Ex-Fifa-Boss Blatter nimmt Abschied von seinem Weggefährten
«Franz war auch als Mensch wunderbar elegant»

Sepp Blatter und Franz Beckenbauer. Das war eine Liaison, die mehr war als eine Zweckgemeinschaft im Haifischbecken Fussball. Es war eine tiefe, enge Männerfreundschaft.
Publiziert: 09.01.2024 um 00:55 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2024 um 07:51 Uhr
Alain Kunz und Thomas Renggli

Der Oberwalliser Joseph S. Blatter (87) war von 1998 bis 2016 Fifa-Präsident. 1975 kommt er zum Welt-Fussballverband. Ein Jahr, nachdem Deutschland mit Captain Franz Beckenbauer Weltmeister geworden war. Doch schon vorher hatte Blatter den deutschen Über-Fussballer ein erstes Mal getroffen. «Das war Anfang der Siebziger-Jahre, als ich noch für die Uhrenfirma Longines arbeitete. Am Fest der deutschen Sportjournalisten in München suchten wir den Fussballer mit dem härtesten Schuss. Beckenbauer hatte nicht den schärfsten Schuss, aber den präzisesten.»

Das, so Blatter, sei durchaus sinnbildlich für die Qualitäten von Franz auf dem Platz und daneben gewesen. «Er war ein unfassbar eleganter Spieler; und ein wunderbar eleganter Mensch. Mit Humor, Lebensfreude und der sprichwörtlichen bayrischen Gelassenheit: Schau mer mal!»

«Franz war mehr als ein Fussballer»

Für den vom Ableben des Kaisers tief betroffenen Visper war dieser ein herausragender Spieler und eine der prägendsten Persönlichkeiten. «Will man Franz sportlich würdigen, können nur die grössten Spieler der Geschichte als Massstab gelten: Pelé, das brasilianische Genie, Alfredo di Stefano, der wunderbare Argentinier – oder Johan Cruyff, der grandiose holländische Offensivvirtuose.» Und dann kommt es im Herbst von Beckenbauers Spielerkarriere bei Cosmos in New York zur Vereinigung mit Pelé. «Vielleicht eines der spektakulärsten Kapitel der fussballerischen Neuzeit», so Blatter.

Sie waren langjährige Freunde: Franz Beckenbauer (†78) und Sepp Blatter (r.).
Foto: AFP
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Der 87-Jährige weiter: «Doch Franz war viel mehr als ein Fussballer. Er war vielleicht der erste Superstar unseres Spiels vom europäischen Festland. Dass er zum Kaiser ernannt und zur Lichtgestalt befördert wurde, sagt alles.» Und weil für Lichtgestalten und Kaiser andere Massstäbe gelten, führte Beckenbauer die deutsche Nationalelf in Italien als Teamchef zum WM-Titel. «Und das ohne das erforderliche Trainerdiplom gehabt zu haben», erinnert sich der Ex-Fifa-Boss schmunzelnd.

WM-Vergabe 2006 sorgte für Aufsehen

Nicht nur zum Lachen war dann die letzte grosse Episode aus dem reichen Leben des Bayern. Als er die WM-Endrunde 2006 nach Deutschland holte. Erst im Nachgang liessen sich massive Unregelmässigkeiten feststellen. Das Duo Blatter/Beckenbauer hätte 2020 vor dem Schweizer Bundesstrafgericht in Bellinzona im sogenannten Sommermärchen-Prozess antraben sollen. Doch wegen Beckenbauers angeschlagener Gesundheit wurde dessen Prozessteil abgekoppelt und auch Blatter reiste nicht ins Tessin. Am Ende verjährte die ganze Geschichte.

Und so nimmt Blatter Abschied von seinem Weggefährten: «Mit Franz verliert der europäische Fussball seine vielleicht schillerndste Persönlichkeit. Vor allem verlieren wir einen wunderbar charmanten, herzensguten und lieben Menschen. Lieber Franz, ich verneige mich vor Dir und Deinem Lebenswerk. Ruhe in Frieden.»

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