«Mache mir es mit Chips vor dem TV gemütlich»
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FCSG-Äbtissin vor dem Cupfinal:«Mache mir es mit Chips vor dem TV gemütlich»

Mit göttlicher Beihilfe zum Cup-Sieg?
Diese Äbtissin betet vor dem TV für St. Gallen

Im Stammland des FCL sitzt ein eingefleischter FCSG-Fan vor dem TV und betet! Beim Cupfinal FCL vs. FCSG drückt Äbtissin Rut-Maria am Montag im Frauenkloster Sarnen OW im selbst gestrickten grün-weissen Schal vor allem St. Gallens Goalie Zigi die Daumen.
Publiziert: 24.05.2021 um 01:41 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2021 um 14:59 Uhr
Max Kern, Eynat Bollag (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Ein Blick hinter die dicken Mauern des Frauenklosters St. Andreas in Sarnen OW. Seit 1615 suchen Nonnen hier die Stille. Und die Nähe zu Gott. 19 Schwestern im Alter zwischen 47 und 95 Jahren leben zurzeit mit Äbtissin Rut-Maria Buschor (51) in der Abgeschiedenheit.

Im getäfelten Sprechzimmer hängt eine hölzerne Jesus-Statue am Kreuz. Ölgemälde zeigen Sanctus Benedictus und Sancta Scholastica. Mit 21 Jahren tritt Rut-Maria dem Kloster bei. Studiert Kirchenmusik in Luzern. Und Theologie in Einsiedeln und Fribourg.

Wie kommt es aber, dass ausgerechnet eine Äbtissin im Hinterland von Luzern dem morgigen Gegner St. Gallen die Daumen drückt?

Äbtissin Rut-Maria Buschor posiert mit ihrem selbst gestrickten FC-St.-Gallen-Schal und einem Trikot von Lukas Görtler.
Foto: Sven Thomann
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Seit Kindesbeinen Fan des FC St. Gallen

«Das ist ein positiver Virus, den man nicht mal mit einer Impfung wegbringt», sagt die Äbtissin in St. Galler Dialekt. Geboren wird die Ordensfrau (Anrede ist Frau Äbtissin oder Mutter Oberin) in St. Gallen. In Goldach SG am Bodensee wächst sie auf. Die KV-Lehre absolviert sie in Rorschach. «Gleich neben der Badi, dort habe ich in den Mittagspausen auch den St. Galler Schal gestrickt. Ich bin seit Kindesbeinen FC-St.-Gallen-Fan, das gehört in der Ostschweiz irgendwie dazu.»

Der Vater nimmt sie als Kind zu Spielen des damaligen FC Goldach (fusionierte 2017 mit dem FC Rorschach) mit. «Das war fast die einzige Gelegenheit, wo ich mit ihm Zeit verbringen konnte.»

Als Zweitklässlerin sieht Rut-Maria an der Seite ihrer Papas den FCSG erstmals bei einem Auswärtsspiel im Berner Wankdorf gegen YB. «Das war natürlich ein Highlight. Später gingen wir regelmässig ins Espenmoos-Stadion.»

Ihre Lichtblicke im alten St. Galler Stadion? «Als der Schiedsrichter einmal mit dem Heli ausgeflogen werden musste.» Das ist im April 1985, Rut-Maria ist 14-jährig, als Ref Walter Nussbaumer nach einer 1:2-Niederlage der St. Galler gegen Xamax wegen dem wütenden Ostschweizer Mob per Helikopter aus dem Stadion flüchten musste. «Oder das Europacupspiel gegen Inter Mailand. Das Spiel war um acht, wir waren seit fünf Uhr am Feiern. Damals mussten die Spieler nach Spielschluss noch bei uns Fans vorbei. Heute ist es schwierig, an Autogramme zu kommen.» Gegen Kalle Rummenigge & Co. erkämpfen sich die St. Galler vor Rut-Marias Augen ein 0:0. Im Rückspiel in Mailand gibts eine 1:5-Ohrfeige.

Der Deutsche Helmut Johanssen ist ihr St. Galler Trainer-Favorit, der 1998 verstorbene Deutsche coachte den FCSG von 1981 bis 1985.

Um 04.45 Uhr Tagwache

Zuletzt unterstützte die Nonne Mitte Februar 2020 kurz vor dem Lockdown ihre grün-weissen Lieblinge live vor Ort. In der Luzerner Swissporarena. Der Matchbesuch war ein Geschenk für ihre Wahl 2020 zur Äbtissin. «Andere schenkten ein frommes Buch.» Der Spender des FCL-Tickets? «Hans-Peter Lussi, er spielt bei uns jeweils den Samichlaus. Wir fuhren mit dem Zug hin, er in Weiss-Blau, ich in Grün-Weiss.»

Tagwache ist im Kloster für die ranghöchste Nonne jeweils um 04.45 Uhr! «Ich nehme zuerst einen Kaffee, füttere später die Katzen. Um halb sieben haben wir das erste Gebet. Allerspätestens um 10 Uhr abends gehe ich ins Bett.» Deshalb hat sie am Samstag vor einer Woche auch nicht live mitbekommen, dass ihre Lieblinge mit dem 5:0 gegen Lausanne den Liga-Erhalt noch geschafft haben. «Ich hatte am Sonntagmorgen deshalb richtig Herzklopfen. Als ich das Resultat erfuhr, habe ich einen Juchzer rausgelassen!»

Höchstens einmal im Jahr besucht Rut-Maria ihre betagte Mutter in St. Gallen. «Früher durften wir nur zu Beerdigungen nach Hause.»

Begeistert von Goalie Zigi

Als ehemalige Handball-Torfrau («wir hatten bei uns keinen Fussballklub für Mädchen») gefällt ihr Espen-Goalie Zigi am besten. Dass der Ghanaer ebenfalls sehr religiös ist, erfährt sie erst durch SonntagsBlick. Seine fast täglichen Botschaften an Gott auf Instagram hat sie noch nie gesehen, obwohl sie auf ihrem Handy auch weltliche Dinge wie Whatsapp benutzt.

Wo verfolgt die Äbtissin den morgigen Final? «In der Stube vor dem TV. Oder eventuell auch im Zimmer vor dem Laptop. Ich werde es mir mit Pommes-Chips gemütlich machen.»

«Und», sagt die Nonne noch, «als wir letztmals Meister wurden, bin ich mit diesem Schal durchs Kloster gerannt.» Das war vor 21 Jahren. Den handgestrickten Schal hat sie diese Woche wieder ausgegraben. Es ist angerichtet für eine St. Galler Party im Kloster.

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