So düster siehts um die Klub-Finanzen aus
2:09

Liga-CEO Claudius Schäfer
«Möglich, dass jeder Fan im Stadion eine Maske trägt»

Liga-CEO Claudius Schäfer (48) über die Zahlen im Schweizer Fussball, Maskenpflicht im Stadion, Fussball an Weihnachten und Ärger mit Constantin.
Publiziert: 21.06.2020 um 12:10 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2020 um 21:25 Uhr
Andreas Böni, Felix Bingesser (Text) und Toto Marti (Fotos)

BLICK: Herr Schäfer, wie schlecht stehts um den Schweizer Fussball?
Claudius Schäfer:
Welchen Zeitpunkt nehmen Sie als Referenz? Falls dieser vor der Ausbreitung des Coronavirus liegt, können wir feststellen, dass allen antragstellenden Klubs die strenge Uefa-Lizenz erteilt wurde. Heute, nach Monaten ohne Fussball und ohne Zuschauereinnahmen, würde sich ein anderes Bild zeigen. Aber klar: Es ist nicht einfach, in der Schweiz einen Fussballklub wirtschaftlich nachhaltig und ohne Zuschüsse von Dritten zu führen.

Wenn man die Zahlen sieht, ist das schockierend. Sion weist beim Eigenkapital einen Betrag von minus zehn Millionen aus. Bei Lugano und Servette sind es minus fünf respektive minus acht Millionen. Und das vor der Corona-Krise!
Schockierend wäre, wenn diese Klubs alle überschuldet wären und gemäss Gesetz der Verwaltungsrat oder die Revisionsstelle den Richter benachrichtigen müssten. Wie bei anderen Unternehmen werden auch im Fussball oft Darlehen mit Rangrücktritt gewährt. Darlehen mit Rangrücktritt werden als wirtschaftliches Eigenkapital betrachtet. Die Verbindlichkeit ist zwar in der Bilanz aufgeführt, aber faktisch wird sie absehbar nicht beglichen werden müssen.

Diese alarmierenden Zahlen wurden erst nach den Verhandlungen mit dem Bund publik. Hätte es etwas geändert, wenn man sie vorher gekannt hätte?
Es ist nicht das erste Jahr, dass die Klubs die Finanzzahlen publizieren müssen, dies ist eine Vorgabe der Uefa und soll eine gewisse Transparenz ermöglichen.

Liga-CEO Claudius Schäfer im Büro in Bern.
Foto: TOTO MARTI
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Der Bund stellt den professionellen Fussball- und Eishockeyklubs Darlehen von 300 Millionen zur Verfügung. Sie verzögern die Probleme oder gar den Kollaps gewisser Klubs doch nur. Standen A-fonds-perdu-Beiträge nie zur Debatte?
Es ist klar, dass wir zu Beginn der Gespräche auch nicht rückzahlbare Beträge angesprochen haben. Unsere Klubs leisten einen grossen Beitrag an die Gesellschaft, zum Beispiel mit der teuren Ausbildung von Tausenden von Nachwuchsspielerinnen und -spielern. Uns wurde von Anfang an gesagt, dass wir dies nicht beantragen können und diese Zuschüsse nur dem Amateursport zustehen würden. Wir sehen dies problematisch.

Warum?
Ein Spitzenteam aus der Promotion League kann für seine Junioren­arbeit Subventionen beantragen, was wir sehr befürworten. Eine Aktiengesellschaft aus der Brack.ch Challenge League jedoch nicht. Dies nur, weil an ihr das Etikett «Klub aus einer Profiliga» klebt. Das ist schwer nachvollziehbar.

Wie ist der Stand bei den Bundesdarlehen? Unter diesen Umständen wird die doch kaum ein Klub in Anspruch nehmen.
Wir haben bekanntlich eine Absichtserklärung unterzeichnet. Der politische Prozess ist nun abgeschlossen. Nun sind wir an der Ausarbeitung einer Vereinbarung. Schade ist die Tatsache, dass wir uns nie in den politischen Prozess einbringen konnten.

Wie meinen Sie das?
Als es vor einigen Jahren beispielsweise um die Frage ging, ob man die von den Fans verursachten Schäden in den Zügen der SBB auf die Klubs abwälzen kann, konnten wir unsere Haltung in den dafür
zuständigen Kommissionen einbringen. Dieses Mal konnten wir – und auch die Eishockey-Liga mit Direktor Denis Vaucher – nie vorsprechen. Wir konnten nur die öffentlich zugänglichen Wortmeldungen der Parlamentarierinnen und Parlamentarier lesen. Das finde ich schade. Es hätte die eine oder andere Erklärung gegeben.

Wo hätten Sie denn gerne mitgeredet?
Bei der Debatte um die Löhne. Da existieren weiterhin viele Klischees.

Da gab es sicher wieder viele Stammtischparolen im Parlament.
Das sagen Sie. Aber es wäre sicher gut gewesen, hätten wir uns da erklären können. Nun ist der politische Prozess abgeschlossen.

Der langjährige Ligakrösus FC Basel macht 20 Millionen Franken minus. Wie ordnen Sie das ein?
Zu einzelnen Klubs äussere ich mich als Liga-CEO nicht.

Die Muttenzerkurve fordert den Rücktritt von Präsident Bernhard Burgener. Wie sehen Sie das?
Das ist sicher keine angenehme Situation. Solche Konflikte lösen aber vielfach einen konstruktiven Dialog aus.

Bernhard Burgener ist in Basel zur streitbaren Figur geworden. Wie bringt er sich in der Liga ein?
Er ist eines von neun Mitgliedern im Liga-Komitee. Ein sehr aktives Mitglied mit grosser Erfahrung im Bereich Medien, was für die Liga von grossem Wert ist. Auch in dieser Corona-Zeit bringt er sich rege ein.

Weil er die strukturellen Probleme am eigenen Leib spürt?
Man muss sehen: Die Champions League ist für Schweizer Spitzenklubs leider so weit entfernt wie noch nie. Nun muss der Meister schon in der zweiten Qualifikationsrunde einsteigen. Da ist der Weg an die grossen Einnahmen zwar nicht unmöglich, aber unglaublich steinig. Die nächste Entwicklung mit einer geschlossenen Champions League, die sogenannte Super League, konnten wir wahrscheinlich verhindern. Aber es wird wohl nie mehr so sein wie früher, und darauf müssen sich die Schweizer Spitzenklubs einstellen.

In Asien oder in Südamerika schaut man halt lieber siebenmal Manchester City gegen Liverpool als Basel gegen Maribor.
Vielleicht gibt es diesbezüglich aber auch eine Sättigung. Vielleicht will man dann doch plötzlich wieder David gegen Goliath, will wieder sehen, wie kleine Klubs die Grossen herausfordern. Wie Basel gegen Chelsea oder Manchester United bestehen kann. Vielleicht wäre das trotzdem spannender als hundertmal Real Madrid gegen Barcelona. Die Uefa hat 55 Mitglieder und damit eine enorme Vielfalt. Die sollte in diesen Wettbewerben auch abgebildet sein.

YB macht zwar 21 Millionen Franken Gewinn, hat aber nur 11 Millionen Eigenkapital. Leben neben den Baslern auch die Berner auf zu grossem Fuss?
Nochmals: Ich äussere mich nicht zu den Finanzen einzelner Klubs. Beide konnten in der jüngsten Vergangenheit schöne Erfolge feiern, sei es national oder international. Um in den Uefa-Wettbewerben zu bestehen, wird bezüglich Spielern eine gewisse Qualität vorausgesetzt. Die durch die letztmalige, meines Erachtens verfehlte Revision der Uefa-Formate verursachte grosse Ungewissheit, ob ein Klub an den Uefa-Wettbewerben teilnehmen kann oder nicht, macht eine Kaderplanung und damit verbunden auch die Finanzplanung zur grossen Herausforderung des Managements.

Sind Sie überzeugt, dass alle 20 Profi-Klubs diese Corona-Krise überleben werden?
Dies hängt wohl stark von der Entwicklung der Fallzahlen ab
und wie die Klubs die Monate ohne Zuschauereinnahmen überbrücken können. Als Optimist bin ich überzeugt, dass wir bald wieder mit Zuschauern spielen können.

Mit vollen Stadien?
Das ist von kapitaler Bedeutung. Die Zuschauereinnahmen machen 30 bis 40 Prozent der Einnahmen aus. Dazu kommt als weiterer
von der Pandemie betroffener Einnahmeposten das Transfergeschäft. Dieses wird gemäss wissenschaftlichen Studien zumindest in diesem Jahr stark eingeschränkt sein. Darum ist es so wichtig, dass wir bald wieder mit Fans spielen können. Was mich aber riesig freut, ist beispielsweise die Solidarität der Anhänger des FC St. Gallen und anderer Klubs, indem Tausende Jahreskarten kaufen, obwohl sie nicht wissen, ob sie überhaupt ins Stadion können.

Einige Fans sagen aber auch: Ihr spielt um jeden Preis und vor allem für das Fernsehen. Der Fussball entlarvt sich.
Wir wollen Entscheidungen auf dem Rasen, das entspricht auch der sportlichen Fairness. Es ist aber klar, dass auch wirtschaftliche Überlegungen hinter diesem Entscheid stehen. Wir haben beide Szenarien durchgerechnet und den Klubs vor der Abstimmung transparent präsentiert.

Können Sie verstehen, dass Zehntausende in Schweizer Städten demonstrieren können und Polizei und Politik nichts machen und die Fans auf der anderen Seite nicht ins Stadion können?
Hier sind wir schnell in einer gesellschaftspolitischen Diskussion, die in Missverständnissen enden kann. Die Polizei ist in einer solchen Situation enorm gefordert und muss innert kürzester Zeit Entscheide von grosser Tragweite fällen. Ich habe diesbezüglich grössten Respekt. Aber ich kann bei diesen Bildern auch begreifen, dass die Fussballfans frustriert sind. Schauen wir nun positiv in die Zukunft und freuen uns auf Spiele mit Zuschauern!

Ist es möglich, dass in einem vollen Stadion jeder eine Maske trägt?
Ja. Es könnte durchaus darauf hinauslaufen.

Haben Frankreich, Belgien und Holland die Saisons zu schnell abgebrochen?
In Frankreich hat man dieses Gefühl. Viele Klubs sind sehr frustriert und sind an Gerichte gelangt. Unter der Voraussetzung, dass wir vom Bundesrat die Genehmigung erhalten und gesamtwirtschaftlich betrachtet Geisterspiele das kleinere Übel sind, war für uns immer das Ziel im Vordergrund, die Saison mit Spielen abzuschliessen. Aber auch bei uns waren die Diskussionen intensiv. Kurz vor dem Saisonabbruch standen wir nicht. Aber die SFL und die Klubs benötigten verständlicherweise ihre Zeit, um alle Vor- und Nachteile zu prüfen und dann zu entscheiden.

Wie froh sind Sie, dass Christian Constantin nun doch nicht klagt, dass sein Neuzugang Serey Die nicht spielen darf?
Ich habe seine Aussage nur in den Medien gelesen. Ich gehe davon aus, dass sie stimmt. Wahrscheinlich sah er die rechtliche Ausgangslage und hat dann so entschieden.

Einige in der Liga sagen, er koste nicht nur Energie, sondern mit seinen juristischen Zwängereien auch viel Geld. Wie viel Geld hat er Sie schon gekostet?
Dies wird im Herbst ziemlich genau unserer Jahresrechnung zu entnehmen sein.

Gab es schon mal Bestrebungen, ihn auszuschliessen?
Nein, meines Wissens gab es noch nie einen Antrag, den FC Sion auszuschliessen.

Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm persönlich geredet?
Anfang Mai. Aber er ist immer konstruktiv im persönlichen Gespräch. Ich tue mich aber manchmal schwer mit seinen Äusserungen in den Medien. Es wäre konstruktiver, jeweils den direkten Kontakt zu
suchen.

Super League live auf Teleclub

Sonntag, 21. Juni 16 Uhr

Luzern – Basel (Hier gehts zum Live-Spiel)
Servette – Lugano (Hier gehts zum Live-Spiel)

Sonntag, 21. Juni 16 Uhr

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Nun stehen die Verhandlungen zum neuen Fernsehvertrag an. Sie glauben nicht, dass Sie nach der Corona-Krise wieder die 35 Millionen Franken pro Jahr bekommen.
Fussball ist das beste Sportprodukt der Schweiz. Wir liefern den besten Inhalt. Das hat seinen Preis.

Seit Freitag rollt der Ball wieder. Wo haben Sie das Spiel geschaut?
Im Stadion. Es war schon eine ganz neue Erfahrung im leeren Stade de Suisse.

Gab es von der Liga eine Idee mit Beschallung der Stadien oder Ähnlichem?
Nein, eine Beschallung kann nur der TV-Partner einspielen.

Was macht Ihnen die grössten Sorgen bezüglich Schutzkonzept?
Das Schutzkonzept ist mit den schrittweisen Öffnungen ein lebendes Dokument. Es ist für die Klubs und für uns eine neue Situation und daher auch klar, dass wir angespannt sind.

Was passiert, wenn sich einer ansteckt?
Eine Person, die mit einer am neuen Coronavirus erkrankten Person in engem Kontakt stand, muss in Absprache mit der zuständigen kantonalen Stelle in Quarantäne. Enger Kontakt bedeutet, dass Sie sich während mehr als 15 Minuten ohne Schutz in der Nähe (Distanz von weniger als 1,5 Metern) einer infizierten Person aufgehalten haben.

Wie froh sind Sie, wenn diese Saison über die Bühne gebracht ist?
Dann fängt schon fast wieder die neue an. Aber klar, die Monate sind nicht spurlos an einem vorbeigegangen. Ich werde erst mal durchschnaufen.

Freuen Sie sich auf Weihnachten, weil es dann auch in der Schweiz Fussballspiele geben könnte?
Das Projekt Boxing Day, also am 26. Dezember spielen zu können, gab es schon länger. Aber es gibt gewisse Hürden. In der Schweiz ist es auch aufgrund der Stadien mit Mantelnutzung kompliziert. In Österreich gibt es erst einen Spielplan, danach haben sich alle zu richten. Bei uns gibt es erst eine Liste mit Sperrdaten, danach können wir unsere Planung gestalten.

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Mannschaft
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13
2
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12
3
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