Depressionen bezwungen – jetzt FCB-Trainer
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Mensch, Sforza!
Depressionen bezwungen – jetzt FCB-Trainer

Wer ist Ciri Sforza (50) wirklich? Der neue Trainer des FC Basel steht schon mit 13 Jahren im Rampenlicht. Der Champions-League-Sieger mit Bayern ist ein Fussball-Verrückter. Nach einer depressiven Phase 2012 startet er nochmals richtig durch.
Publiziert: 26.08.2020 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2020 um 11:29 Uhr
Max Kern

Mitte April 2012. Ciri Sforza wird beim abstiegsbedrohten Rekordmeister GC (aus seiner Sicht völlig grundlos) durch den neuen Präsidenten André Dosé entlassen und durch Uli Forte ersetzt. Sforza hat zuvor 2010 mit GC Rang 3 erreicht, setzt in Niederhasli ZH vor allem auf die Karte Jugend. Die heutigen Stars Yann Sommer (Gladbach), Roman Bürki (Dortmund), Steven Zuber (Frankfurt) oder Remo Freuler (Atalanta Bergamo) profitieren von seiner Ausbildungsarbeit.

Die Entlassung bei GC ist für den Champions-League- und Uefa-Cup-Sieger (mit Bayern) ein Tiefschlag, von dem sich der neue FC-Basel-Trainer Jahre lang nicht erholt. Er fällt in ein seelisches Tief. Spricht 2016 in einem Interview mit SonntagsBlick offen darüber. Sforza damals: «Für mich waren es einfach Zeichen, mein Leben zu ändern. Heute bin ich unendlich dankbar, denn ich bin ein stärkerer Mensch als je zuvor in meinem Leben.»

Warum ist es passiert?
Es kamen verschiedene Faktoren zusammen. Im ersten Jahr erreichte ich als GC-Trainer mit jungen Spielern Platz 3. Dann hiess es: Wir müssen sparen, wir müssen Spieler verkaufen. Ich hätte da sagen sollen: Ohne mich, ich höre auf. Ich arbeitete für ein Projekt, hinter dem ich nicht stehen konnte. Und konnte plötzlich gedanklich nicht mehr loslassen.

Ciriaco Sforza wird neuer Basel-Trainer.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus
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Was heisst das konkret?
Ich schlief nicht mehr tief. Ich hatte plötzlich grosse Angst. Vor dem Versagen, vor dem Leben, vor einem plötzlichen Herztod wegen des ganzen Drucks.

Wann kamen diese Ängste?
In der Ruhephase. Wenn man solche Signale bekommt, muss man sie wahrnehmen und entsprechend Konsequenzen ziehen.

Was haben Sie getan?
Ich war beim Psychologen, sprach und sprach und sprach. Das hat null und nichts mit Schwäche zu tun.

Bekamen Sie Antidepressiva?
Nein. Ich nahm nie Medikamente. Das war für mich immer das Wichtigste, dass ich es ohne schaffe.

Wie geht es Ihnen heute?
Tipptopp. Die fast einjährige Pause hat mir sehr gut getan. Ich bin bereit für einen neuen Job als Trainer. Ob in der Schweiz oder im Ausland.

Nach einer schöpferischen Pause arbeitet Sforza ab 1. April 2019 erfolgreich als Trainer beim Challenge-League-Klub FC Wil. Ihm gefällt die Arbeit als Nachwuchs-Ausbildner.

Jetzt wechselt er zum «grossen» FC Basel. Auch beim ehemaligen Serien-Meister soll er vermehrt auf die Karte Jugend setzen.

Sforzas Weg als Fussballer. Ein Blick zurück.

Ciriaco «Ciri» Sforza kommt 1970 in Wohlen als drittes Kind der italienischen Gastarbeiterfamilie des Flachmalers Fortunato Sforza auf die Welt. Er wächst in einem Mehrfamilienhaus am Neumattweg 3 in bescheidenen Verhältnissen auf. Mit 13 1/2 Jahren steht er in der Aargauer Provinz erstmals in den Schlagzeilen. Das Lieblingskind von Papa Fortunato spielt beim FC Wohlen mit den Erwachsenen mit – in der Zweitliga-Mannschaft!

René Meier, 1983 Präsident beim FC Wohlen, sagt damals eines Abends zu seinem Trainer Zvezdan Cebinac: «Wir haben bei den Junioren einen sehr talentierten Burschen. Kommst du ihn dir mal anschauen?» Cebinac nimmt den Junior unter die Lupe und sagt danach zu seinem Präsi: «Unglaublich. Für einen 17-jährigen ist der schon sehr weit.» «Der ist noch keine 14», antwortet Meier. Cebi («Der Schweiz ist ein neuer Beckenbauer geboren») staunt, nimmt Klein Sforza sofort in sein Team auf. Die Folge: Ein Aufschrei der Empörung in der Junioren-Abteilung des FCW. Der erste Eklat in der Karriere von Ciriaco S.

Rückblickend sagte der spätere Aarau-Trainer Cebinac: «Schon bald war Ciri unter all den Erwachsenen der Leader.» Und mit 16 bereits Aargauer Zweitliga-Meister.

Wil bestätigt Verhandlungen

Wie BLICK schon am Dienstagabend spät berichtete, wird Ciriaco Sforza neuer Trainer des FC Basel. Am Mittwochmittag reagiert sein bisheriger Arbeitgeber, der FC Wil mit einer Medienmitteilung: «Die FC Wil 1900 AG bestätigt die Transferabsicht von Cheftrainer Ciriaco Sforza zum FC Basel. Die Verträge sind allerdings noch nicht unterzeichnet. Der noch bis zum 30. Juni 2022 gültige Vertrag würde per Ende August 2020 vorzeitig aufgelöst werden. Assistenztrainer Daniel Hasler soll Ciriaco Sforza nach Basel folgen. Zusätzliche Informationen sind derzeit nicht möglich. Sobald die Verträge unterzeichne sind, können weiterführende Angaben erfolgen.»

Wie BLICK schon am Dienstagabend spät berichtete, wird Ciriaco Sforza neuer Trainer des FC Basel. Am Mittwochmittag reagiert sein bisheriger Arbeitgeber, der FC Wil mit einer Medienmitteilung: «Die FC Wil 1900 AG bestätigt die Transferabsicht von Cheftrainer Ciriaco Sforza zum FC Basel. Die Verträge sind allerdings noch nicht unterzeichnet. Der noch bis zum 30. Juni 2022 gültige Vertrag würde per Ende August 2020 vorzeitig aufgelöst werden. Assistenztrainer Daniel Hasler soll Ciriaco Sforza nach Basel folgen. Zusätzliche Informationen sind derzeit nicht möglich. Sobald die Verträge unterzeichne sind, können weiterführende Angaben erfolgen.»

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Geheimtreffen in Wohlen

Die Grossklubs klopfen an. Der FC Zürich scheint das Rennen zu machen. Sven Hotz, damals Präsi beim FCZ, fährt zu Verhandlungen nach Wohlen. Im Notariatsbüro von FCW-Präsident Meier hören sich Papa Fortunato und Ciri die Offerte aus Zürich an. Hotz, der auf eine Unterschrift drängt, wird von Meier mit folgenden Worten vertröstet: «Herr Hotz, wir machen das in Ruhe am nächsten Montag. Sie sind hier in einem Notariatsbüro. Machen Sie sich keine Sorgen.» Hotz überreicht dem Super-Talent einen FCZ-Wimpel und ein unterschriebenes FCZ-Poster.

Vom Wohler Geheimtreffen bekommt der damalige Nati-Spieler Raimondo Ponte Wind. Der GC-Star aus dem aargauischen Windisch packt Ciri am Tag darauf in sein GC-Klub-Auto, fährt auf den Hardturm und lässt Ciri bei Meistertrainer Timo Konietzka mittrainieren. Konietzkas Urteil: «Der hat den Fussball im Blut.» Ciris Vater unterschreibt für seinen minderjährigen Sohn einen Vertrag bei GC. Und Hotz vermutet noch heute, dass Papa Sforza von den GC-Oberen mit einem Auto als Geschenk «gekauft» wurde...

Konietzka lässt Ciri bereits mit 16 in der ersten Mannschaft spielen. 1998. Auf Konietzkas Nachfolger Kurt Jara kommt 1988 vom FC Aarau Trainer Ottmar Hitzfeld. Im Schlepptau von Sportchef Erich Vogel. Vogel Jahre danach: «Als erstmals in der Zeitung stand, dass ich zu GC wechsle, war der erste Anrufer der erst 18-jährige Sforza. Er fragte, ob wir uns einmal sehen könnten. Er machte das überhaupt nicht anbiedernd. Sondern intelligent. Und sehr clever.»

«Bin Spielmacher. Kein Verteidiger.»

Ein dreiviertel Jahr später läutet bei Vogel wieder das Telefon. Der 18-jährige Ausnahmefussballer moniert, dass er unter Hitzfeld oft nicht spiele. Oder falsch eingesetzt werde. Vogel: «Sicher stand er da auch unter dem Einfluss seines Vaters.» Ciri mit 18: «Ich bin Spielmacher. Kein Verteidiger.» Hitzfeld: «Wenn Ciri merkt, dass ein Widerstand da ist, sagt er: Ich möchte nicht im Wege stehen.» Sforza, der eine Lehre als Sanitär-Installateur nach zwei Wochen abgebrochen hat, geht mitten in der Saison zu Aarau, im Tausch wechselt der Routinier Thomas Wyss zu GC.

Eineinhalb Jahre später lässt Hitzfeld Ciri für 770'000 Fr. zurückholen. 1990 wird Sforza Schweizer. Uli Stielike macht ihn zum Nationalspieler. Zuerst als Wasserträger von Georges Bregy, dann als Regisseur, schreibt Sforza am erfolgsreichsten Kapitel der Fussball-Neuzeit im letzten Jahrtausend mit: WM- und EM-Teilnahme. 1994 und 1996.

1995 Heirat mit Sandkastenliebe Nicole

1993 der erste Transfer zu Kaiserslautern. Ablösesumme: 2,4 Mio Mark. Rekord in der Vereinsgeschichte der Pfälzer.

Zum ersten Mal gründet Sforza, der seinen Eltern in Wohlen ein Haus bauen liess, einen eigenen Haushalt. Die starke Frau an seiner Seite heisst Nicole Arm, seine Sandkastenliebe. Im Juli 1995 heiraten die beiden. Ein Jahr später kommt Söhnchen Gian-Luca zur Welt, 1999 Töchterchen Luana.

Der nächste Sforza-Skandal? Nach einem absichtlichen Hands-Tor für Kaiserslautern plaudert Ciri im Herbst 1994 vor laufenden Kameras: «Ich bin ein halber Italiener und ein Schlitzohr!» Die deutsche Presse hat ein neues Feindbild.

Im März 1995 unterschreibt Sforza bei Bayern München einen Dreijahresvertrag. Was ihm viele Leute in der Pfalz nie verziehen haben.

«Sind die bescheuert?»

Im selben Jahr wird er von SAT 1 vor laufender Kamera unter dem Motto «Verstehen Sie Spass..?» veräppelt. Es wird von einem Transfer Sforzas zu Inter Mailand berichtet. Teamkollegen reden live darüber. Sforza entsetzt: «Sind die bescheuert?»

Als Sforza im TV veräppelt wurde
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Zusammenschnitt:Als Sforza im TV veräppelt wurde

Bei Bayern wird Ciri zuerst zum Liebkind von Trainer Otto Rehhagel. Der Europameister (2004 mit Griechenland) nennt ihn seinen Quarterback. Doch trotz laufendem Vertrag «erzwängelt» Ciri 1996 die Freigabe für Inter.

Auch beim ehemaligen Schweizer Nati-Trainer Roy Hodgson wird Ciri in Mailand nicht glücklich. Nach einer Saison ist er wieder weg. Und kehrt in die Pfalz zurück. Es beginnt der erfolgreichste Abschnitt seiner Karriere. Als Spielmacher führt Sforza den Aufsteiger (!) 1998 zum Titel.

1999 legte sich Sforza mit Rehhagel an: Er wirft ihm veraltete Trainingsmethoden vor.

Im Sommer 2000 setzt sich sein alter Trainer Ottmar Hitzfeld in München gegen die Widerstände von Präsident Franz Beckenbauer und Vize Kalle Rummenigge durch. Für 10 Mio Mark kommt der ungeliebte Sohn an die Isar zurück.

Der nächste Eklat? Mobbing!

Im Januar 2001 wirft Sforza seinen Teamkollegen Mobbing vor. Im Monat darauf muss er sein Knie operieren lassen. Knorpelschaden! Das Karrieren-Ende droht. Doch nur vier Monate später steht Sforza beim Champions-League-Halbfinal gegen Real Madrid in der Startelf. Den Finalsieg (5:4 nach Penaltyschiessen gegen Valencia) bejubelt er von der Bank aus. Er verschickt an seine besten Freunde ein SMS mit den Worten: «Darf ich nicht ein wenig stolz sein?»

Sommer 2002. Bayern will ihn trotz Vertrag nicht mehr. Ciri plant, in die Schweiz zurückzukehren. Auch weil der Familienmensch damals seinen Sohn daheim einschulen will. Ein Terrassenhaus in Wohlen ist möbliert. Doch Basel und GC wollen ihn nicht, Aarau kann ihn nicht bezahlen. Er geht zum dritten Mal in die Pfalz. Und lässt sich, als Absicherung für die Zukunft, für 2004 einen Posten als Sportchef zusichern. Was nicht bei allen gut ankommt.

Via Luzern zu «Bubentraum GC»

Gleich nach dem Karrieren-Ende als 36-Jähriger steigt Sforza ins Trainer-Business ein. Nicht wie die meisten im Junioren-Bereich. Sondern gleich in der höchsten Liga, beim FC Luzern. Von 2006 bis August 2008 coacht er die Innerschweizer.

Ab Juli 2009 erfüllt sich ein Bubentraum. Sforza wird Übungsleiter bei seinem Lieblingsklub GC. Er setzt vor allem auf die Karte Jugend. Die heutigen Stars Yann Sommer (Gladbach), Roman Bürki (Dortmund), Steven Zuber (Frankfurt) oder Remo Freuler (Atalanta Bergamo) profitieren davon.

Im April 2012 wird Sforza vom neuen GC-Präsidenten André Dosé entlassen und durch Uli Forte ersetzt. Ein Tiefschlag, den er bis heute nicht vergessen hat.

Depression, Scheidung

Bald darauf gerät Sforza in ein seelisches Tief. Er leidet unter depressiven Erschöpfungszuständen. Steht später öffentlich dazu.

2014 geht Sforzas Sandkasten-Liebe in die Brüche. Nach fast 20 Jahren Beziehung lassen sich Nicole und Ciri scheiden.

Sforza geht sportlich zu seinen Wurzeln zurück. Hilft als Trainer in der Challenge League seinem Jugend-Klub FC Wohlen.

Er verliebt sich nochmals. Seine Lebensgefährtin Marlene Meyerstein (heute seine Gattin) schenkt ihm zwei Kinder.

Im Juni 2015 heuert Sforza im Berner Oberland an. Aber beim damaligen Super-Ligisten FC Thun kommt Ciri nie richtig an. Es wird ihm vorgeworfen, dass er nicht an den Thunersee gezügelt ist. Nach nur 18 Spielen (Schnitt: 1,11 Punkte) wirft Sforza Ende September 2015 den Bettel hin.

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