Start zum Sommermärchenprozess in Bellinzona
Für deutsches Trio könnte es ungemütlich werden

Kaum jemand der sieben Beschuldigten oder Auskunftspersonen im Sommermärchen-Prozess, der am Mittwoch losgeht, will ins Tessin reisen. Geht Schwänzen so einfach nach dem Lust- und Laune-Prinzip?
Publiziert: 10.03.2020 um 13:15 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2020 um 14:16 Uhr
Alain Kunz

Vier Beschuldigte erwartete man am Montag vor Bundestrafgericht in Bellinzona, als der Prozess um dubiose Millionenzahlungen im Zuge der deutschen WM-Kandidatur 2006 gegen die ehemaligen DFB- und Fifa-Funktionäre hätte beginnen sollen. Es kam einzig Ex-Fifa-Generalssekretär Urs Linsi. Die drei Deutschen liessen sich entschuldigen. Dabei haben sie weder etwas zu befürchten, wenn sie sie erschienen wären, noch wenn sie schwänzen.

Denn den ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach wie auch Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt ist freies Geleit zugesichert worden. Sie können also von den Schweizer Behörden nicht in Gewahrsam genommen werden. Zwanziger wäre denn auch nur dann angereist, wenn ein Haftbefehl gegen ihn vorgelegen wäre.

Wegen der Nähe von Bellinzona zum Corona-Hotspot Lombardei (es sind 60 Kilometer nach Como) und ihren gesundheitlichen Problemen mögen sie auch dem Ansinnen von Bundesrichterin Sylvia Frei nicht folgen, dennoch ins Tessin zu reisen und sich im Kantonsspital Bellinzona untersuchen zu lassen. Das könnten die Beschuldigten nun bis Mittwoch nachholen. Doch dies gedenken zumindest die drei Deutschen nicht zu tun, weshalb der Prozess in deren Abwesenheit steigen wird. Doch wem geht es wie? Die Übersicht.

Der Sommermärchen-Prozess geht los – aber ohne die ehemaligen DFB-Funktionäre Theo Zwanziger (rechts) und Wolfgang Niersbach.
Foto: imago images/Martin Hoffmann
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  • Zwanziger (74): Er erholt sich von zwei Augenoperationen (Netzhautablösung links, Netzhautloch rechts, grauer Star an beiden Augen), die er eigens wegen des ursprünglich im Januar vorgesehenen Prozesses in den Februar verlegt hat. «Ich wollte hin. Aber nun kann ich weder Auto fahren noch reisen», sagt er. Er soll letzte Woche notfallmässig nochmals hospitalisiert worden sein.
  • Niersbach (69): Sein Arzt hat ihm ein Attest ausgestellt und von der Fahrt in die Schweiz abgeraten.
  • Schmidt (78): Ist laut dessen Anwalt herzkrank, weshalb ein mehrwöchiger Prozess nicht zumutbar sei.
  • Linsi (70): Ist gesund und soll heute erscheinen. War am Montag auch schon in Bellinzona.
  • Günter Netzer (75): Ist gesund und soll am Donnerstag als Zeuge aussagen.
  • Sepp Blatter (wurde am Dienstag 84): Ist kürzlich am Rücken operiert worden, doch es haben sich Komplikationen ergeben, weshalb er nun Probleme mit dem Ischiasnerv hat. Anfang April muss er nochmals unters Messer. Er ist nicht transportfähig, wird aber als Auskunftsperson per Videokonferenz zugeschaltet.
  • Franz Beckenbauer (74): Ist als Auskunftsperson vorgeladen, gesundheitlich geht es ihm aber dramatisch schlecht. Er kann einem Prozess nicht mehr folgen.

Ein Urteil wegen Betrugs würde in Deutschland nicht vollzogen werden, weil diese Straftatbestände dort verjährt sind. Dennoch könnte es für das Trio in deren Heimat ungemütlich werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat im vergangenen November die Anklage wegen Steuerhinterziehung in der Höhe von 13,7 Millionen Euro zugelassen, die erstinstanzlich vom Landgericht noch abgeschmettert worden war. Linsi muss sich wegen Beihilfe dazu verantworten.

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