Kult-Coach Otto Rehhagel verrät
«Mario Basler musste man ein paar Eskapaden zugestehen»

Trainerlegende Otto Rehhagel (78) verrät, warum Wynton Rufer sein Liebling war, weshalb Fussball kein Computerspiel ist und wie er Mario Basler zähmte.
Publiziert: 22.01.2017 um 20:22 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:34 Uhr
Interview: Martin Arn

Herr Rehhagel, die deutschen Kollegen haben vor Ihnen gewarnt: Sie seien ein «Journalisten-Fresser». Hoffentlich haben Sie schon gegessen.
Otto Rehhagel: Das ist Quatsch! Wer mich korrekt behandelt, der wird ebenfalls korrekt behandelt. Die grosse Herausforderung im Leben ist der Umgang mit den anderen Menschen. Klose, Völler, Andy Herzog, Mario Basler, Klaus Allofs – all diese Spieler habe ich rausgebracht und sie sind alle meine Freunde geworden.

Aber die Journalisten sind nicht alle zu ihren Freunden geworden?
Nein! Das liegt in der Natur der Sache. Die Journalisten haben des Öfteren mal ein falsches Spiel gespielt. Aber schauen Sie. Rehhagel nimmt sein Handy aus der Tasche und tippt auf den Ordner mit den Fotos. Kennen Sie diese beiden Herren, die leben leider nicht mehr? Nee, die kennen Sie nicht in Ihrem Alter. Der rechts, das ist Wolfgang Menge, ein grossartiger Autor, Drehbuchschreiber und Journalist. Und daneben ist Hanns Joachim Friedrichs, ein TV-Journalist von ZDF und ARD. Das war auf Sylt. Friedrichs hat mir seine Pfeife gegeben. Mit ihnen hatte ich ein sehr gutes Verhältnis.

Wie kam es zu ihrem Ruf als Journalisten-Feind?
Ich bin Gerechtigkeitsfanatiker. Es gab halt immer welche, die haben versucht, Leute gegeneinander auszuspielen. Da hab ich schon mal gesagt: «Schreib was du willst, aber komm nie wieder zu mir!»

Ex-Werder-Coach Rehhagel (l.) und Rufer sind noch heute befreundet.
Foto: Imago
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Wachen Sie zwischendurch in der Nacht auf und denken: «Der EM-Titel 2004 mit Griechenland war nur ein Traum»?
Nein! Für das Publikum war dieser Erfolg ein Wunder. Die Griechen waren vor dem Turnier an 150. Stelle der Weltrangliste oder so. Dann haben wir Portugal im Eröffnungsspiel und im Endspiel geschlagen. Wissen Sie, was das Geheimnis war?

Verraten Sie es!
Die Jungs waren richtig gut. Bloss: Das wusste keiner. Auch die Journalisten nicht. Die interessierten sich nur für Frankreich und Zidane und die grossen Spieler. Und für Portugal. Von Griechenland kannten die keinen. Ich hab den Spielern gesagt: «Wir haben nichts zu verlieren.» Dann schlugen wir Frankreich im Viertelfinale. Eigentlich hatten wir das Turnier da schon gewonnen. Denn damit hatte keiner gerechnet.

Sie auch nicht?
Natürlich nicht! Aber niemand wird Europameister, wenn er keine gute Mannschaft hat. Und die hatten wir. Die Mannschaft war besser als alle glaubten.

Konnten Sie eigentlich Griechisch?
Einen Satz. Rehhagel spricht Griechisch. Das heisst übersetzt: «Wenn ich alles unter Kontrolle habe, dann fühle ich mich sicher.» Es gab Spieler, die sprachen Deutsch und Englisch. 

Sie hatten zuvor schon ein Fussballwunder geschafft, als Sie Deutscher Meister wurden mit Aufsteiger Kaiserslautern.
Ja, das war 1998. Ich muss noch heute lachen, wenn es heisst, Leipzig sei der beste Aufsteiger der Bundesliga-Geschichte. Stimmt nicht. Wissen Sie, was der Unterschied ist zwischen Leipzig heute und Kaiserslautern damals?

Sie wurden Meister…
…wir haben zweimal die Bayern geschlagen!

Sie haben Mario Basler, Kahn, Scholl, Matthäus trainiert. Wer war der Beste?
Wynton Rufer!

Wirklich?
Ohne Zweifel! Wenn Sie einen Fussballer fragen: «Kannst du links schiessen», dann sagt er: «Rechts geht, aber links: naja.» Oder: «Wie schnell bist du?» Dann sagt er: «Es gibt Schnellere.» Bei Wynton können Sie alles abfragen: Rechts perfekt, links perfekt. Er war der Schnellste, intelligent, kopfballstark. Im Endspiel des Europapokals 1992 gegen Monaco ist Wynton an allen vorbeigelaufen. Oder gegen Neapel, mit Maradona und Careca. Unglaublich, was Wynton da gespielt hat! Es war ein Riesenglück, dass ich Wynton von GC zu Werder holte. Wir sind heute noch sehr gut befreundet. Er hat mich auch hier zur Schnee-WM nach Arosa eingeladen.

Wer war der schwierigste Spieler, den Sie hatten?
Mit Sicherheit Uli Borowka. Aber bei ihm war der Alkohol das Problem, das hat zunächst keiner gemerkt. Er hat es ja dann später selber eingestanden.

Wie war Mario Basler?
Auch nicht pflegeleicht. Aber wir brauchten ihn, weil er ein unglaublicher Spieler war. Da habe ich ihm mal das Eine oder Andere durchgehen lassen. Er hat es dann gedankt.

Basler hat mal erzählt, er sei zu spät zum Training gekommen…
…das kam immer wieder vor…

…dann sei da ein Ball hinter der anderen Grundlinie gelegen und Sie hätten zu ihm gesagt: «Mario, wenn Sie den reinmachen, dann können Sie gleich wieder gehen.» Basler behauptet, er habe getroffen und sei dann direkt unter die Dusche gegangen.
Wenn der Mario das sagt, dann wird’s schon stimmen (lacht). Er war halt dieser aussergewöhnliche Spieler, dem man auch mal ein paar Eskapaden zugestehen musste. Wir sind bis heute befreundet.

Wie war das als Bayern-Trainer? Da hatten sie neben all den Stars auf dem Rasen auch noch mit Beckenbauer, Rummenigge und Hoeness zu tun.
Das waren alles Elefanten, mit riesigem Selbstvertrauen. Da musst du einfach gewinnen. Alles andere zählt bei Bayern nicht. Wir haben das Endspiel des Uefa-Cups erreicht…

…allerdings ohne Sie, da waren Sie schon entlassen worden.
Ja, leider! Franz sagt immer zu mir, er hätte sich schon zehn Mal bei meiner Frau Beate entschuldigt, weil er mich damals entlassen hatte.

Wenn Sie heute Trainer sehen, wie Guardiola, der eine halbes Dutzend Mitarbeiter hat, mit Laptop und GPS-Geräten arbeitet und schon in der Pause seinen Spielern Videoszenen abspielt: Ist das noch Ihr Fussball?
Die Dinge entwickeln sich auch im Fussball. Aber ich sage immer:«Mach aus dem Fussball kein Computerspiel!» Fussball lebt von den Unwägbarkeiten. Ein Beispiel: Wenn Sie mir vor dem EM-Halbfinale Frankreich–Deutschland gesagt hätten: «Pass auf Otto, heute macht Schweinsteiger ein unmotiviertes Handspiel im Sechzehner.» Dann hätte ich gesagt: «Du spinnst doch!» Und dann, bumm: Handspiel, Elfmeter für Frankreich! Das steht auf keinem Laptop. Die Leute kommen ins Stadion, weil sie nicht wissen, was passieren wird. Geben Sie denen ein Blatt Papier, wo draufsteht: 30. Minute Elfmeter. 80. Minute Eigentor. Da kommt keiner mehr.

Was sagen Sie dazu, dass der Argentinier Carlos Tévez in China 30 Millionen im Jahr verdienen soll?
Das ist irre. Auch wenn die Chinesen jetzt wohl ein bisschen zurückbuchstabieren, was die Gehälter und die Ausländer anbelangt.

Gab es für Sie keine Anfrage aus China?
Es gibt immer wieder Leute, die meinen Rat wollen. Aber China: Was soll ich da. Ich will doch nicht 10 Stunden ins Flugzeug sitzen. Da würde ich wahnsinnig! Ich weiss, was machbar ist und was nicht. Ich will die Leute ja nicht enttäuschen.

Dann ist das Coaching bei der Schnee-WM in Arosa ihr Letztes?
Nene! Wir haben immer noch unsere Legendenmannschaft in Deutschland, die ich coache. Lothar Matthäus ist da der Präsident. Ich habe grad letzthin zu ihm gesagt: «Das hätte ich nie gedacht, dass ich unter einem Präsidenten Matthäus Trainer sein würde.» 

**********

Otto Rehhagel persönlich

1972 machte Otto Rehhagel die Trainer-Lizenz. Er war Trainer von Saarbrücken, Offenbach, Dortmund, Bielefeld, Fortuna Düsseldorf (1980 DFB-Pokalsieger). Coachte danach 14 Jahre lang Bremen, welches er vom Aufsteiger zum zweifachen Meister (1988, 1993) und Pokalsieger (1991, 1994) formte. Sein Engagement bei den Bayern missglückte, dafür wurde er mit Aufsteiger Kaiserslautern Meister und schaffte 2004 mit Griechenland das EM-Wunder.

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