Djimsiti schreibt mit Atalanta ein Champions-League-Märchen
«Das ist kein Wunder – für uns ist alles möglich!»

Beim FCZ wurde Berat Djimsiti einst aussortiert, jetzt schreibt er mit Atalanta ein Fussball-Märchen. BLICK besucht den Zürcher vor dem Champions-League-Achtelfinale gegen Valencia in Bergamo.
Publiziert: 19.02.2020 um 13:16 Uhr
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Aktualisiert: 19.02.2020 um 13:39 Uhr
Berat Djimsiti rockt mit Atalanta die Champions League.
Foto: TOTO MARTI
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Michael Wegmann (Text) und Toto Marti (Fotos) aus Bergamo

Am 11. Dezember siegt Atalanta Bergamo mit 3:0 bei Donezk und qualifiziert sich bei der ersten Teilnahme gleich für die Achtelfinals der Champions League. Dabei hat man nach drei Partien mit null Punkten und einem Torverhältnis von 2:11 noch abgeschlagen auf Platz vier gelegen.

Als die Helden um drei Uhr morgens in Bergamo landen, werden sie in der Empfangshalle von rund 2000 euphorisierten Fans empfangen. Es folgt eine rauschende Freinacht – mitten in der Woche.

Auch die Gazetten feiern ihren Underdog. «Wo die Mil­lionen nicht genügen, siegen die Ideen» schreibt der «Cor­riere dello Sport». Eine andere Schlagzeile heisst: «Die Nacht der Wunder». Ber­gamos Bür­ger­meister Giorgio Gori schreibt auf Face­book: «Man denkt, Mär­chen gehören nicht zur realen Welt, aber der Fuss­ball gibt uns manchmal welche. Es ist his­to­risch!»

«Ich habe noch nie so hart trainiert»

Ein Wunder? Ein Märchen? «Vielleicht für alle Aussenstehenden», sagt Djimsiti und lacht, «für uns Spieler nicht. Ich habe noch nie so hart trainiert wie hier. Es gibt Trainings, da renne ich mehr als acht Kilometer.»

Djimsiti überquert eine Strasse, im Hintergrund die Città Alta – die höhergelegene, mittelalterliche Altstadt und Touristenmagnet Bergamos. Passanten klopfen dem 26-Jährigen auf die Schulter, Autofahrer lassen die Scheiben herunter und gratulieren. Die Begeisterung über das 2:1 gegen die AS Roma am Samstagabend hält auch tags darauf noch an.

Djimsiti, unser Nati-Spieler Remo Freuler & Co. haben die Römer im heimischen Gewiss-Stadium dominiert, teilweise gar vorgeführt und Platz vier in der Liga gesichert. «Denen ist am Ende der Schnauf ausgegangen», sagt Djimsiti. Doch es ist nicht nur Atalantas Wucht und Dynamik, welche die Römer überfordert, es ist auch ihr Spielsystem. Denn Trainer Gian Piero Gasperini (62) ist nicht nur ein Schleifer, sondern auch ein Taktikfuchs. In Bergamo nennen sie ihren Mister gerne auch Magier. Mit seinem 3-4-2-1 jagen die Schwarz-Blauen den Gegner schon in dessen eigener Platzhälfte. So hat man diese Saison Milan schon 5:0 abgefertigt, den FC Torino gar 7:0. Atalanta steht für Spektakel – kein anderer Serie-A-Verein schoss bisher annähernd so viele Tore (63 in 24 Partien). «So ein krasses Pressing wie wir spielt in der Serie A sonst niemand», sagt Djimsiti.

Vor vier Jahren stand Djimsiti ohne Vertrag da

Er schaut auf die Uhr, er muss schon bald los. Capitano und Zauberzwerg Papú Goméz (165 Zentimeter gross) hat um 13 Uhr seine Mitspieler zu seinem 32. Geburtstag in ein Restaurant eingeladen. Ganz so eilt es aber doch nicht. Djimsiti: «Komme ich um eins, ist höchstens Remo da. Wir beiden Schweizer sind die einzigen, die bei solchen Anlässen jeweils pünktlich sind...» Die Goméz-Party geht dann auch 90 Minuten länger als vorgesehen. Als Djimsiti in der Città Alta aufkreuzt, dunkelt es bereits ein. Schmale Gassen, kleine Boutiquen und Feinkostläden, jahrhundertalte Kaffees, Trattorias und Weinbars. Die Stimmung ist märchenhaft. «Es ist traumhaft hier», sagt der albanisch-schweizerische Doppelbürger.

Als Djimsiti im Januar vor vier Jahren hier aufkreuzt, deutet kaum etwas darauf hin, dass es so steil nach oben gehen würde. Weder für den Klub noch für den Innenverteidiger. Atalanta ist damals ein sogenannter Liftklub, pendelt jahrelang zwischen Serie A und Serie B. Und Djimsiti ist bei der Vertragsunterschrift ohne Klub. Beim FCZ – wo er seit Bub gekickt hat – wurde sein Vertrag aufgelöst, nachdem er von Trainer Sami Hyypiä aus dem Kader gestrichen wurde. «Klar war ich damals enttäuscht, dass man mich nicht mehr wollte», sagt Djimsiti, «aber der Trainer hatte das Gefühl, ich würde nicht mehr alles für den Verein geben.» Über seinen «unschönen» Abgang bei seinem Stammklub will er nicht mehr gross reden. Er sagt: «Ich hatte damals schon ein paar schwächere Spiele. Vielleicht war es aber auch einfach an der Zeit für etwas Neues.»

Wer nun glaubt, Djimsiti und Atalanta sei Liebe auf den ersten Blick, irrt. Als Trainer Gasperini im Sommer 2016 bei Atalanta anheuert, leiht er den Zürcher gleich für ein Jahr zu Avellino in die Serie B aus. Die folgende Saison verteidigt Djimsiti dann als Leihspieler für Benevento.

Er war fast schon wieder weg

Im Sommer 2018 scheint für ihn das Abenteuer Bergamo definitiv beendet. «Man hat mir mitgeteilt, dass ich den Klub verlassen dürfe. Ich habe mich dann alleine in Zürich fitgehalten, während mein Berater mit italienischen Klubs verhandelt hat. Sogar Russland war eine Option», sagt Djimsiti. Doch weil sich in der Vorbereitung ein Atalanta-Verteidiger verletzt, kommt alles anders: Der albanische Internationale wird in die Lombardei zurückbeordert. Seither ist er Stammspieler, und sein Marktwert hat sich verzehnfacht – auf 11 Millionen Franken.

Heute empfängt er mit Atalanta im Hinspiel der Champions-League-Achtelfinals Valencia. Gespielt wird im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand, da das Gewiss-Stadium nicht den Uefa-Richtlinien entspricht. «Valencia ist sicher eine starke Mannschaft, aber das Los hätte uns auch schlechter treffen können», sagt Djimsiti und denkt dabei wohl an Liverpool, Barcelona, Bayern München oder Real Madrid. Vielleicht trifft der Underdog ja im Viertelfinal auf eines dieser Spitzenteams. Djimsiti: «Warum auch nicht? Wir müssen uns vor Valencia nicht verstecken. Wir haben einen Lauf, für uns ist alles möglich...»

Sollte es nichts werden mit der Viertelfinal-Qualifikation, die Fussballer dürften sich dennoch im Städtchen zeigen. «Die Menschen hier sind nicht so erfolgsverwöhnt wie anderswo, sie sind mit dem Erreichten bereits zufrieden.» Im Gegensatz zu Magier Gasperini, Zauberfloh Papú Goméz und den beiden Schweizern. «Wir wollen immer mehr, das ist doch normal», sagt Djimsiti und lacht.

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