Sion-Star Kasami redet Klartext
«Habe das Gefühl, die Liga ist überfordert»

Auf dem Platz geht Pajtim Kasami keinem Zweikampf aus dem Weg und auch daneben steht er für sich ein. Der Sion-Star über das Corona-Debakel in der Super League und seine Zukunft.
Publiziert: 12.07.2020 um 13:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2020 um 13:03 Uhr
Michael Wegmann

Pajtim Kasami, Ihr Spiel gegen den FCZ musste verschoben werden, weil beim Gegner gleich sechs Spieler mit dem Coronavirus infiziert sind ...
Pajtim Kasami (28): ... das ist jetzt so richtig scheisse gelaufen. Erst müssen wir drei Monate warten, dann spielen wir im Drei-Tages-Rhythmus und jetzt das! Aber wenn man sieht, was in der Schweiz im Moment abgeht, war es doch ab­sehbar, dass sich auch Fussballer anstecken. Alle Menschen sind wieder draussen, Clubs und Bars haben ­wieder offen, die Neuansteckungen steigen seit Tagen.

Sie besuchen Clubs und Bars?
Nein, da war ich nie. Wir haben zwischen den Partien sehr wenig Zeit, die nutze ich, um zu meinem Physiotherapeuten zu gehen. Aber nochmals: Im Moment sind alle Menschen draussen, in Zürich sitzen die Leute am See, im Café. Alle Zeichen stehen auf: «Es ist wieder normaler Alltag.» Jeder Fussballer trägt grosse Verantwortung, auch gegenüber seinem Team.

Sie glauben, die Fussballer haben sich in Zürcher Clubs angesteckt?
Nein, das glaube ich nicht. Falls es so wäre, hätten sie fahrlässig ge­handelt. Ich sage einzig, dass die Rahmenbedingungen nicht einfach sind. Hätte man doch nur alle Fussballer in eine Art Hausarrest gesteckt. Ich wäre für klare Vorschriften von ­Seiten der Liga gewesen.

Pajtim Kasami will in Sachen Corona endlich einmal eine klare Ansage der Liga.
Foto: keystone-sda.ch
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In Deutschland konnten drei Ligen ohne namhafte Probleme fertig gespielt werden. Warum ist das in der Schweiz nicht möglich?
In Deutschland war die Ausgangs­lage anders: Das Land befand sich quasi noch im Lockdown, als wieder Fussball gespielt werden musste. Die Liga wusste, dass sie privilegiert ist und alles tun muss, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Bundes­ligaspieler wurden regelmässig zweimal die Woche auf Corona getestet. Hier hatten wir beim FC Sion einen Test vor dem Re-Start. Seither nie mehr. Andere Mannschaften wurden gar nicht getestet. Regelmässige Tests wären auch das richtige Signal an alle Spieler gewesen. Für mich unerklärlich, weshalb das nicht Pflicht war.

Vielleicht war der Grund ein finanzieller. Die Tests hätten über eine Million Franken gekostet.
Wenn es nur ums Finanzielle gegangen ist, wäre das unverständlich.

Was passiert jetzt?
Keine Ahnung. Bei der MLS in Amerika hat man es geschafft, dass vor dem Re-Start-Turnier alle kontrolliert wurden und gleich zwei Teams ausgeschlossen wurden. Alle wohnen in einem Hotelkomplex, sind abgeschottet. Das macht einen äusserst professionellen Eindruck. Hier war das nicht möglich, und jetzt haben wir das grosse Puff. Ich habe das Gefühl, dass die Liga jetzt total überfordert ist. Man hat zwar ein Schutzkonzept ausgearbeitet, sich aber nicht damit auseinandergesetzt, was man machen muss, wenn ein Team in Quarantäne muss.

Sind Sie für Weiterspielen oder Abbruch?
Ich bin für klare Ansagen! Entweder bricht man ab, schliesst den FCZ aus, oder dann läuft er mit dem Nachwuchs auf. Aber es ist gut möglich, dass auch bei anderen Klubs Spieler sind, die mit Covid-19 infiziert sind. Beim FCZ soll es ja Spieler gegeben haben, die keine Symptome hatten. Ich plädiere dafür, dass alle Teams getestet werden.

Haben Sie Angst, dass Sie sich auf dem Platz anstecken?
Um mich mache ich mir keine Sorgen. Aber es geht auch um die Gesundheit unserer Angehörigen, unserer Eltern, Kinder, Partnerinnen. Wir müssen uns schon auch bewusst sein, welche Verantwortung wir tragen.

Haben Sie das Corona-App heruntergeladen?
Selbstverständlich.

Ausgerechnet jetzt der Unterbruch, nachdem Sie den FC Sion mit Ihrem 1:0-Siegtreffer gegen Basel wieder auf Kurs gebracht haben.
Der Zeitpunkt ist natürlich aus sportlicher Sicht für uns sehr unglücklich. Der Sieg war schon sehr gut für unsere Moral. Wir ­haben ja seit letztem November nicht mehr gewonnen. Ich war optimistisch, dass es wieder aufwärtsgeht. Dieser Sieg hat uns Selbstvertrauen gegeben. Das ist wichtig. Wir haben so viele junge Spieler ohne Erfahrung.

Weshalb steckt Sion im Abstiegskampf? Ist die mangelnde Erfahrung der Hauptgrund?
Sicher auch ein Faktor. Aber da gibts noch andere: Wir hatten nur in dieser Saison vier verschiedene Trainer, jeder hat andere Ideen und Philosophien. Da ist es schwierig, von Konstanz und Kontinuität zu reden. Zudem fehlt uns ein richtiger Knipser.

Einer wie Seydou Doumbia ...
... ja. Aber er ist leider zurück in der Elfenbeinküste, weil man ihm gekündigt hat. Brutal schade, seine Tore und Erfahrung könnten wir nun brauchen.

Sie springen ja in die Bresche. Als Mittelfeldspieler haben Sie bereits 14 Saisontore. Warum sind Sie plötzlich so treffsicher?
Ich muss ja (lacht). Nein, das ist ja nicht ganz neu. In den drei Saisons bei Sion habe ich bisher insgesamt 30 Tore gemacht. In einem Team, welches gegen den Abstieg spielt, ist das eine gute Quote für einen Mittelfeldspieler. Das macht mich auch stolz.

Seit Jahren haben Sie immer wieder Angebote gehabt, doch Christian Constantin liess Sie nie ziehen. Nun läuft Ihr Vertrag aus. Wie gehts weiter?
Mein Berater hat einige Offerten bekommen. Aber ich werde mir für diese Entscheidung die nötige Zeit nehmen. Der nächste Klub muss perfekt passen. Ich fühle mich ­zurzeit als Fussballer und Mensch so gut wie noch nie. Ich bin nun 28 und ziemlich sicher, dass der Höhepunkt in meiner Karriere noch kommt.

Sie haben in der Serie A, in der Premier League und Champions League gespielt. Zieht es Sie wieder ins Ausland?
In der Tendenz ja.

Und dann zurück in die Nati? Von Ihrer fussballerischen Klasse her hätten Sie es unbestritten drauf.
Erst mal konzentriere ich mich auf die letzten Spiele mit Sion. Aber klar ist die Nati im Hinterkopf. Und wenn ich irgendwann nicht mehr mit Sion gegen den Abstieg spiele, ist die Chance sicher wieder viel grösser, aufgeboten zu werden.

Als Sion-Spieler hat man keine Chance, in die Nati aufgeboten zu werden?
Naja. So habe ich das nicht gesagt. Aber mit Sicherheit keine guten. Immerhin war ich in dieser Zeit ­immer auf Abruf.

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