FCB-Captain Valentin Stocker
«Ich fühle mich wie zwischen Stuhl und Bank»

Valentin Stocker (30) spricht im Interview über Ungewissheiten während der Corona-Pause, den anstehenden Frankfurt-Kracher und seinen FC Basel im Wandel der Zeit.
Publiziert: 10.03.2020 um 10:33 Uhr
Marco Pescio (Text) und Toto Marti (Fotos)

FCB-Captain Valentin Stocker erscheint locker und gut gelaunt zum Interview, zur Begrüssung gibts zu Coronavirus-Zeiten halt mal den Ellenbogen anstatt die Hand. So wie das aktuell in der Kabine des Super-League-Dritten halt gehandhabt wird. Ganz auf Distanz gehen die FCB-Stars aber nicht. Edon Zhegrova erfüllt im Shopping-Center des Stadions Foto-Wünsche, Blas Riveros sitzt mit einem Freund ganz normal im gut besuchten Café.

BLICK: Valentin Stocker, wie oft haben Sie heute schon die Hände gewaschen oder desinfiziert?
Valentin Stocker: (Schmunzelt) Schon ein paar Mal. Aber ich muss auch sagen, dass ich davor schon sehr auf die Hygiene geachtet habe. Auf Flugreisen etwa habe ich immer mein Hand-Desinfektionsmittel dabei.

Wie intensiv beschäftigen Sie sich mit dem Coronavirus-Thema?
Ich fühle mich eigentlich sehr sicher. Aber es ist bei uns in der Kabine schon so, dass überall Desinfektionsmittel herumstehen und wir den engen Kontakt untereinander möglichst vermeiden. Doch genau das finde ich im Fussball eigentlich schwierig, weil es entscheidenden Einfluss haben kann.

Valentin Stocker posiert im Shopping-Center des St. Jakob Parks im FCB-Legenden-Gang vor seinem eigenen Bild.
Foto: TOTO MARTI
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Wie meinen Sie das?
Man gibt sich die Hand, man nimmt sich in den Arm, man steht zusammen – wenn das im Teamsport wegfällt, kann schnell eine gewisse Distanz entstehen. Das würde ich gerne verhindern.

Wie beschreiben Sie denn aktuell Ihren Fussballer-Alltag? Fühlen Sie sich, als würden Sie gerade eine zweite Rückrundenvorbereitung durchmachen?
Ich fühle mich wie zwischen Stuhl und Bank. Man weiss nicht so recht: Wann ist das nächste Spiel? Was findet statt? Dann haben wir plötzlich mal an einem Mittwoch frei, was zuvor wahrscheinlich 10, 15 Jahre lang nie der Fall war. (Lacht) Letztlich müssen wir flexibel bleiben und uns kurzfristig anpassen.

Ihr Trainer, Marcel Koller, sagte im FCB-TV, er habe sich im ersten Moment gefreut über die Pause.
In unserem Fall ist das lustigerweise wirklich so. Wir haben Ricky van Wolfswinkel, der vier Wochen lang pausieren muss und diese nun bald auch schon wieder vorbei sind. Auch Kevin Bua kann sich von seiner Verletzung erholen. Andere können leichte Blessuren auskurieren. Deshalb habe ich zuerst auch gedacht: Gut, jetzt können wir mal durchschnaufen. Aber allmählich ändert sich diese Sichtweise, es dürfte langsam weitergehen…

Mittlerweile scheint nichts mehr fix planbar. Haben Sie Angst vor einem Saisonabbruch?
Es wäre doof, klar. Und enttäuscht wäre ich auch, ja. Aber ich verstehe, dass es wichtigere Sachen gibt im Leben als den Fussball. In einem solchen Fall müssen wir Sportler halt in den sauren Apfel beissen. Klar ist: Ein Saisonabbruch würde sehr viele Fragen aufwerfen, wie das dann gehandhabt würde.

Können Sie sich angesichts dieser Umstände überhaupt freuen über ein Europa-League-Los wie Eintracht Frankfurt?
Ja, die Vorfreude ist auf jeden Fall da. Gut ist, dass das Hinspiel in Frankfurt für uns eine Art Fixpunkt in dieser ungewissen Zeit darstellt (Stand Dienstagmorgen, d. Red.).

Das Gesundheitsamt Frankfurt sagt, das Ansteckungsrisiko sei im Freien sehr gering, darum werde in Deutschland gespielt. Können Sie den Bundesrats-Entscheid für die Schweiz trotzdem nachvollziehen?
Ich glaube, dass der Bundesrat und die entsprechenden Behörden viel mehr Wissen und Informationen haben als wir. Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass hier im Interesse aller entschieden wird.

Genug Corona, wechseln wir zum sportlichen Teil: Der FCB hinkt im Meisterrennen hinterher, hat im Vergleich zu den früheren, dominanten Jahren an Kaderbreite, Konstanz und auch an Glanz eingebüsst. Wie sehen Sie den FC Basel im Wandel der Zeit?
(Überlegt lange) Ich glaube, dass es im Fussball nun mal so ist, dass man für einen Umbruch einfach keine Zeit bekommt. Man erwartet, dass es im genau gleichen Stil weitergeht wie zuvor. Dieser Umbruchs-Entscheid wurde damals (im Sommer 2017, mit der neuen Führung um Präsident Bernhard Burgener, d. Red.) so gefällt. Seither sehe ich auch mich persönlich als Spieler in der Pflicht, mitzuhelfen, damit der FCB dahin zurückkehren kann, wo er war. Aber…

Ja?
Dass dies Zeit braucht und mit Enttäuschungen verbunden ist, ist für mich logisch. Nach zuvor acht Meistertiteln in Serie ist es klar, dass die Erwartungen von Aussen einfach unglaublich gross sind – und jedes Unentschieden schlicht zu schlecht ist. Gleichzeitig wirkt es für mich so, dass man aktuell immer noch den Enttäuschungen der letzten Jahre hinterherhinkt, trotz der Erfolge, die wir immer noch feiern.

Inwiefern?
Das Weiterkommen im Sommer gegen PSV Eindhoven, unsere Europa-League-Kampagne: Ich finde, für die Breite unseres Kaders haben wir das sensationell gemacht und die Dreifach-Belastung sehr gut gemeistert. Das geht oft ein wenig unter. Ich sehe es grundsätzlich als Herausforderung an, uns von Halbjahr zu Halbjahr zu steigern, immer einen Schritt weiterzukommen, um irgendwann an jenem Punkt zu sein, an dem wir sagen können: Wir sind wieder da, wo wir hingehören.

Da spielt halt auch noch hinein, dass es für Schweizer Klubs deutlich schwieriger geworden ist, an die Honigtöpfe der Champions League zu gelangen.
Ja, die heutige Situation ist nicht vergleichbar mit der früheren. Wir waren viermal direkt in der Champions League. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Und ich erinnere mich auch noch an die früheren Quali-Gegner, die waren zum Teil einfacher als heute.

Auch die Zuschauerzahlen im Joggeli gingen zurück. Tut Ihnen das als Spieler weh?
Wir nehmen den Rückgang schon zur Kenntnis. Klar, als wir noch in der Champions League spielten und die Zuschauer wussten, da kommen sicher zwei Top-Gegner ins Stadion, hatten wir schnell einmal 4000 Saisonkarten mehr verkauft. Auf wieviel sind wir jetzt? 19’000?

Remo Meister, Leiter Kommunikation beim FCB, schaltet sich ein: «Ja, wir stehen bei 19’080 Saisonkarten (per Stichtag 7. Februar 2020, d. Red.). Es hat schon einen Rückgang gegeben in den letzten Jahren, wobei man sagen muss, dass dieser bereits in der Blütezeit in der Ära Heusler/Heitz begonnen hat.» Im Vergleich zum Jahr 2019 hat der FCB 375 Abos weniger weggebracht. 2018 lag die Zahl noch bei 21'157.

Stocker: Wir schätzen es sehr, wenn die Zuschauer zahlreich ins Stadion kommen. Gerade wenn es schlechter läuft, brauchen wir den zwölften Mann im Rücken. Es ist einfach ein ganz anderes Spiel, wenn das Joggeli voll ist. Das kann die paar magischen Prozente bewirken.

Der FCB hat in dieser Saison oftmals unnötig Punkte liegen gelassen – und trat teilweise auch ersatzgeschwächt an, weil durch Sperren wichtige Spieler fehlten. Auch Sie mussten wegen einer Roten Karte nach einem Rencontre mit dem Schiedsrichter aussetzen. Wie sehr ärgert Sie das im Nachhinein?
Sehr. Man sitzt dann draussen und hat das Gefühl, man könnte jetzt eigentlich helfen. Aber das gehört halt auch ein wenig dazu im Fussball. Und es kann auch eine Chance sein für andere Spieler.

Hat der FC Basel ein Disziplin-Problem?
Da grundsätzlich eine Antwort zu geben, finde ich schwierig. Aber ich denke nicht, dass es ein disziplinarisches Problem ist. Es hat oftmals mit individuellen Enttäuschungen zu tun. Man ist dann vielleicht mit der eigenen Spielweise oder jener der Mannschaft nicht zufrieden. Und...

Bitte.
Irgendwie werden von einem ja auch Emotionen erwartet. Wenn dann mal so etwas passiert, wird gleich wieder mit dem Finger auf einen gezeigt. Aber in diesem Doppelmoral-Zirkus bewegen wir uns eben.

Wie wurden diese Vorfälle aufgearbeitet?
Sehr schnell. Es liegt an uns und an mir, dies künftig besser zu machen. Gewisse Linien dürfen nicht überschritten werden. Das habe ich nicht geschafft – und das tut mir leid. Aber es handelt sich hier auch nicht um etwas, das ich mir lange vorwerfen werde.

Wenn weitergespielt werden kann: Denken Sie, die Dreifach-Belastung mit Liga, Cup und Europa League könnte zum Problem im Meisterrennen werden?
Eine Ausrede darf das nie sein. Schliesslich ist genau das unser Anspruch. Ob es letztlich reicht für den Titel oder aufgrunddessen eben genau nicht, wird sich zeigen.

Der Vertrag von Trainer Marcel Koller verlängert sich nur beim Titelgewinn automatisch. Wie beurteilen Sie die seit Monaten andauernden Diskussionen um die Trainerfrage?
Ich lese keine Zeitungen, deshalb bekomme ich das ehrlich gesagt nicht wirklich mit. Es ist nicht an mir, hier eine Entscheidung zu treffen oder die Situation zu beurteilen. Aber ich denke, wenn wir Meister werden könnten und sich sein Vertrag damit automatisch verlängert, wäre das doch doppelt schön.

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