Schalke-Legende trotz 0:3 überzeugt
«Christian Gross ist der richtige Mann»

Werner Hansch ist Mister Schalke. Das Herz des ehemaligen Stadionspeakers blutet. Der 82-jährige Promi-Big-Brother-Sieger hofft nun auf Christian Gross, ist aber pessimistisch.
Publiziert: 03.01.2021 um 11:17 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2021 um 22:15 Uhr
Alain Kunz

Es ist so üblich, 2020. Und es bleibt auch vorderhand so 2021. Das erste Thema, das man streift, ist nicht der eigentlich vorgesehene Inhalt. Sondern die Pandemie. «Wie es einem halt so geht, wenn dieses Ding da ist», sagt Hansch (82) auf die Frage nach dem Befinden. «Man sieht es nicht und ich spüre es auch nicht, Gott sei Dank.»

Der Recklinghauser ist so etwas wie der Doyen der deutschen Sportjournalisten. Aber ganz sicher: Mister Schalke. «Also wechseln wir zu diesem betrüblichen Thema», sagt er. S04. Auch für Hansch zu einem TV-Ereignis mutiert. «Wenn ich unbedingt wollte, könnte ich schon ins Stadion gehen. Aber ich sage Ihnen offen: Schalker Spiele zu sehen, macht auch im Fernsehen keine Freude. Zudem gehöre ich zur Risikogruppe. Da bin ich vorsichtig.»

«Wunder gibt es eben nicht immer wieder»

Nach Berlin wäre er am Samstag ohnehin nicht gefahren. Eben ist dort Schluss. Schalke hat wieder nicht gewonnen. Zum 30. Mal. 0:3. «Wir wussten doch, dass auch ein neuer Trainer keine Wunderdinge vollbringen kann, weil das derart tief in den Köpfen ist. Wunder gibt es eben nicht immer wieder. Und im Olympiastadion gewinnt man nicht im Vorbeigehen.»

Ein Blick ins Gesicht der Schalke-Spieler spricht Bände.
Foto: Keystone
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Der Frust ist gross bei Hansch. Man spürt aber auch eine gehörige Portion Defätismus. «Zu Beginn hatte ich ein gutes Gefühl. Guter Start. Auf Augenhöhe. Doch dann das Gegentor. Von da an wars in den Köpfen: Mein Gott, wir schaffen das wieder nicht. Von da an wars wie immer. Und am Ende eindeutig.»

Wenn einer legitimiert ist, tiefgründige S04-Analysen von sich zu geben, dann Hansch. Der Mann atmet, isst und trinkt Schalke. Seine Karriere im Fussball beginnt denn auch (fast) auf Schalke. Nachdem er als Speaker der Trabrennbahnen Recklinghausen bekannt geworden ist, als er den erkrankten Sprecher vertreten hat, passiert dasselbe im Fussball.

Er springt im Parkstadion für den verhinderten Speaker ein – und wird prompt dessen Nachfolger. Trotz des Fauxpas, dass er Torwart Norbert Nigbur «mit der Startnummer eins» ankündigt. Der Rest ist Geschichte: WDR, ARD, Sat1 – und die Fifa-Game-Reihe, weshalb auch die Jüngeren mindestens Hanschs Stimme kennen.

Nach dem Auftritt bei Promi Big Brother sowieso. Hansch nimmt als ältester Kandidat teil und gewinnt die Staffel im August 2020. So ist er der älteste Gewinner einer Reality-Show weltweit.

Sechsgrösster Verein

Zurück zu den Königsblauen. Einer derjenigen Fussballklubs, für den die Begriffe «Kult» und «Mythos» nicht leere Worthülsen sind. Hanschs Herz geht auf, als er versucht zu erklären, was den Klub mythisch macht. «Das geht zurück auf Szepan und Kuzorra, die den sogenannten Schalker Kreisel begründeten. Stellen Sie sich vor: Die spielten damals mit Fünferkette. Vorne! Das müssen Sie mal auf heute übertragen. Da würden wir Tore sehen!»

Sechsmal wird Schalke von 1934 bis 1942 Deutscher Meister. «Danach ist da nicht mehr viel passiert. Einmal noch klappts. 1958. Danach gabs immerhin noch die grosse Zeit meines fussballerischen Freundes Rudi Assauer. Er bringt den Klub auf Vordermann. Bis zum 21. Mai 1997 in Mailand. Schalke gewinnt den Uefa-Pokal! Ich war der Kommentator. Die waren unvergesslich, die sogenannten Euro-Fighter.»

Und Hansch erzählt und erzählt. Von Siebert über Eichberg, Braun bis zu Kaschmir-Rudi, Stevens und den beiden Pokalsiegen. «Und natürlich 2001. Ich war im Parkstadion. Das war ganz traurig.»

Schalke ist damals für vier Minuten Meister. Bis Bayern mit einem Tor in der Nachspielzeit den nötigen Punkt beim HSV doch noch holt. Gelsenkirchen versinkt im Tal der Tränen. Der Ausdruck «Meister der Herzen» entsteht. Das, so Hansch, sei wohl nur auf Schalke möglich. «Und ist es nicht eine wunderschöne Metapher?»

Den Mythos begründen aber auch die Fans. Hansch: «Die haben ein Logo: Schalke – wir leben dich. Die Leute leiden mit. Und das ist, was die aktuelle Situation be-sonders schlimm macht: Was die Menschen hier aushalten müssen.»

S04 ist mit 160'000 Mitgliedern der viertgrösste deutsche Sportverein und der sechstgrösste weltweit. «Und wo steht dieser Verein heute? Er taumelt dem Abstieg entgegen. Wenn nicht …»

Und man kann sich vorstellen, wie Hanschs Augen zu funkeln beginnen. «Wenn nicht mit dem legendären Christian Gross eine Wende kommt.» Er schwanke zwischen Hoffnung und Glaube, sagt Hansch. «Ich habe noch nie so früh ein Team aufgegeben. Es sind erst vierzehn Runden gespielt. Und jetzt kommt Hoffenheim, das angeschlagen ist. Der richtige Gegner. Nein, den Tasmania-Rekord stellen wir nicht ein!»

Wegmanns Spruch

Allerdings ist der Optimismus selbst bei Hansch nicht primär kopfgesteuert. «Die könnten selbst Sepp Herberger und Max Merkel aus der Gruft kratzen und die könnten gemeinsam trainieren: Mit diesem Kader ist wenig anzufangen. Da fehlt es an Qualität hinten wie vorne, insbesondere an Schnelligkeit. Und dann muss man den guten alten Jürgen Wegmann zitieren. ‹Wenn du schon kein Glück hast, kommt noch Pech hinzu.› Wenn du dreissig Spiele nicht gewonnen hast – was trägst du da für einen Rucksack!»

Gross könne die spielerische Qualität da auch nicht mehr erreichen. «Was er aber kann, denn er ist ein Typ alter Schule: Disziplin und Gewinnen-wollen. Dafür steht er. Taktische Dinge kann man jetzt vergessen. Dreierkette, Viererkette – alles Blödsinn. Da muss sich jetzt jeder rein-hängen!»

Wie ist Schalke überhaupt in die Bredouille geraten, dem Abgrund so nahezustehen? «Das begann vor vier Jahren mit dem Engagement des hochgelobten Christian Heidel aus Mainz für den wenig geliebten Horst Heldt als Manager. Das konnten wir damals alle nachvollziehen, derart gut hatte Heidel in Mainz gearbeitet. Doch entweder passte der Mann nicht auf Schalke oder sein Glück verliess ihn. Der hat ein Kader zusammengestellt, mit dem es bergab ging. An diesem Malheur leidet der Klub heute noch.»

Und dann habe Sportvorstand Jochen Schneider zu lange an Trainer David Wagner festgehalten. «Der passte nicht auf die Situation. Nachfolger Manuel Baum ist ein exzellenter Fussball-Fachmann, hatte die nun nötigen Qualitäten aber auch nicht: die Köpfe freizukriegen mit Disziplin und Arbeit. Gross hat diese. Deshalb ist er der genau richtige Mann!»

Und wenn es Gross nicht schafft? Hansch: «Ein Abstieg wäre ganz schlimm. Wenn man die finanzielle Situation bedenkt, müsste man die Leistungsträger, die man mit der Lupe noch finden kann, verkaufen und versuchen, sich mit jungen Talenten nach oben zu kämpfen.»

Weshalb er eher die Gefahr sehe, dass der Verein nach unten durchgereicht werde. Es sind harte Zeiten. Für S04-Fans noch mehr.

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
3
8
9
2
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
3
4
7
3
RB Leipzig
RB Leipzig
3
2
7
4
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
3
4
6
5
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
3
3
6
6
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
3
1
6
6
SC Freiburg
SC Freiburg
3
1
6
8
Werder Bremen
Werder Bremen
3
1
5
9
Union Berlin
Union Berlin
3
1
5
10
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
3
0
4
11
FC Augsburg
FC Augsburg
3
-2
4
12
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
3
0
3
13
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
3
-1
3
14
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
3
-4
3
15
FSV Mainz
FSV Mainz
3
-1
2
16
VfL Bochum
VfL Bochum
3
-4
0
17
FC St. Pauli
FC St. Pauli
3
-5
0
18
Holstein Kiel
Holstein Kiel
3
-8
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