Ex-Hoppers-Präsident Berbig im Interview
«Ja, ich habe Angst vor einem GC-Abstieg»

Vierfacher Meister mit GC. Jetzt ist Ex-GC-Präsident Roger Berbig (62) Fan. Der Chirurg beantwortet einen Monat nach seiner Hirn-OP die Frage «Wie krank ist GC?»
Publiziert: 05.03.2017 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:47 Uhr
Interview: Max Kern

Einen Monat nach der Hirnblutung und der Not-Operation, wie geht es Ihnen?
Roger Berbig: Gesundheitlich gehts mir sehr gut, ich habe nochmals Glück gehabt. Ich werde nächste Woche beginnen, wieder langsam zu arbeiten.

Weshalb müssen Sie seit ihrer Jugend Blutverdünner schlucken?
Ich hatte als 18-Jähriger nach einem Unfall eine Thrombose. In meiner Karriere hatte ich zweimal eine Lungen-Embolie, letztmals eine vor 20 Jahren. Damals hat man sich entschieden, eine Dauer-Anti-Koagulation zu machen.

Ihr Handy soll Sturm gelaufen sein, als im BLICK die Story von Ihrer Notfall-Operation erschienen ist...
Ja, klar, ist ja normal. Es haben mich auch Leute angerufen, die das sonst gar nie erfahren hätten. Es war sehr bewegend, Leute, von denen ich nie gedacht hätte, alte Mannschaftskollegen, Andy Egli, Roger Wehrli. Sepp Blatter hat sogar angerufen.

Ex-GC-Präsident Roger Berbig will nächste Woche wieder im Operations-Saal stehen.
Foto: Valeriano Di Domenico
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Wann stehen Sie wieder im OP?
Nächste Woche. Ich habe keine Ausfälle mehr, gar nichts. Ich kann wieder ganz normal arbeiten, vielleicht am Anfang ein bisschen reduziert.

Wie krank ist Patient GC?
Nach den ersten beiden Spielen in diesem Jahr muss ich sagen: Todkrank. So, wie sie dort aufgetreten sind, habe ich rabenschwarz gesehen. Da hatte ich wirklich Angst, sie würden ein ganz heisser Abstiegskandidat. Dann kam Dabbur zurück, klar, das ist nur eine Person, aber gegen Sion und YB hat man dann wieder eine Mannschaft gesehen, die gelebt hat. Sicher hat auch dort noch nicht alles funktioniert.

Sie sind seit Junioren-Zeiten bei GC, haben Sie schon einmal vier Niederlagen in Serie erlebt?
Das ist sicher schon einmal vorgekommen. Aber als ich gespielt habe, ist mir das nie passiert.

Und einen Abstieg kennen Sie auch nur vom Hörensagen, dieses Unglück passierte GC nur einmal, 1949, fünf Jahre vor Ihrer Geburt...
1976 kamen wir als Sechster ganz knapp noch in die Finalrunde. Wir hatten am Schluss ein Spiel gegen Lausanne. Aber sonst, Abstieg? Nein. Sonst waren wir immer zwischen Platz 1 und 4. Den Stress vom Abstieg kenne ich nicht.

Was sind die Symptome bei GC?
Jetzt scheint wieder Leben in der Mannschaft zu sein. Nun braucht sie sicher auch einmal ein Erfolgserlebnis, ein bisschen Glück, sie wissen, wie das ist, wenn es nicht läuft, dann läuft alles schlecht. Mit einem Sieg, vielleicht auch mit Glück, könnte das Momentum kippen.

Sie hatten als GC-Präsident und Leiter der Sportclinic Zürich eine enorme Belastung. Können Sie sich vorstellen, dass einer wie Stephan Anliker gleichzeitig einen Fussball-Klub, einen Hockey-Verein und ein Architektur-Büro leiten kann?
Doch, ich denke, das ist möglich. Es kommt einfach drauf an, wie man die Position des Präsidenten definiert. Bei GC war es immer so, dass der Präsident relativ im Hintergrund gewesen ist, seine Leute an der Front arbeiten liess, aber an den entscheidenden Sitzung dabei gewesen ist.

Kann ein 29-Jähriger wie Manuel Huber gleichzeitig CEO und Sportchef von GC sein?
Nein, aber das hat nichts mit der Person von Manuel Huber zu tun. Ich glaube, er macht einen guten Job. Aber beides miteinander ist wahrscheinlich einfach zu viel. Gerade GC mit einer verunsicherten Mannschaft und einem jetzt verunsicherten Trainer braucht einen starken Sportchef, der hinter dem Trainer und der Mannschaft steht. Der den Trainer abschottet und ihn unterstützt. Alles miteinander geht meines Erachtens bei einem so grossen Klub einfach nicht.

Woran merken Sie, dass der Trainer verunsichert ist?
Ist doch normal, dass man in einer solchen Situation verunsichert ist. Ich kenne zwar keine Internas, ich sitze nur als Fan auf der Tribüne, mein Herz schlägt nach wie vor für GC. Und Tami hat, als er das entsprechende Spielermaterial gehabt hat, einen hervorragenden Fussball gespielt.

Da waren ja auch noch alle da, wie Dabbur, Ravet, Tarashaj...
Ja, klar. Aber die Mannschaft wurde von der Qualität dermassen ausgedünnt, dass es jedem Trainer extrem schwer fällt. Und dann ist es ja nur logisch, Tami ist zwar ein sehr intelligenter und selbstkritischer Mensch, aber da fängt man natürlich an, ein bisschen an sich selbst zu zweifeln und ist verunsichert.

Fehlt nicht auch im Verwaltungsrat die Fussball-Kompetenz? Der Präsident ist ein ehemaliger Kugelstösser, Stav Jacobi ist Volleyballer, Georges Perego, der Verantwortliche für den Sport, ist Geo-Physiker.
Es kommt drauf an, wie ein Verein aufgestellt ist. Wenn man einen Verwaltungsrat hat, der sich wirklich um die wirtschaftlichen Dinge kümmert, darunter ein gutes Team mit einem guten Sportchef, dann ist das eigentlich kein Problem, wenn relativ wenig Kompetenz im Verwaltungsrat vorhanden ist.

Bei Bayern sind ein Welt- und Europameister am Ruder, bei GC Georges Perego, der keine Vergangenheit im Fussball hat, aber der direkte Vorgesetzte von Sportchef Huber ist.
Georges Perego ist ja mittlerweile sicher über 20 Jahr im Business dabei, er weiss auch ungefähr, wie es läuft. Wahrscheinlich liegt es nicht am Verwaltungsrat zu entscheiden, ob der linke Verteidiger verpflichtet wird oder nicht. Sie müssen die finanziellen Grenzen abstecken. Wir hatten früher eine Technische Kommission mit Leuten mit Sachverstand drin, da muss der Sportchef, der Trainer und einer aus dem Verwaltungsrat dabei sein.

Gerade der linke Aussenverteidiger, Nemanja Antonov, ist eine gutes Beispiel für die verfehlte Transferpolitik, er ist eine «Geschenk» von Voléro-Präsident Jacobi...
Antonov ist ja U21-Weltmeister mit Serbien, wenn man dir so einen auf dem Tablett serviert, hätte ich ihn auch genommen.

Wie hätten Sie als Präsident den Fall Källström gelöst, der spätestens im Sommer den Klub verlassen wollte, jetzt aber bereits im Januar trotz Vertrag bis Juni 2018 einfach gehen konnte?
Dazu bräuchte ich wirklich interne Informationen, um dies zu beurteilen. Wenn ein Spieler plötzlich nicht mehr kann und will, dann muss man auch mal sagen, es macht keinen Sinn. Ich hätte, weil ich gesehen habe, wie wertvoll Källström für die Mannschaft ist, sicher alles daran gesetzt, dass er dieses halbe Jahr noch fertig gemacht hätte. Er hat zuletzt aber einen unmotivierten Eindruck gemacht. Källström war nicht mehr der gleiche wie am Anfang. Er ist für die Mannschaft fast ein wenig zum Handicap geworden. Und: Der beste Auftritt diese Saison war der in Lausanne, und da gewann GC ohne Källström.

Kann man mit einem gerissenen vorderen Kreuzband Fussball spielen?
Ich sage meinen Patienten: Fussball ohne Kreuzband ist Knie-Selbstmord. Irgendwann knallts und dann ist das Knie kaputt. Statistisch gesehen geht das bei einem von Hundert vielleicht ein paar Monate gut.

Im Fall von Marko Basic ist es trotzdem versucht worden...
Ich weiss es nicht.

Der Vize-Captain verletzte sich im November. GC versuchte es ohne Operation, erst Mitte Januar merkte man, dass es ohne Operation eben doch nicht geht.
Was man nie vergessen darf: Auch Basic ist ein ganz normaler Patient, vielleicht wollte er das so. Man kann niemanden zu einer Knie-Operation zwingen.

Haben Sie vor dem Auswärtsspiel in Luzern noch Angst vor einem GC-Abstieg?
Ja, wenn man jetzt keine Angst vor einem Abstieg hat, wann dann? Vaduz, St. Gallen, Lugano, Thun – das sind alles Abstiegskampf-erprobte Mannschaften. Wir haben eine junge Mannschaft ohne Erfahrung, die verunsichert ist. Gegen Vaduz kannst du immer verlieren. Wie es aussieht, wenn die Mannschaft in der Tabelle dann wirklich ganz unten ist, hat man letztes Jahr beim FC Zürich gesehen. Sie hatten eine super Truppe, am Schluss bekamen sie das Schlottern, brachten kein Bein mehr vor das andere. Ich habe nach wie vor hohen Respekt bis Angst.

Machts nicht weh auf der Tribüne?
Doch, ist ja klar, früher waren wir im Europacup, wurden Meister, Cupsieger. Gut, Basel hat einen Umsatz von 132 Millionen und 29 Millionen Gewinn, das ist ein Wahnsinn. Ich glaube, GC hat ein Budget von nur 20 Millionen, da fehlen aber immer gegen acht Millionen. Sobald ein Spieler gut ist und einen Pass über 20 Meter schlagen kann, ist er weg. Aber das habe ich bereits nach meiner Karriere erlebt, ich war ja danach im Vorstand, wir mussten immer jeden Fünfer umdrehen. Auch als ich Präsident war – man kann bei GC gar nicht richtig kreativ sein. Man rennt nur immer dem Geld nach. Stellen sie sich einmal vor, Leute wie Dabbur, Tarashaj, Zuber, Hajrovic, Vilotic, die wären noch alle da, GC wäre sicher unter den ersten drei.

Was erwarten Sie von Vilotic, dem zweiten Rückkehrer nach Dabbur?
Es machte mir weh, als er zu YB wechselte, ein feiner Typ, ein hervorragender Verteidiger. Es wird sich jetzt zeigen, ob er mit U21-Training und ohne Match-Erfahrung wieder das bringt, was man sich von ihm erhofft. Ich denke, er könnte wieder eine Verstärkung sein. Vor allem auch psychologisch.

Würden Sie als ehemaliger Torhüter jetzt einen Goalie-Wechsel vornehmen?
Vasic ist wirklich ein Riesen-Talent, er hat Sprungkraft, ist unter den Goalies einer der besten Fussballer in der Schweiz, hält hie und da Sensationelle, kassiert zwischendurch auch einmal ein Ei, aber ich weiss, wie das als Goalie ist. Wenn ich mich daran erinnere, was Bürki in seiner ersten Saison bei uns reingelassen hat, unvorstellbar, wie viele Punkte er uns gekostet hat. Ich sagte von Anfang an, Bürki ist ein Riesen-Talent, am Schluss der Saison dachte ich, der schafft’s ja doch nicht. Und plötzlich ist er gekommen. Ich hoffe, Vasic kann jetzt auch noch den «Gump» machen. Aber in einer so jungen und verunsicherten Mannschaft ist dies natürlich extrem schwierig.

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