Rote-Karten-Flut in der Super League
Zücken unsere Refs schneller als Lucky Luke?

Die Schweiz wird von einer Rotflut heimgesucht! Es ist aber nicht etwa die Invasion chinesischer Kommunisten. Sondern Rote Karten in der Super League. So viele wie nie zuvor. Sechs allein in der letzten Runde. Ist die SL zu einer Hackerliga verkommen?
Publiziert: 13.02.2024 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2024 um 09:10 Uhr
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Alain KunzReporter Fussball

Die Zahlen sind irgendwie schon krass. Gleich sechs Spieler erhielten in der Super-League-Runde vom vergangenen Wochenende den Marschbefehl. In zwei Spielen gabs gleich zwei Platzverweise. Macht im Schnitt einen Platzverweis pro Spiel.

Eine zufällige Abweichung? Oder doch mehr? Haben unsere Schiedsrichter die Lucky-Luke-Mentalität angenommen? Der legendäre Comic-Held, der sich rühmt, schneller zu schiessen als sein Schatten. Zücken unsere Refs auch schneller als ihr Schatten?

Huggel stützt die Lucky-Luke-Theorie

Ex-Nationalspieler und SRF-Experte Beni Huggel gewinnt diesem Argument etwas ab: «Die Schiedsrichter zücken derzeit so viele Karten wie noch nie!» Deshalb sein Rat an alle Super-League-Profis: «An alle Mittelfeldspieler/Verteidiger, die hart spielen: Ihr müsst eure Spielweise ändern in der Schweiz! Weniger Grätschen, bei denen sowas passieren kann.»

Zücken die Schweizer Refs schneller Rote Karten als Comicheld Lucky Luke seinen Colt? Immerhin ist der schneller als sein Schatten.
Foto: imago/United Archives
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Schiedsrichter-Chef Dani Wermelinger siehts naturgemäss anders. «Hat sich vor der letzten Runde etwas im Reglement geändert? Gabs neue Auslegungsvorschriften? Haben unsere Leute Fehler begangen? Dreimal Nein! Und solange das so ist, dass – wie am letzten Wochenende – alle Platzverweise korrekt waren, auch wenn wir zweimal die Hilfe des VAR-Airbags in Anspruch nehmen mussten, ist für mich alles in Ordnung. In diesem Fall ist diese Häufung von Platzverweisen wohl zufällig.»

Seit sieben Runden herrscht Rotfieber

Wirklich? Graben wir etwas tiefer im Zahlendschungel. In den vergangenen drei Runden in Folge gabs mindestens ein Spiel mit zwei Platzverweisen. Und seit sieben Runden gab es mindestens zwei Rote Karten pro Runde. Das sind alarmierende Werte! Die gegen einen statistischen Ausreisser sprechen. Für die letzte Runde isoliert betrachtet mag das stimmen. Aber wenn man die vergangenen sieben Runden betrachtet, scheint dieser Trend langanhaltend.

Weshalb ein Kausalzusammenhang zwischen dieser Rotflut und dem Regelwerk/VAR nicht von der Hand zu weisen zu sein scheint. Das denkt auch Servette-Trainer René Weiler. «Ich will meinen Spieler Enzo Crivelli nicht in Schutz nehmen, verstehen Sie mich nicht falsch. Dieser Platzverweis geht durchaus in Ordnung. Aber ohne VAR hätte es ihn nicht gegeben. Ohne VAR hätte es ein Foul gegeben. Ohne Karte.» Und das hat natürlich Einfluss auf die Statistik. «Das gilt auch für die Regelauslegung mit der offenen Sohle und mit dem Treffer oberhalb des Knöchels. Da muss ein Schiedsrichter doch Ermessensspielraum haben, ob das nicht primär Pech war, dass jemand am Schienbein getroffen wird. Vor allem, wenn das ohne Kraft geschieht. Diesen Ermessensspielraum haben die Schiris in diesem Fall nicht. Das ist nicht haltbar.» Zudem, schliesst Weiler, solle der VAR wirklich nur in superklaren Fällen intervenieren dürfen.

Kubi kritisiert die Offene-Sohle-Karte aufs Massivste

Das mit den Marschbefehlen für offene Sohlen geht auch für Blick-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz gar nicht. Der zweitbeste Torschütze der Natigeschichte sagt: «Es ist eine Katastrophe, wenn Spieler vom Platz gestellt werden, ohne dass sie eine Schuld trifft. Wie das St. Gallens Lukas Görtler im Spiel gegen Lugano passierte. Was ist dessen Verschulden? Er hat den Ball weggeschossen … Nein, so geht das überhaupt nicht. Ich habe aber gehört, dass diese unsinnige Auslegung in der Schweiz auf die neue Saison hin abgeschafft werden wird. Das sei beschlossene Sache. Grazie mille!»

Der Fall also klar? Sind VAR und offene Sohlen schuld? Mitnichten! Denn betrachtet man alle Saisons seit Einführung der Super League, liegt die aktuelle mit einem Schnitt von 0,26 Roten Karten pro Spiel nur auf Rang sieben. In sechs Spielzeiten war der Schnitt höher. Und wenn man glaubt, das seien vor allem die Spielzeiten seit Einführung des VAR, ist man auf dem Holzweg. Nur eine dieser sechs Spielzeiten stammt aus der Moderne, also aus der VAR-Zeit: 2022/23 mit 0,32 Platzverweisen pro Spiel.

Ist der Strich schuld?

Also bleibt ein Erklärungs-Strohhalm: Nämlich, dass die Nerven mit der Wiedereinführung des Strichs blank liegen würden. Nimmt man die letzten fünf Runden, also all jene, welche im Kalenderjahr 2024 gespielt wurden, gabs unfassbare 14 Mal Rot. Und wie war das in vergleichbaren Zeitspannen der beiden letzten Saisons MIT Strich? Auch so wild? Weil damals nur 22 statt wie heute 33 Runden bis zur Zäsur gespielt wurden, ziehen wir die Runden 14 bis 18 zum Vergleich heran, als auch durchaus schon Crunch Time war. Und stellen konsterniert fest: 2000/01 gabs fünf Platzverweise. Eine Saison später sechs. Halb so wild also!

Und dieselben Runden ohne Strich? Sowohl in der letzten als auch in der vorletzten Saison sind es je acht gewesen. Das Argument «Strich» wird schwach und schwächer.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Schiedsrichter scheinen die Schraube angezogen zu haben. Wie es Beni Huggel denkt. Lucky Luke light. Bedeutet: Es verträgt nichts, liebe Spieler. Erst recht nicht im Strichkampf. Oder gerade deswegen.

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3
FC Zürich
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4
FC Luzern
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6
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5
FC Basel
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6
9
10
6
FC St. Gallen
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5
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7
FC Sion
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Yverdon Sport FC
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Grasshopper Club Zürich
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