Böser CC, guter CC
Psychogramm eines Mannes mit zwei Gesichtern

Christian Constantin – ein Mann mit zwei Gesichtern. Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Der Gute als Arbeitgeber, Mensch und Architekt. Der Böse im Fussball.
Publiziert: 24.09.2017 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:24 Uhr
Alain Kunz

CC muss keinen Trank nehmen, um von gut auf böse zu wechseln, wie Dr. Jekyll in der weltberühmten Novelle von Robert Louis Stevenson. Es reichen der Geruch von Fussball, ein Spielfeld, ein Ball. Dann wird CC zum Dämon. Zu jenem Mann, der eigene Spieler des Wettbetrugs verdächtigt. Der sie von Privatdetektiven überwachen und Telefongespräche abhören lässt. Der Trainer anheuert und teils ohne jeden Respekt zuerst an den Pranger stellt, um sie nach einer erniedrigenden kurzen Periode der Tortur zu feuern. Wie Uli Stielike oder Gilbert Gress. Der sich gegen alle Verbände der Welt in einem Fall anlegt, in welchem er von Beginn weg auf verlorenem Posten steht und erst aufhört, als sein Klub in seiner Existenz bedroht ist. Der Schiedsrichter beleidigt, zur Fahndung ausschreibt und malträtiert.

Hat sich CC sein eigenes Grab geschaufelt?

Das ist der böse CC. Der Fussball-CC. Der CC, der sich mit den Ohrfeigen und den Tritten gegen Rolf Fringer sein eigenes Grab geschaufelt haben könnte, wie Insider denken. Das ist der öffentliche CC. Derjenige, den vor allem in der Deutschschweiz viele hassen, ohne ihn zu kennen. Aus purem Neid, weil sie es nie zu einem derartigen Vermögen bringen werden, wie der Selfmade-Millionär aus dem Bergdorf Ayent. Aber auch aus kleinkariertem Unverständnis, weil sie sein glamouröses und bei uns so untypisches Leben im permanenten Vollgasmodus nicht kapieren.

Doch ist das der wahre CC? Nein, die Frage ist falsch formuliert. Es ist nicht der einzige CC. Es ist Mr. Hyde. Der Böse. Der Mörder bei Stevenson. Und nicht der brillante Arzt Dr. Jekyll. Das ist CC, wenn er Familienvater ist.

Sion-Boss Christian Constantin.
Foto: Blicksport
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«Ich habe als Kind nicht eine einzige Ohr­feige gekriegt», sagt Barth, sein Sohn. «Er ist alles andere als gewalttätig. Er regelt immer alles mit Worten.» Mit seiner zweiten Frau Carole, von der er sich 2011 getrennt hat, versteht er sich immer noch sehr gut. Weil er den Ausgleich sucht. Nicht die Konfrontation. Und weil er immer ruhig bleibt. Fast immer, zumindest.

Alex Burgener, ein Ex-Banker aus Zermatt, ist sein vielleicht bester Freund. Er sagt: «Diese Tat passt so nicht zu ihm! Er, der liebenswerteste Mensch, den man sich vorstellen kann. Seine Hilfsbereitschaft ist gewaltig. Wenn ich irgendwo im tiefsten Russland ein Problem hätte – er käme mich rausholen. Er gibt dir das letzte Hemd.» Aber ein Diktator ist er doch auch, ein kleines bisschen zumindest? «Überhaupt nicht! Er hört zu. Er lässt andere Meinungen gelten.» Dann schüttelt der kleine Oberwalliser den Kopf. «Ich habe ihm so etwas nicht zugetraut! Da muss sich gewaltig viel angestaut haben, dass es zu dieser Explosion kommen konnte.»

Fragt man in seinen Betrieben nach, im Hotel La Porte d’Octodure und in seinem Architekturbüro, dann stellt man eines fest: Viele Angestellte arbeiten schon enorm lange für CC. Seit 2010 ist Architekt Gezim Kadrijaj angestellt: «Ein exzellenter ­Arbeitgeber, der uns sehr respektvoll behandelt. Was krass ist: Seine Vision der Dinge. Er ist uns in seinem Denken fünf, zehn Jahre voraus.»

Ganz ähnlich tönt es bei Grégory Saudan, dem Projektleiter aller CC-Betriebe und Marketingchef des FC Sion: «Sein Image korrespondiert so gar nicht mit dem Menschen, der er wirklich ist. Er ist alles andere als autoritär. Er sagt immer: Was denkst du? Er hört sich die Argumente immer an. Ich habe jedenfalls noch nie einen solch unkomplizierten Patron gehabt.» Um so weniger kann Saudan glauben, was vorgefallen ist. «Da ist das Temperament mit ihm durchgegangen. Das passiert täglich irgendwo dutzendfach. Wenn ich jemandem eine Ohrfeige verpasse, interessiert das kein Schwein. Wenn es CC macht, die ganze Schweiz. Schauen Sie sich bloss die Pressekonferenz an – wie bei Trump!»

Zurück zum Fussball-CC. Zu Mr. Hyde. Zum Bösen. Verrückt an der ganzen Sache ist, dass CC sich nicht im Klaren zu sein glaubt, was er angestellt hat. Leute aus seinem nächsten Umfeld denken, dass dies das Ende sein könnte. In der Olympia-Kandidatur Sion 2026 ist es das bereits. Dabei war ihm die enorm am Herzen gelegen. Und er war der Motor! Er hat sie ins Leben gerufen. Ohne ihn gäbe es sie nicht. Viele sagen: Ohne ihn ist die Kandidatur nun chancenlos. Nun wird er gezwungen, abzutreten. Wie ein Verbrecher. Wie ein korrupter Politiker in einem schlechten Film muss er sein Amt niederlegen.

Auch in der öffentlichen Wahrnehmung als Walliser ist er dabei, jeden Kredit zu verlieren. Als er an der Pressekonferenz salopp sagt, seine Reaktion sei «ein bisschen sehr walliserisch» gewesen, so bringt er damit auch das Volk gegen sich auf. Das Schlimmste für einen, der sich gern als kleiner Sonnenkönig im Licht der Stadionscheinwerfer suhlt.

«Mit seiner Aussage, das sei eine zu walliserische Attitüde gewesen, hat er einen ganzen Kanton in Geiselhaft genommen», schreibt Vincent Fragnière, der Chefredaktor des Walliser «Nouvelliste». Und weiter: «Nein, Monsieur Constantin. Die überwiegende Mehrheit der Walliser löst ihre Probleme nicht damit, Ohrfeigen und Fusstritte in der Öffentlichkeit auszuteilen.»

Eine Frau, die vorbeigeht, als ich im Herzen von Sion in einem Café sitze, kommt zu mir und sagt: «Wir sind keine Wilden hier! Schreiben Sie das! Wegen den Worten von CC denken nun alle, wir seien Wilde hier. Nochmals: Das sind wir nicht!» Sie zittert, als sie das sagt ...

CC geht ins Stadion, als wäre nichts gewesen

Und CC selber? Hält er seine Tat, zuerst physisch und anderntags noch verbal auf Fringer einzuprügeln, nicht für psychopathisch? «Ich kann nicht behaupten, das sei eine ‹normale› Reaktion gewesen. Aber psychopathisch? Ich weiss nicht ...»

Und so geht er heute ins Stadion, als wäre nichts gewesen. Die Liga sperrt ihn nicht superprovisorisch. Die Antwort werden die Fans geben. Ein Teil davon hat ihn schon bei früheren Gelegenheiten ins Pfefferland gewünscht. Monatelang hielten die eine Karikatur in die Höhe, der Titel: «Crétin des alpes». Trottel der Alpen. CC war es egal. Es wird ihm auch heute egal sein, wenn er wieder Mr. Hyde ist.

Und wie ging die Geschichte bei Stevenson aus? Hyde konnte sich irgendwann nicht mehr rückverwandeln in Dr. Jekyll, weil ihm eine Zutat für den Verwandlungstrank ausging. Er stirbt als Hyde. Ob durch Selbstmord oder hingerichtet als Mörder lässt die Story offen.

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