Günter Netzer gratuliert dem Kaiser zum 70.
Happy Birthday, Franz!

Netzer (70) über Beckenbauer: «Er schimpfte mich einst Betrüger!» Hier erzählt er die besten Geschichten. Und wieso ihm Franz mit Klage droht.
Publiziert: 11.09.2015 um 09:09 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:32 Uhr
Netzer über Beckenbauer: «Schlau, wie er war, hat er selbst die Position des Liberos erfunden, weil er da am wenigsten tun und laufen musste.»
Foto: imago
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Aufgezeichnet von Andreas Böni

«Ich kenne Franz gut genug, um zu wissen, dass diese Zahl 70 für ihn wie für mich kein Schrecken ist. Er nimmt sie zur Kenntnis, ist demütig und dankbar. Wir beide können noch heute nicht fassen, was wir für ein Glück hatten, was für uns im Leben möglich war. Wie viele Sachen wir miteinander erleben durften, auch wenn alle erzählungswerten Episoden immer zu meinen Lasten gingen.

Da war zum Beispiel mein Jaguar E-Cabrio. 265 PS, 240 Kilometer pro Stunde schnell. Dieses schöne englische Auto kaufte er mir vor 40 Jahren ab. Ich habe mich gewundert, dass er das Ding haben wollte, denn eigentlich war er nicht sportlich genug für ein solches Auto.

Er hatte als BMW- oder Mercedes-Fahrer keine Ahnung von schönen Sportwagen, ob Ferrari oder Jaguar.

Ich warnte ihn, dass da die Bremsen mal nicht so gut funktionieren, dass es bei Regen auch mal ein bisschen reintropft. Aber er hat keine Ruhe gegeben und mich kurz darauf entnervt angerufen.

«Betrüger!», rief er ins Telefon, «das ist eine Schrottkiste, da regnets ja rein!» Zum Glück fand er gleich Wolfgang Overath, der ihm das Ding nach zwei Tagen wieder abkaufte.

1980 war ich dann Manager des Hamburger SV, er spielte bei New York Cosmos. Und ich holte ihn vom glitzernden New York ins windige Hamburg. Er sagte mal scherzhaft, er habe in Amerika ein prima Leben gehabt, «bis Günter Netzer kam und alles zerstörte».

Nun, wir haben ihn nicht verpflichtet, damit er ein schönes Leben hat. Schlau, wie er war, hat er selbst die Position des Liberos erfunden, weil er da am wenigsten tun und laufen musste. Schön, die anderen für sich arbeiten und laufen lassen, während er mit seiner überragenden Technik glänzen konnte.

Diese sah ich dann auch in den ersten Trainings in Hamburg. Er war 35 Jahre alt damals, und er machte den Eindruck, als stehe da der junge Franz Beckenbauer auf dem Feld.

Nur war er wegen der Kunstrasen-Plätze in New York dann sehr verletzungsanfällig und fiel immer wieder aus. Das war furchtbar.

Der Höhepunkt war ein Freundschafts-Turnier in Brüssel. Franz lief an, schoss, zog sich einen Adduktoren-Abriss zu. Der Ball rollte vor sich hin. Ich sage immer noch: Es gibt keinen einzigen Spieler weltweit, der sich bei einem Elfmeterschuss, der nicht bis zur Torlinie kam, so schwer verletzt hat.

Ich habe diese Episode zuletzt an einer öffentlichen Veranstaltung mal wieder zum Besten gegeben. Nun hat mir Franz angedroht, dass er mich verklagen werde, wenn ich das nochmals behaupte. Der Ball sei im Tor gelandet.

Das stimmt natürlich überhaupt nicht.

Nun, 2006 hat er dann die WM nach Deutschland geholt. Und im Vorfeld die 31 Teilnehmer-Länder in 177 Tagen besucht. Ich habe immer gehört: «Wir waren in Rio de Janeiro, Shanghai, Tokio, New York und haben das und das erlebt...» Ich sagte, dass ich verflucht noch mal auch mal mitwolle. Franz hat mich dann wirklich eingeladen. Und wohin nahm er mich mit, mich, der seit 25 Jahren in Zürich wohnt? Nach Bern...
Und das fanden sie noch ganz toll: Sie haben mir sogar die Parkgebühren bezahlt. Aber eben, wenn es zu meinen Lasten ging, habe ich bei Franz nie ein besonders schlechtes Gewissen festgestellt...

Ja, der Franz, er ist menschlich überragend, mit einem gesunden Mass an Eitelkeit. Wie wir alle, es wäre gelogen, wenn wir das nicht zugeben würden. Er geniesst seine Familie und sein Leben, das er sich erschaffen hat.

Seinen Geburtstag wird er nicht feiern. Es waren gigantische Veranstaltungen geplant, sie wurden aber schon vor längerer Zeit abgesagt, schon vor dem tragischen Tod seines Sohnes Stephan (46), der an einem Hirntumor starb.

Ich habe Franz zuletzt in Salzburg getroffen. Nie während unseres gemeinsamen Lebens habe ich ihn annähernd so erlebt. Es hat ihn tief getroffen, natürlich, wenn ein Vater seinen Sohn verliert. Und es ist daher klar und verständlich, dass er nur im kleinen Kreis anstossen will.

Ich für meinen Teil werde ihn anrufen und ihm herzlich gratulieren. Schenken werde ich ihm nichts. Erstens brauchts das nicht zwischen uns. Und zweitens bin ich in unserem Leben als Spieler genug für ihn gelaufen. Da muss er noch ein paar Jahre Abbitte leisten.»

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