GC-Trainer Schällibaum im grossen Interview vor dem Saisonstart
«Es wird sehr schwierig für uns»

GC-Trainer Marco Schällibaum verteidigt im Blick-Interview seine Mitarbeiter und lobt die Unterstützung der Amerikaner. Trotz Herausforderungen im Transfermarkt zeigt er Vertrauen in sein Team und strebt Stabilität und Fortschritt an.
Publiziert: 20.07.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2024 um 08:51 Uhr
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Carlo Emanuele FrezzaReporter Fussball

Herr Schällibaum, unmittelbar nach dem geschafften Klassenerhalt in Thun betrieben Sie ziemliche Medienschelte – hauptsächlich gegen Blick.
Es kamen in jenem Moment viele Sachen zusammen. Ich schütze meine Leute, wenn sie von Menschen kritisiert werden, die sie nicht kennen. Das war meiner Meinung nach bei Stephan Schwarz und Harald Gärtner geschehen. Aber ich blieb mit meiner Kritik im Rahmen. Mein Ton war dominant, aber nicht so bösartig, dass ich mich bei euch entschuldigen müsste.

Wie beschreiben Sie denn die beiden?
Ich kann versichern, dass Stephan Schwarz und Harald Gärtner unzählige Stunden für GC unterwegs sind und enorm investieren. Mit ihnen fühle ich mich unglaublich wohl. Sie ticken genauso wie ich. Ein bisschen alte Schule, aber genauso offen für Neuheiten. Wir sind auf einer Wellenlänge und wir ziehen den Klub im gemeinsamen Austausch in die gleiche Richtung.

Und wie ist Ihre Beziehung zu den Verantwortlichen bei LAFC?
Ich habe keinen tagtäglichen Draht. Das braucht es auch nicht. Stephan Schwarz und Harald Gärtner sind deutlich mehr in Kontakt. Von ihnen kriege ich die nötigen Informationen, wie sie drüben momentan das Ganze bei uns sehen.

Marco Schällibaum geht zuversichtlich in die neue Saison.
Foto: Pius Koller
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Wie nehmen Sie die Amerikaner wahr?
Ich spüre ihre Unterstützung. John Thorington war da während der Barragephase. Für das Rückspiel in Thun ist Stacy Johns am Donnerstagabend in Los Angeles abgeflogen, am Freitag in Zürich gelandet und dann direkt nach Thun gereist. Einen besseren Beweis dafür, dass ihnen die Sache mit GC ernst ist, kann ich nicht haben.

Wie dankbar sind Sie Ihnen, dass Sie Ihren Herzensklub trainieren dürfen?
Ich bin sehr erfreut darüber und voller Demut. Jeden Morgen, wenn ich zum Campus komme und die Schranke aufgeht, bin ich in einer anderen Welt, die mich unglaublich stolz macht. Das müssen auch die Spieler sehen, dass ich hoch motiviert bin und Freude daran habe, hier Trainer zu sein.

Aber es muss schon schmerzen, dass GC nicht mehr das ist, was es mit Ihnen als Spieler war.
Klar tut es weh. Wir müssen wieder versuchen, dort hinzukommen.

Welches sind die Unterschiede zwischen den Amerikanern bei Ihrem vorherigen Arbeitgeber Yverdon und jenen bei GC?
Es war eine andere Welt in Yverdon. Sie verfolgten einen Weg, der nicht meiner war. Es gab eine Reihe an No-Gos, auf die ich nicht eingehen will. Hier habe ich Leute vorgefunden, die sehr investiert sind und sehr pflichtbewusst.

Haben Sie wegen der schlechten Erfahrung mit Amerikanern in Yverdon zu sich selber mal im Stillen gesagt: «Ich arbeite nie mehr unter Amerikaner»?
Das Leben ist kein Wunschkonzert, aber klar war es ein Thema in meinem Kopf. Aber es war auch ganz schnell weg. Spätestens als ich bemerkt habe, dass bei GC eine ganz andere Linie gefahren wird und ich nicht mehr mit den gleichen Leuten reden muss.

Sie haben nach dem geschafften Klassenerhalt einen Vertrag bis 2026 unterschrieben. War für Sie immer klar, dass Sie bei GC weitermachen wollen?
Von Anfang an lautete mein Ziel, GC zu retten und danach den Weg weiter mit diesen Leuten zu gehen. Aber dieses Gefühl musste auch die andere Partei empfinden. Wir haben uns nach dem Klassenerhalt in die Augen geschaut und da war klar, wir treffen und einigen uns, damit die schöne Geschichte weitergeht.

Haben Sie punkto Kader Bedingungen gestellt?
Wir haben eine Basis, die grundsolid und gesund ist. Qualitativ kann man diskutieren, aber die Basis haben wir. Die Spieler sind gerne zusammen und arbeiten gerne auf dem Platz. Und nicht zu vergessen: In der Relegation Group wurden wir Zweiter und haben gegen kein schlechtes Thun gewonnen. Wir können also bestehen. Aber es ist klar, dass jetzt jeder 10 Prozent besser werden muss.

Reicht das schon, um die Klasse zu halten?
Ich kann mir vorstellen, dass alle sagen, wir werden Zwölfter oder Elfter. Wir haben 3 Spieler geholt. Jetzt liegt es an uns, zu beweisen, dass es nicht so ist. Wenn du schon einmal fast auf der Intensivstation warst und das Leben nicht so lustig war, dann musst du einfach alles dazu beitragen, dass du nicht mehr in diese Situation kommst. Der Mensch vergisst schnell, aber sowas darf man nicht vergessen. Ob es dann besser oder einfacher wird, wissen wir nicht.

Warum gab es bisher kaum Bewegung auf dem Transfermarkt?
Wir wollen Spieler, die für uns ein Mehrwert sind. Unsere Eigentümer sind auch bereit, diese zu holen. Es können auch zwei oder drei Spieler sein. Aber wir müssen noch warten. Wir sind nicht mehr das GC von früher. Solche Spieler warten noch auf andere Möglichkeiten in besseren Ligen oder sie gehen heute in der Schweiz lieber anderswo hin. Das ist überhaupt nicht despektierlich uns gegenüber. Doch diesen Status müssen wir uns wieder erarbeiten.

Dann stört es Sie nicht, dass das Kader noch einer Baustelle gleicht?
Wir müssen uns gedulden. Auch wenn, je mehr Zeit vergeht, es nicht so einfach ist, damit umzugehen. Ich kann aber nicht jeden Morgen weinend ins Büro des Sportchefs gehen und fragen, was los ist und wann die Spieler kommen. Es ist die Realität, dass wir die ersten paar Spiele mit diesem Kader bestreiten. Aber ich habe volles Vertrauen in meine Spieler und bin überzeugt, dass wir gut starten.

Auf welchen Positionen fordern Sie Verstärkungen?
Die Priorität hat sicher die Offensive. Aber wenn es passt, kann es auch eine andere Position sein. Wenn einer bereit ist, uns mental und qualitativ etwas bringen kann, dann ist es ein gezielter Einkauf. Stephan Schwarz und Harald Gärtner sind jeden Tag dran.

Was versprechen Sie sich von den bisherigen drei Neuverpflichtungen?
Nikolas Muci ist ein Transfer, der zukunftsorientiert ist. Er braucht Zeit, die wir ihm geben. Aber nicht zu viel, denn irgendwann muss er dann auch besser werden. Aber ich bin sehr überzeugt von ihm. Er hat den Torjägerinstinkt. Zudem ist er sehr professionell unterwegs und auch in den Trainings sehr konzentriert. Evans Maurin kenne ich aus Yverdon. Er ist noch jung aber noch nicht ganz so konstant. Aber wenn er gut drauf ist, kann er das Spiel entscheiden. Und Saulo Decarli kann von der Persönlichkeit her in der Verteidigung ein Patron sein.

Und wie schaut die Rolle von Amir Abrashi in dieser Saison aus?
Amir ist und bleibt sehr wichtig. Er ist ein aussergewöhnlicher Leader von GC und ein Kämpfertyp, wie wir ihn brauchen. Aber das gibt ihm kein Ticket, dass er immer spielt. Er muss auch seine Leistung bringen, was er auch tut. Aber die Saison ist lang. Es wird die Momente geben, in denen er wie letzte Saison mehr Erholung braucht. Denn ich brauche ihn im Vollbesitz seiner Kräfte.

Die Amerikaner wollen langfristig vermehrt auf Eigengewächse setzen. Hat sich ein Spieler in dieser Vorbereitung profiliert?
Am nächsten dran an der ersten Mannschaft sind Tim Meyer und Felipe de Carvalho. Beide haben unglaubliche Qualitäten. Und wir zählen auf sie, dass wir als Team besser werden. Doch dafür müssen auch sie sich als Einzelspieler verbessern. Die Trainings sind dabei das eine und die Spiele mit Druck und einem Gegner das andere. Sie müssen weiter reifen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie persönlich in die Saison?
Ich glaube an die Mannschaft, aber es wird sehr schwierig für uns. Das Hauptziel ist Stabilität zu haben, dass wir einen klaren Fortschritt sehen. So soll es weitergehen, damit wir so nah wie möglich an den sechsten Platz kommen. Schaffen wir das, wäre das super.

Die Top 6 sind also kein Thema?
Das wäre zu hoch gegriffen. Wir wollen nicht in die Situation kommen wie letztes Jahr. Wenn vor den letzten zwei, drei Spielen der Klassenerhalt fix ist, wäre das für mich schon mal ein Fortschritt.

Als Sie am 10. April zum GC-Trainer ernannt wurden, erklärten Sie, dass Sie dem Klub etwas zurückgeben wollten. Was meinen Sie damit konkret?
Ich habe versprochen, den Klub zu retten, was ich eingehalten habe. Jetzt müssen wir Stabilität in den Verein bringen und einen positiven Drive kreieren. Das garantiert keine Resultate am Wochenende. Aber wenn du spürst, dass jeder alles gibt, dann wirst du automatisch besser und kannst etwas aufbauen.

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Servette FC
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FC Zürich
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FC Luzern
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FC St. Gallen
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FC Sion
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Yverdon Sport FC
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Grasshopper Club Zürich
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