Juve-Verteidiger Lichtsteiner
«Stürmer verdienen mehr, das ist kein Problem»

Stephan Lichtsteiner (31) war Lehrling bei der Credit Suisse. Der Juve-Star über Wahnsinns-Gehälter, warum Fussballer vergessen zu zahlen und wieso er Schwegler gerne in der Nati hätte.
Publiziert: 23.08.2015 um 13:19 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:27 Uhr
Von Andreas Böni

Stephan Lichtsteiner, Xherdan Shaqiri verdient bei Stoke neu 9,5 Millionen Franken pro Jahr. Wären Sie auch lieber Stürmer statt Verteidiger?
Stephan Lichtsteiner: Nein, überhaupt nicht. Ich hatte immer attraktive Verträge und habe mich nie mit anderen verglichen. Dass für Offensiv-Spieler mehr bezahlt wird, ist normal. Die Fans wollen Entscheidendes sehen. Wenn ein Verteidiger ein Tor verhindert, ist das nicht so attraktiv, wie wenn einer ein Tor macht. Schlussendlich hat der Stürmer eine Fähigkeit, die wir Verteidiger nicht haben. Ich habe darum kein Problem, wenn der Stürmer in meiner Mannschaft um einiges mehr verdient als ich, wenn er mich dafür zum Sieg schiesst.

Die englischen Klubs bekommen im Schnitt bald je 170 Millionen Franken an TV-Geldern pro Jahr. Mehr als die Klubs anderer Länder. Wie ordnen Sie das ein?
Ich habe gelesen, dass unter den 30 reichsten Klubs inzwischen 14 englische Vereine sind. Fast die Hälfte, das ist schon verrückt. Klar, dass sie so teure Spieler locken können.

Der eine oder andere verliert die Beziehung zum Geld. Im Eishockey gibt es Beispiele, bei denen die Spieler nach dem Essen ihre Kreditkarten in einen Hut legen und dann eine gezogen wird. Der Besitzer der gezogenen Karte muss zahlen.
So etwas habe ich persönlich noch nicht erlebt. Eine Fussballer-Angewohnheit ist es aber sicher, dass man abends zusammen essen geht, einer mit seiner Kreditkarte die Rechnung bezahlt und am nächsten Tag alle vergessen, ihren Anteil noch zu zahlen ... 

Lichtsteiner startet heute mit Juve in die Serie A. Das Ziel: Der 5. Titel in Serie.
Foto: Toto Marti
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George Best sagte einst: «Ich habe viel Geld für schnelle Autos, Frauen und Alkohol ausgegeben. Den Rest habe ich verprasst.»
Solche Geschichten gab es immer im Sport und es wird sie immer geben. Ich persönlich verbringe die Zeit lieber mit meinen zwei Kindern und meiner Frau. Ich glaube, am Ende ist es eine Charakterfrage, wie man sein Leben lebt und wofür man sein Geld ausgibt – damals wie heute.

Sind Fussballer überbezahlt?
Fussball ist ein Sport, der unglaublich viele Menschen begeistert. Das beginnt schon in der Schule, wo sich vier von fünf Jungs für Fussball interessieren, selbst spielen oder Fans einer Mannschaft sind. Real Madrid hat geschätzte 450 Millionen Anhänger – eine enorme Zahl. Mit unserem Sport lässt sich viel Geld verdienen, sei es im Bereich Werbeartikel und Trikots, im Sponsoring oder mit den Transfers.

Aber sind die Löhne der Spieler nicht überrissen?
Das ist immer eine Frage der Perspektive. Wenn ich zurückblicke auf meine Jugendjahre und die Anfänge meiner Karriere, dann waren da viele Entbehrungen – auch finanziell. Seit fast 20 Jahren ordne ich dem Fussball alles unter, um dort zu stehen, wo ich heute bin. Ich sehe meinen Lohn deshalb immer auch als Lohn für alles, was dieser Weg mir und meinem Umfeld abverlangt hat und noch immer abverlangt.

Es scheint manchmal ein Wettrennen bei Fussballern, wer das teurere Auto fährt.
Ja, ein schönes Auto ist für uns Männer fast schon ein Muss (lacht). Nein, im Ernst: Bei diesen Summen kann man schon mal die Bodenhaftung verlieren. Ich kann nur für mich sprechen. Ich glaube, dass es sich lohnt, etwas weiter zu denken und vorzusorgen, zum Beispiel indem man Immobilien kauft und sich so ein zweites Standbein aufbaut. In unserem Sport kann es schnell gehen, beispielsweise bei einer langwierigen Verletzung. Gerade die jungen Spieler sind sich dessen oft nicht bewusst.

Wie viel haben Sie zu Beginn Ihrer Karriere verdient? 
Bei Luzern als Junior so 300 bis 400 Franken im Monat. Später bei GC den Lehrlings-Lohn von der Credit Suisse und etwas vom Klub, so etwa um die 2000 Franken. Dann als Profi gings schnell in ganz andere Sphären. Mein Geld stecke ich vor allem in Immobilien und nach meiner Banklehre bei der Credit Suisse natürlich auch in Aktien.

Haben Sie auch schon Geld verloren?
Jeder hat mal eine Anlage gemacht, die man später bereut. Davor ist niemand gefeit – auch ich nicht. Was bei uns Schweizer Spielern im Euro-Raum aber hinzukommt, ist der Wechselkurs. Das ist schon extrem: Als ich bei Lille und Lazio spielte, war der Euro noch fast 1.70 Franken wert. Bei unserem Lohn, der in Euro ausbezahlt wird, macht das dann schon etwas aus, wenn der Wechselkurs plötzlich bei 1,07 Franken steht.

Zuletzt lasen Sie ein Buch von Warren Buffett, dem Star-Investor, der 72 Milliarden Dollar auf dem Konto hat. Was haben Sie von ihm gelernt?
Dass man Geduld haben muss und seiner Strategie treu bleiben – auch wenn es mal nicht so läuft wie geplant.

Sie starten am Sonntag mit Juventus in die Serie A. Alles andere als der fünfte Meister-Titel in Serie wäre eine herbe Enttäuschung. 
Gewinnen wird und darf nie zur Gewohnheit werden – Erfolg ist immer harte Arbeit. Diese Saison wird um einiges schwieriger als die letzte. AS Roma und AC Milan haben sich verstärkt, Inter hat auch aufgerüstet. Wir haben zwar gute Spieler eingekauft, aber mit Carlos Tevez, Andrea Pirlo und Arturo Vidal auch drei Weltklasse-Spieler verloren.

Vidal ging zu Bayern. Hätten Sie das an seiner Stelle auch gemacht?
Ich kann ihn verstehen, weil es für mich drei Klubs gibt, die über allen anderen stehen: Barcelona, Real Madrid und Bayern München. In fünf Jahren steht jede dieser Mannschaften zwei Mal im Champions-League-Final. Wir sind noch nicht auf dem Niveau dieser drei Mannschaften – auch wenn wir im Champions-League-Final waren.

Warum ist Shaqiri bei Inter Mailand gescheitert?
Der Trainer wollte ihn unbedingt und die ersten paar Wochen lief es gut. Ich weiss nicht, was dann vorgefallen ist. Ich wünsche ihm alles Gute bei Stoke und hoffe, dass er in der Premier League seine Qualitäten abrufen kann.

Im September warten Slowenien und England auf die Nati. Mit einem 2:0 im ersten Spiel ist fast alles klar. 
Ja, wir haben eine Riesen-Chance. So bräuchten wir aus den Spielen gegen England, San Marino und Estland noch drei Punkte. Dann wäre der Sack zu.

Einige Nati-Kollegen sitzen bei ihren Klubs auf der Ersatzbank. Pirmin Schwegler ist jetzt Captain bei Hoffenheim. Sollte Vladimir Petkovic ihn zum Comeback überreden?
Ich weiss nicht, ob Pirmin noch offen wäre. Er ist seit vielen Jahren top. Wäre ich Trainer, wäre er dabei, ganz klar. Aber jeder Trainer hat seine Sicht der Dinge – und dies respektiere ich. Dennoch habe ich keine Erklärung, warum Schwegler weder unter Hitzfeld noch unter Petkovic eine richtige Chance bekommen hat.

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