«Als Spieler fand ich das sehr komisch»
Ex-England-Söldner über die Faszination «Boxing Day»

Auch mit Sport hat der Boxing Day etwas zu tun. Allerdings nicht im Boxring. Sondern: Fussball- und Rugby-Stadien öffnen am Boxing Day ihre Pforten. Ehemalige Nati-Cracks erinnern sich.
Publiziert: 26.12.2021 um 00:59 Uhr
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Aktualisiert: 26.12.2021 um 11:27 Uhr

Stéphane Henchoz: «Erst bizarr, dann Tradition»

«Der Boxing Day ist ein unglaublicher spezieller Tag für die Menschen in England, wie wir ihn weder in der Schweiz noch sonstwo in Europa kennen. Überall wird Fussball gespielt, bis runter zu den Amateuren. Klar, in England ist man das ganze Jahr über fussballverrückt, aber an diesem Tag ist man es noch etwas mehr. Die Menschen, welche das Geld nicht haben für die obersten zwei Ligen, gehen zu ihrem Lokalklub. Hauptsache Fussball.

Als Spieler ist es für dich nicht einfach, weil du im Gegensatz zu allen anderen Profis in Europa keine Ferien hast und am Nachmittag des 25. Dezember rumreisen musst. Dir fehlt die Familie dann vielleicht, es ist ein bisschen bizarr und hart am Anfang. Aber daran gewöhnst Du Dich und es wird auch für Dich Tradition. Und am Ende muss man sagen: Irgendwie verlängert das Ganze noch Weihnachten und es ist ein Fest-Tag für den Fussball in allen Ländern. Am meisten erinnere ich mich, wie wir an einem Boxing Day mit Liverpool 3:0 gegen Blackburn gewannen – das war ein schönes Geschenk gegen den Ex-Klub.»

Stéphane Henchoz (47) spielte zwischen 1997 und 1999 für Blackburn, dann bis 2005 für Liverpool (205 Spiele!). Danach war er noch bis 2008 bei Wigan und wieder Blackburn unter Vertrag. Für die Nati lief er 72 Mal auf.

Pascal Zuberbühler spielte bei West Bromwich. Hier beim Spazieren durch den Birminghamer Stadteil Bromwich Albion.
Foto: Blicksport
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Ramon Vega: «Als Spieler fand ich das sehr komisch»

«Der Boxing Day steht für alte Schule, für englische Tradition. Man geht als Familie ans Fussballspiel, an einen Rugby-Match oder ein Pferderennen. Gerade auf dem Land ist dieser Tag sehr beliebt. Als Spieler, der aus Italien nach England kam, fand ich das sehr komisch am Anfang. Eigentlich hattest du ja Ferien als Fussballer in jenen Tagen, plötzlich sitzt du am 25. Dezember mit den Mannschaftskollegen im Hotel und isst Truthahn ... Die Stadien am nächsten Tag sind dann voll, alle gehen vorher und nachher ins Pub, mit ihren Liebsten – die Tradition musst du dann fast mitmachen – sie ist aber auch faszinierend. Einzelne Familien können fast nicht warten, dass Weihnachten vorbei ist und der Boxing Day kommt.»

Ramon Vega (50) war ab 1997 bei den Tottenham Hotspurs in Nord-London unter Vertrag, spielte 2000 bis 2001 bei Celtic Glasgow und danach bei Watford. Für die Nati machte der Verteidiger 23 Spiele, unter anderem an der EM 1996.

Pascal Zuberbühler: «Die Boxing Days? Traumhaft. Überragend.»

«Ich habe die Boxing Days gleich ein paarmal erleben dürfen. Einmal als Goalie von West Bromwich, dreimal mit Fulham und dann zweimal im Staff von Derby County erlebt. Diese Tage sind der Hammer: Einen Abend Weihnachten mit der Familie, dann schon wieder Training, Spiele. Alles geht Schlag auf Schlag – das war ganz nach meinem Sinn. Alle Stadien sind geschmückt, überall gibts Lichter, Weihnachtsbäume, «Samichläuse» und Geschenke und du spielst Fussball.

Die Boxing Days sind traumhaft, speziell, überragend. Es ist auch die Zeit, in welcher du die Familien deiner Mitspieler kennenlernst – alle sind zu dieser Zeit eingelogen. Ich würde jedem Fussballfan empfehlen, mal für die Boxing Days nach England zu reisen. Egal welche Partien man sich anschaut, alle sind speziell. Und dass überall sonst der Ball ruht, macht diese Tage in England für jeden Fussballer und Fan gleich noch viel spezieller.»

Pascal Zuberbühler (50) spielte von 2006 bis 2007 bei West Bromwich und von 2008 bis 2011 bei Fulham. Zwischen 2015 und 2017 war er Goalie-Trainer bei Derby County. Heute ist Zubi bei der Fifa verantwortlich für die Goalie-Ausbildung und Fussball-Experte auf Blue.

Reto Ziegler: «Als ich nach London kam, konnte ich weder Autofahren noch kochen.»

«Entschuldigt bitte, aber ich kann mich nicht mehr im Detail an mein einziges Boxing-Day-Spiel erinnern. Ich war damals 18 Jahre alt, als ich von GC zu Tottenham ging, mittlerweile bin ich 35. Und ich habe so viele Spiele gehabt in der Zwischenzeit. Darum habe ich meinen Vater gefragt, ob er sich erinnern könne, weil der ist in solchen Dingen top. Und er meinte, dass ich am 26. Dezember 2004 gegen Norwich eingewechselt wurde, für Timothée Atouba, den ehemaligen FCB-Verteidiger. Und dass die Stimmung im Stadion überragend gewesen sei, dass es Leute mit Samichlausmützen gab und dass die Stimmung schon vor Anpfiff fantastisch war.

Wir spielten damals noch an der altehrwürdigen White Hart Lane, wo mitten in der Tribüne noch Pfosten standen und den Zuschauern die Sicht nahmen. Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr war sehr intensiv, an Heiligabend bekamen wir jeweils frei, um mit der Familie zu feiern, am Weihnachtstag war dann Training angesagt. Beklagt habe ich mich darüber aber nie, schliesslich haben wir den besten Job der Welt. Und meine Familie war sowieso die ganze Zeit in meiner Nähe.

Als ich nach London kam, konnte ich weder Autofahren noch kochen, deswegen war ich froh, dass mich meine Mutter begleitet hat. Und auch mein Vater, der damals noch gearbeitet hat, hat mich regelmässig besucht. Zum Glück, denn so bleibt die Erinnerung an den Boxing Day auch bei mir präsent.»

Reto Ziegler (35), U-17-Europameister von 2002, spielte in England für Tottenham und Wigan Athletic. Im Spätherbst seiner Karriere wechselt Ziegler nach Vertragsende beim FC Dallas zum FC Lugano. Weitere Stationen im Ausland waren Sampdoria, Fenerbahce und Juventus Turin.

Bruno Berner: «Mit Gelson Fernandes tauschte ich nach dem Spiel das Trikot»

«Mein erstes Boxing-Day-Spiel spielte ich mit Blackburn Rovers auswärts gegen Manchester City im City of Manchester Stadium. Es war ein absolutes Highlight, in dieser Phase der Saison Fussball spielen zu dürfen. Wir verdienten uns einen grossartigen Punkt (2:2). Ein weiterer Schweizer Nationalspieler, Gelson Fernandes, spielte für Manchester City und wir tauschten nach der Partie unsere Trikots. Ein Jahr später, am 26. Dezember 2008, spielte ich mit Leicester City auswärts gegen Leeds (1:1) vor 38’000 Zuschauer, dies wohlgemerkt in der League One, der dritthöchsten Liga.

Diese Erfahrung war phänomenal. Auf die Boxing Days wurde regelrecht hingefiebert. Die Stimmung ist da einfach nochmals eine andere: Lebhafter und «feierlicher». Das musst du erlebt haben. Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist für die Fussballer sehr intensiv. Du hast kurz vor Weihnachten ein Spiel, dann am Boxing Day, zwei Tage später sowie vor und nach Neujahr. Ich bin aber ein Wettkampf-Typ und habe das geliebt.»

Bruno Berner (44) spielte von 2007 bis 2008 bei Blackburn Rovers und danach bis 2012 bei Leicester City. Diesen Sommer beendete Berner sein Traineramt beim Challenge-League-Klub Kriens und ist seither Trainer der Schweizer U19-Auswahl.

Warum feiern die Engländer den «Boxing Day»?

In der Schweiz feiern wir den 26. Dezember als Stephanstag. In vielen englischsprachigen Ländern heisst der zweite Weihnachtsfeiertag jedoch «Boxing Day». Die Herkunft des Namens leitet sich nicht etwa von Faustkämpfen ab, sondern vom englischen Wort «Box» (Schachtel). Früher war es in England üblich, dass Bedienstete und Arme nach dem ersten Weihnachtstag mit Essenspaketen beschenkt wurden, sogenannten «Boxes». Diese waren gefüllt mit Wurst und Brot. Heute ist der Boxing Day vor allem für die Wirtschaft von Bedeutung, er wird oft mit dem Black Friday verglichen. Die Geschäfte haben geöffnet, der 26. Dezember gehört zum umsatzstärksten Tag auf der Insel.

Keine Winterpause in England

Auch für den Sport ist dieser besondere Tag wichtig. Die Fussball- und Rugbystadien öffnen seit 55 Jahren am Boxing Day ihre Türen (in der Premier League und der Championship hält man nicht viel von Winterpausen). Mit Ansetzung eines zusätzlichen Spieltages über die Festtage haben so auch Familien und Arbeiter die Möglichkeit, ins Stadion zu gehen. Diese Tradition hat bis heute bestand. Die Arenen sind voll, zudem verfolgen Millionen von Fans die Spiele in den Pubs bei Fish and Chips oder zuhause vor dem TV.

Boxing Day in Gefahr?

Momentan wird das ganze Land von der neuen Corona-Variante Omikron heimgesucht. Die Premier-League-Klubs haben sich – trotz der angespannten Corona-Situation – dazu entschieden, am Boxing-Day-Spieltag festzuhalten. Mit Liverpool gegen Leeds und Wolverhampton gegen Watford mussten jedoch bereits zwei Spiele wegen Corona abgesagt werden.

So wird gespielt am Boxing Day

Premier League, 19. Runde
Sonntag, 26. Dezember

16.00 Manchester City – Leicester

16.00 Norwich – Arsenal

16.00 Tottenham – Crystal Palace

16.00 West Ham – Southampton

18.30 Aston Villa – Chelsea

21.00 Brighton – Brentford

In der Schweiz feiern wir den 26. Dezember als Stephanstag. In vielen englischsprachigen Ländern heisst der zweite Weihnachtsfeiertag jedoch «Boxing Day». Die Herkunft des Namens leitet sich nicht etwa von Faustkämpfen ab, sondern vom englischen Wort «Box» (Schachtel). Früher war es in England üblich, dass Bedienstete und Arme nach dem ersten Weihnachtstag mit Essenspaketen beschenkt wurden, sogenannten «Boxes». Diese waren gefüllt mit Wurst und Brot. Heute ist der Boxing Day vor allem für die Wirtschaft von Bedeutung, er wird oft mit dem Black Friday verglichen. Die Geschäfte haben geöffnet, der 26. Dezember gehört zum umsatzstärksten Tag auf der Insel.

Keine Winterpause in England

Auch für den Sport ist dieser besondere Tag wichtig. Die Fussball- und Rugbystadien öffnen seit 55 Jahren am Boxing Day ihre Türen (in der Premier League und der Championship hält man nicht viel von Winterpausen). Mit Ansetzung eines zusätzlichen Spieltages über die Festtage haben so auch Familien und Arbeiter die Möglichkeit, ins Stadion zu gehen. Diese Tradition hat bis heute bestand. Die Arenen sind voll, zudem verfolgen Millionen von Fans die Spiele in den Pubs bei Fish and Chips oder zuhause vor dem TV.

Boxing Day in Gefahr?

Momentan wird das ganze Land von der neuen Corona-Variante Omikron heimgesucht. Die Premier-League-Klubs haben sich – trotz der angespannten Corona-Situation – dazu entschieden, am Boxing-Day-Spieltag festzuhalten. Mit Liverpool gegen Leeds und Wolverhampton gegen Watford mussten jedoch bereits zwei Spiele wegen Corona abgesagt werden.

So wird gespielt am Boxing Day

Premier League, 19. Runde
Sonntag, 26. Dezember

16.00 Manchester City – Leicester

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16.00 Tottenham – Crystal Palace

16.00 West Ham – Southampton

18.30 Aston Villa – Chelsea

21.00 Brighton – Brentford

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Premier League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Manchester City
Manchester City
4
8
12
2
Arsenal FC
Arsenal FC
4
5
10
3
Newcastle United
Newcastle United
4
3
10
4
Liverpool FC
Liverpool FC
4
6
9
5
Aston Villa
Aston Villa
4
1
9
6
Brighton & Hove Albion
Brighton & Hove Albion
4
4
8
7
Nottingham Forest
Nottingham Forest
4
2
8
8
Chelsea FC
Chelsea FC
4
3
7
9
Brentford FC
Brentford FC
4
0
6
10
Manchester United
Manchester United
4
0
6
11
AFC Bournemouth
AFC Bournemouth
4
0
5
12
FC Fulham
FC Fulham
4
0
5
13
Tottenham Hotspur
Tottenham Hotspur
4
2
4
14
West Ham United
West Ham United
4
-1
4
15
Leicester City
Leicester City
4
-2
2
16
Crystal Palace
Crystal Palace
4
-3
2
17
Ipswich Town
Ipswich Town
4
-5
2
18
Wolverhampton Wanderers
Wolverhampton Wanderers
4
-7
1
19
Southampton FC
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4
-7
0
20
Everton FC
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4
-9
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