noch treffsicherer als der Romand. Liegt in dieser Saison gar der Titel als Torschützenkönig drin? «Daran denke ich nicht, ich will mich nicht unter Druck setzen», sagt Akolo.

Acht Saionstore: Akolo ist der Espen-Topskorer.
Foto: freshfocus
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Hat er in seiner ganzen Karriere noch nie gemacht. Obwohl der Fussball ein Ausweg aus seinem Leben als Flüchtling geboten hätte, habe er nie alles auf die Karte Fussball gesetzt: «Das war nie der Plan.»

Mit 16 will er gar mit Kicken aufhören, weil er sich in einem Probetraining beim FC Basel nicht empfehlen kann. «Als ich dort angekommen bin, habe ich all die grossen Stürmer gesehen und mich als Sechser ausgegeben, weil ich Angst hatte. Die anderen waren alle viel besser als ich.»

Defizite beim Spielverständnis

Unter anderem deshalb, weil Akolo in Taktikfragen und vom Spielverständnis her noch Defizite gehabt habe. Ex-Sion-Coach Raimondo Ponte, der für das Super-League-Debüt des damals 18-jährigen Akolo verantwortlich ist, sagt: «Du kannst von einem jungen Spieler, der aus dem Kongo kommt und nie eine fussballerische Ausbildung hatte, nicht erwarten, dass er das Spiel schon komplett versteht. Aber er war sehr lernwillig, hat alles aufgesaugt», sagt Ponte. 

Und das, obwohl Akolo zu jenem Zeitpunkt immer mit einer möglichen Abschiebung in sein Heimatland rechnen musste. «Sicher habe ich mich nie gefühlt. Auch damals nicht, als wir mit dem FC Sion auswärts an der Anfield Road gegen Liverpool gespielt haben. Vor der Reise musste ich unzählige Dokumente ausfüllen, es war sehr kompliziert», sagt der FCSG-Stürmer. Erst als er den Permis B erhalten – und damit ein Bleiberecht in der Schweiz – bekommen habe, seien die Ängste verflogen.

Was der Papa sagt

Wie genau seine Flucht in die Schweiz abgelaufen ist, darüber möchte Akolo nicht mehr sprechen. Es seien viele Dinge passiert. Seine Mutter und seine Schwester seien aber bereits vorher in Bex angekommen, sein Vater erst später nachgezogen. 

Mittlerweile hat die ganze Familie einen Schweizer Pass. Und sie kommt an jedes Spiel. Von Aigle VD aus, hin und zurück sind das über 600 Kilometer. «Mein Vater ist ein Verrückter, als ich bei Paderborn gespielt habe, ist er ebenfalls immer gekommen», sagt Akolo und lacht. 

Papa Akolo Ababa Jean, der als Bautischler in einem Renovationsunternehmen in Vevey VD arbeitet, sagt: «Mein Sohn wurde für seine harte Arbeit und seinen Willen belohnt und ist Profifussballer geworden.» Da nehme er die paar Kilometer gerne auf sich. 

Auch bei Akolos Profidebüt ist der Papa vor Ort. Ausgerechnet im Kybunpark schnuppert er im Sion-Dress ein erstes Mal Profi-Luft. «Als mich der Trainer gerufen hat, konnte ich es erst gar nicht glauben, dass ich eingewechselt werde. Die Ambiance im Stadion war berauschend», erinnert sich der Sohnemann zurück. 

Nun spielt der Waadtländer selbst in Grün-Weiss. Weil er nach Stationen beim VfB Stuttgart, dem SC Paderborn und Amiens SC von sich aus beim FCSG vorstellig wurde. «Ich habe meinem Berater gesagt, er solle mich in St. Gallen anbieten», sagt Akolo. Weil dort mit Peter Zeidler sein grosser Förderer an der Seitenlinie steht. Der trainierte den Stürmer bereits beim FC Sion, und er hat ihn damals schon besser gemacht. «Er lässt mir auf dem Platz die Freiheiten, die ich brauche, um kreativ zu sein», sagt Akolo. 

So kreativ wie damals, als er mit 15 Jahren in Bex zum ersten Mal auf einem richtigen Fussballfeld gestanden hat. Auf die Frage, ob er damals schon gewusst habe, wie gut er eigentlich sei, antwortet Akolo mit einem Lächeln. «Nein. Ich wusste ja noch nicht einmal, wie man sich die Schuhe bindet.»

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