U17-Weltmeister Chappuis ist in Thailand ein Superstar
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Ex-Hopper lebt seinen Traum
U17-Weltmeister Chappuis ist in Thailand ein Superstar

Charyl Chappuis gewann 2009 mit Ricardo Rodriguez und Granit Xhaka die U17-WM. Charyl wer? In Thailand stellt die se Frage keiner. BLICK hat ihn in Bangkok besucht.
Publiziert: 07.04.2020 um 08:38 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2020 um 12:44 Uhr
Konrad Staehelin aus Bangkok

Im Winter 2012 steckte ­Charyl Chappuis’ Karriere in einer Sackgasse. 2009 war er U17-Weltmeister geworden, als Stammspieler neben Granit Xhaka (heute 27) und Ricardo Rodriguez (27). Doch während Xhaka mit Basel seither Manchester United aus der Champions League geworfen hatte und Rodriguez Bundesliga spielte, war er von seinem Stammverein GC an den damaligen Challenge-League-Klub Lugano ausgeliehen worden – und sass sogar dort nur auf der Bank. Lugano behandelte ihn mies, bezahlte Chappuis nicht mal mehr das Essen, das ihm laut Vertrag zustand. Unter solchen Umständen ist das Leben sogar im Tessin trist.

Dann kam der Anruf aus Thailand, der sich für den jungen Mann aus Kloten ZH als der wertvollste seines bisherigen Lebens herausstellen sollte. Buriram United wollte ihn, ein Provinzklub, der sich dank Mäzenengeldern zur neuen Nummer eins in Thailand aufschwingen wollte. Grund für das Interesse: Chappuis’ Mutter ist Thailänderin, weswegen er das Ausländerkontingent nicht belasten würde. Chappuis sagte zu. «Wenn ich damals Nein gesagt hätte, würde ich vielleicht heute noch in der Challenge League spielen», sagt er. «Mein Leben wäre komplett anders verlaufen.»

Er wäre heute, mit 28, auf jeden Fall kein Superstar mit 1,4 Millionen Followern auf Instagram. BLICK traf Chappuis Ende Februar in Thailands Hauptstadt Bangkok und sah: Er kann sich keine 50 Meter in der Stadt bewegen, ohne dass jemand ein Selfie mit ihm schiessen will. Meistens sind es junge Frauen, die erst aufgeregt zu kichern beginnen, bis sich eine traut, ihn anzusprechen. Chappuis packt dann jeweils sein breites Lachen aus, für das er im ganzen Land bekannt ist. «Ich lehne nie einen Selfie-Wunsch ab», sagt er. Und erzählt, warum: «Vor ein paar Jahren war David Beckham in Bangkok im gleichen Restaurant wie ich. Ich fragte seine Bodyguards, ob ich schnell ein Selfie mit ihm machen dürfe, und sie lehnten ab. Ich fühlte mich wie ein Idiot. Das will ich niemandem antun.»

Charyl Chappuis geniesst sein Leben in Bangkok.
Foto: Colin G. Dunjohn
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Corona auch in Bangkok

Fürs Interview haben wir uns in ein ruhiges Café mit Blick auf den Fluss Chao Phraya und den Tempel Wat Arun zurückgezogen. Chappuis bestellt einen Espresso. Zu jenem Zeitpunkt ist in Thailand vom Coronavirus noch nichts zu spüren. Die Millionenstadt brummt, ist voller Touristen, und auch Fussballspiele finden statt. Chappuis spielt seit Anfang Jahr beim Port FC in der Innenstadt, einem Klub mit Meisterschaftsambitionen und fanatischem Publikum. Aus den ersten vier Saisonspielen holte Port starke zehn Punkte. Weil er allerdings die gesamte Saisonvorbereitung verpasst hatte, wurde Chappuis bloss zwei Mal eingewechselt. Am Telefon berichtet er später: «Ich war auf gutem Weg in die Stammelf, als das Coronavirus auch Thailand lahmlegte.» Seit Anfang März ist die Saison unterbrochen, viele Orte des öffentlichen Lebens sind geschlossen. Im Moment trainiert der Port FC nicht – und auch alle Gyms sind geschlossen. Chappuis macht seine Kraftübungen zu Hause, fährt auf dem Hometrainer. Und er rennt die Treppen in seinem 32-stöckigen Wohnblock hoch und runter.

«Sobald es wieder losgeht, will ich bereit sein, um so schnell wie möglich Stammspieler zu werden», sagt der Thai-Schweizer. «Wenn das klappt und wir weiterhin erfolgreich sind, klappts auch mit der Nationalmannschaft wieder.» Er spielte in der Thai-Nati die letzten Jahre nämlich keine Rolle. Der Hauptgrund: Verletzungen, die ihn immer wieder aus der Bahn warfen.
Denn spätestens seit 2014 gilt Chappuis als einer der besten Fussballer des Landes: Mit Buriram hatte er in anderthalb Jahren fünf Titel geholt, und an der Südostasien-Meisterschaft spielte er ein überragendes Turnier, schoss seine Mannschaft als Mittelfeldspieler mit vier entscheidenden Toren zum Titel. Drei Millionen Menschen jubelten dem Team auf den Strassen zu, als es mit dem Pokal durch Bangkok gefahren wurde.

«In den Monaten nach dem Titel war der Rummel um meine Person so intensiv, dass es schwierig war, damit richtig umzugehen.» Hat er die Bodenhaftung verloren? «Nein, dafür haben mich meine Eltern zu gut erzogen. Aber allen alle Wünsche zu erfüllen, war anstrengend – manchmal wollte ich nur noch alleine sein.»

«In Europa wäre ich nicht mehr zurückgekommen»

In die gleiche Zeit fiel eine schlimme Verletzung: ein schwerer Knorpelschaden – die Knochen im Knie rieben aufeinander. Anderthalb Jahre musste Chappuis pausieren. «Ganz ehrlich: In Europa wäre ich von so einer Verletzung nicht mehr zurückgekommen», sagt er. Hier aber sei das Niveau nicht so hoch wie in der Schweiz, insbesondere was das Körperliche angeht. «Und mein damaliger Klub wollte unbedingt, dass ich wieder spiele. Wenn ich bei einem Klub unter Vertrag stehe, verkauft er mehr Trikots. Wenn ich spiele, kommen mehr Zuschauer.»
Das schlägt sich im Gehalt nieder. Hinzu kommen mehrere private Werbe- und Sponsoringverträge. Angebote hätte er für viel mehr. «Ich muss regelmässig Nein sagen: zu Auftritten in TV-Serien, zu Auftritten als Model, zum Aufnehmen eines Musik-Albums. Erstens kann ich viele dieser Sachen gar nicht, und zweitens würde der Fussball darunter leiden.»

Chappuis ist ein Grossverdiener. Obwohl er sportlich in den letzten Jahren nicht den grossen Unterschied gemacht hat. «Nach der Südostasien-Meisterschaft erinnerten sich auch die Schweizer Klubs wieder an mich», blickt Chappuis zurück. «St. Gallen und Thun haben angeklopft – und erschraken dann, als sie hörten, wie viel ich hier verdiene.»

«Hatte zu wenig Biss»

All das könnte sehr abgehoben klingen, tut es aus seinem Mund aber nicht. Das hat verschiedene Gründe: Erstens stimmt es. Und zweitens ist er sehr selbstkritisch. «Dass ich es nicht so weit geschafft habe wie Xhaka oder Rodriguez, ist allein meine Schuld. Ich hatte zu wenig Biss, war zu wenig selbstbewusst.» Bestes Beispiel dafür: Nach dem U17-WM-Titel bemühte sich Juventus-Legende und -Teammanager Gianluca Pessotto (49) persönlich darum, dass Chappuis von GC nach Turin wechselt. «Einmal trafen wir ihn in der Autobahnraststätte in Affoltern am Albis, einmal bei uns zu Hause in Kloten. Beide Male sagte ich ihm ab. Ich hatte Angst, meine Familie zu verlassen.»

Heute kann man sich das kaum mehr vorstellen. Selbstbewusst tritt er auf, redet fliessend Englisch und Thai. «Dafür, dass es zu Beginn so harzig lief, habe ich das Bestmögliche aus meiner Karriere gemacht.»

Nach Titeln ist er gar einer der erfolgreichsten Schweizer Legionäre des letzten Jahrzehnts. «Ich bin enorm zufrieden damit, wie es gelaufen ist. Ich könnte mir sogar vorstellen, meine Karriere beim Port FC zu beenden und das Leben hier in Bangkok zu verbringen. Es ist hier alles so viel einfacher als in der Schweiz.»

Was doch so ein Telefonanruf im richtigen Moment alles verändern kann.

Martin Steuble – noch ein Hopper bei Port FC

BANGKOK – Er ist nicht der Superstar wie Chappuis, aber auch für Martin Steuble (31, Bild) hat sich der Schritt nach Asien gelohnt. Für den Sohn eines Schweizer Vaters und einer philippinischen Mutter sah es erst sogar so aus, als könnte er als junger Profi den Durchbruch in der Super League schaffen: Neun Mal lief der Verteidiger aus Schlieren ZH für seinen Stammverein GC auf, fünf Mal für Xamax. Weil es letztlich doch nicht reichte, spielte er noch drei Jahre in der Challenge League bei Lausanne, Wohlen und Wil, bevor auch er zum Sprung ins Ausland ansetzte. Erst probierte er es bei Kansas in der amerikanischen MLS, bevor er in die Heimat seiner Mutter wechselte: Beim philippinischen Serienmeister Ceres Negros und in der dortigen Nationalmannschaft wurde er ab 2015 zur festen Grösse. Als der Klub Mitte 2019 in finanzielle Probleme geriet, machte Steuble dem Besitzer den Gefallen, sich selbst von der Lohnliste zu nehmen, indem er zum Port FC nach Thailand wechselte. Die zweite Hälfte der letzten Saison war er Stammspieler; in den ersten vier Spielen der neuen Saison kam er noch zu keinem Einsatz.

BANGKOK – Er ist nicht der Superstar wie Chappuis, aber auch für Martin Steuble (31, Bild) hat sich der Schritt nach Asien gelohnt. Für den Sohn eines Schweizer Vaters und einer philippinischen Mutter sah es erst sogar so aus, als könnte er als junger Profi den Durchbruch in der Super League schaffen: Neun Mal lief der Verteidiger aus Schlieren ZH für seinen Stammverein GC auf, fünf Mal für Xamax. Weil es letztlich doch nicht reichte, spielte er noch drei Jahre in der Challenge League bei Lausanne, Wohlen und Wil, bevor auch er zum Sprung ins Ausland ansetzte. Erst probierte er es bei Kansas in der amerikanischen MLS, bevor er in die Heimat seiner Mutter wechselte: Beim philippinischen Serienmeister Ceres Negros und in der dortigen Nationalmannschaft wurde er ab 2015 zur festen Grösse. Als der Klub Mitte 2019 in finanzielle Probleme geriet, machte Steuble dem Besitzer den Gefallen, sich selbst von der Lohnliste zu nehmen, indem er zum Port FC nach Thailand wechselte. Die zweite Hälfte der letzten Saison war er Stammspieler; in den ersten vier Spielen der neuen Saison kam er noch zu keinem Einsatz.

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