Manuel Akanji ist schneller als ein Taschenrechner
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Er braucht nur Sekunden:Manuel Akanji ist schneller als ein Taschenrechner

Er glaubt noch an den Titel
Das grosse Interview mit BVB-Akanji

Manuel Akanji (24) ist bei Dortmund und in der Nati ein Fixpunkt geworden. Hier spricht er über die wechselhafte BVB-Saison, Rassismus und was ihn sonst menschlich beschäftigt.
Publiziert: 08.12.2019 um 12:07 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2019 um 12:57 Uhr
Andreas Böni (Interview) und Stefan Bohrer (Fotos) aus Dortmund

Restaurant Acqua Pazza in Dortmund. Manuel Akanji (24) sitzt vor einem Teller Pasta. Spaghetti al Piccantino, Nudel mit rotem Pesto, scharf gewürzt. Der Innenverteidiger des BVB hat heisse Wochen hinter sich, ein Wechselbad der Gefühle. Auf ein 3:3 gegen Paderborn und Pfiffe an der Hauptversammlung folgten ein 0:2 in Barcelona und dann die Stabilisierung mit den Siegen bei der Hertha (2:1) und gegen Düsseldorf (5:0).

Im Nebenraum des Restaurants posiert Akanji für die SonntagsBlick-Fotos, die Luft ist noch ein wenig stickig. Hans-Joachim Watzke, der Vorstandsvorsitzende des BVB, hat sich Minuten davor dort eine dicke Zigarre gegönnt. Ende Saison soll es die Meister-Zigarre werden.

BLICK: Manuel, Dortmunds Saison ist bisher ein einziges Auf und Ab. Wie erleben Sie das bisher?
Manuel Akanji: Aus meiner Sicht ist die Saison bisher ganz okay. Natürlich, der Start hätte besser sein können. Aber Sie wissen ja wie es in der letzten Saison war. Da hatten wir neun Punkte Vorsprung auf Bayern und holten nachher nichts mehr. Wenn wir es nun umgekehrt machen und in der Rückrunde aufdrehen, hat keiner etwas dagegen. Und ich bleibe optimistisch, dass es so kommt und wir werden bis zum Schluss alles geben.

Manuel Akanji beim BLICK-Termin im Restaurant Acqua in Dortmund.
Foto: STEFAN BOHRER
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Auch Sie wurden mehr kritisiert als in der vergangenen Saison. Empfinden Sie persönlich Ihre Saison auch als schlechter und wie gehen Sie damit um?
Ich glaube nicht, dass ich bisher nur schlecht gespielt habe. Aber in der letzten Saison war es auch einfacher für mich. Wenn es der Mannschaft läuft, sieht man automatisch auch besser aus.

Vor allem Spiele gegen Barcelona und Hertha mussten unter viel Druck gespielt werden, weil viele Medien schrieben, Lucien Favre stünde bei Pleiten vor einer Entlassung. Wie geht man damit auf dem Feld um?
Das hat überhaupt keinen Einfluss auf uns. Wir haben in jedem Spiel Druck. Wir wollen jedes Spiel gewinnen.

Machts es einfacher, dass ihr beide Schweizer seid oder ist das teamintern eher schwieriger?
Es macht keinen Unterschied. Wir kannten uns ja vorher nicht, wichtig ist, dass wir miteinander gut kommunizieren können.

Wenn Sie darauf wetten müssten, ob Dortmund noch Meister wird, wieviel würden Sie setzen?
Ich wette grundsätzlich nicht. Was wetten Sie?

Gar nichts. Am Ende holen ja doch die Bayern die Schale.
Gut, dann gewinnen Sie nichts, wenn wir es doch noch packen.

Ihr Boss Watzke rief den Meister-Titel als Ziel aus.
Und wir geben nicht auf.

Wurden Sie auch schon rassistisch beleidigt?
Ja. Wenn sich die anderen mit 13, 14 nicht mehr fussballerisch wehren konnten, kamen die rassistischen Sprüche.

Wie haben Sie reagiert?
Ich versuchte mich auch mit Worten zu wehren.

Haben Sie diese Probleme heute noch?
In der Bundesliga weniger. Aber auf Social Media, da werde ich öfters rassistisch beschimpft. Es ist unglaublich, wie einige Menschen ihre Aggressionen über uns ausschütten. Anonym und ohne Konsequenzen. Ich bin überzeugt, sie würden sich nicht trauen, es dir ins Gesicht zu sagen.

Warum lesen Sie das alles?
Ich bearbeite Instagram zum Beispiel ja selbst, da schaust du manchmal halt in die Nachrichtenanfragen.

Wie reagieren Sie?
Gar nicht, man sollte Hatern keine Plattform bieten. Wenn es Kommentare unter der Gürtellinie sind, dann musste ich auch schon etwas löschen oder blockieren.

Romelu Lukaku von Inter wurde zuletzt wieder mit Affenlauten beleidigt. Haben Sie eine Erklärung, wie das im Jahr 2019 noch passieren kann?Dafür habe ich weder eine Erklärung noch Verständnis. Sonst würde ich etwas dagegen tun. Ich finde es einfach nur traurig. Aber eben, es gibt viele solche Dinge auf der Welt, die nachdenklich stimmen.

Zum Beispiel?
Ich habe vor ein paar Tagen mit meiner Frau im Fernsehen eine Dokumentation über Kinderprostitution und Mädchenhandel geschaut und war geschockt, wie man in einigen Ländern Minderjährige derartig missbrauchen kann. Deswegen finde ich es auch sehr wichtig, dass man sich für Frauenrechte einsetzt – wie es auch meine Schwester Sarah im Zürcher Kantonsrat tut.

Ihre Schwester politisiert stramm links. Was hält sie von den Gehältern der Fussballer?
Da müssen Sie sie selber fragen ...

Sollten Fussballerinnen gleich viel verdienen wie Fussballer? Oder geht es da nicht viel eher um Angebot und Nachfrage?
Ich entscheide nicht über die Gehälter im Profisport. Aber uns geht es gut, das spürte ich auch wieder unter der Woche, als wir mit dem BVB das Kinderkrankenhaus besucht haben.

Was blieb Ihnen im Kopf?
Wir sahen Zwölfjährige, die schon ihre Hüfte richten lassen mussten. Einer hatte eine verkürzte Achillessehne, konnte seinen Fuss nicht strecken. Wieder andere konnten kaum hören. Kinder, wir reden von Kindern. Das nimmt einem schon sehr mit, wenn man das sieht.

In Nigeria, der Heimat Ihres Vaters, werden Sie auch viele schlimme Dinge gesehen haben.
Wir waren einige Male zu Besuch dort, das letzte Mal ist allerdings schon neun Jahre her, ich war etwa 15. Ich konnte damals noch kaum Englisch und musste mir viel von meinen Schwestern helfen lassen. Ich spürte schon bei der Abreise, dass wir nicht wie sonst in die Ferien nach Spanien fliegen. Ich erinnere mich gut, dass wir die Kleider nicht raushängen durften wegen der gefährlichen Mücken, dass man kein Wasser trinken konnte und vor allem ist mir die Armut auf der Strasse im Kopf geblieben. So entschied ich mich, als halber Nigerianer etwas zu machen und wurde Unicef-Supporter.

Was tun Sie konkret?
Ich spende für ein Projekt in Nigeria, dass sich für die Bildung benachteiligter Kinder einsetzt und mache in meinem Namen darauf aufmerksam. Möglichst viele Kinder sollen die Chance haben, eine Ausbildung zu machen, um ihre Zukunft damit positiv zu können, wir sind da in der Schweiz sehr privilegiert.

Sie trugen nach der WM am Pool ein Nigeria-Shirt – und warben so ohne ein Wort zu sagen für Toleranz nach der Doppeladler-Affäre. War es eine bewusste Entscheidung?
Es war eine Botschaft, ganz klar.

In brenzligen Situationen auf dem Feld: Haben Sie die Coolness eher von den afrikanischen Wurzeln Ihres Vater oder eher von der schweizerischen Seite Ihrer Mutter?
Beide sind charakterlich ruhig und gelassen.

Wann gehen Sie in die Luft?
Zum Beispiel, wenn der Schiri keine Linie hat beim Einsetzen des Videobeweises.

Gefällt Ihnen denn der Video-Beweis?
Er hat Vor- und Nachteile. Bei Treffern nach Offside wird meist richtig entschieden. Aber eben, er wird inkonsequent eingesetzt. Im Sommer wurde uns erklärt, dass nie gepfiffen werde, wenn der Ball die Hand, welche näher zum Boden ist, berührt. Wenn man sich zum Beispiel abstützt.. Oder es hiess, ein Penalty werde wiederholt, wenn der Goalie die Linie verlasse. Das hat der Torwart von Freiburg beim Elfmeter von Breel Embolo getan – passiert ist danach nichts. Das verstehe ich dann nicht.

Apropos Embolo: Sind Sie froh, dass er den Rivalen Schalke verlassen hat?
Für mich ist wichtig, dass es ihm gut geht – nicht, ob er auf Schalke oder bei Gladbach spielt. Und ich freue mich, wie oft er trifft. Aber ich wusste immer, was er kann.

Er wird zum zweiten Mal Vater, mit 22. Da sind Sie mit 24 schon im Rückstand.
Raheem Sterling wurde schon mit 17 Vater. Wenns soweit ist, erfährts der BLICK als erster... (lacht)

Andere Fussballer sind in diesem Alter mehr im Ausgang, als sich damit zu beschäftigen.
Das ist nicht so mein Ding, ich gehe lieber essen oder meine Frau Melanie und ich laden Leute zuhause ein.

Kochen Sie dann?
Nein... (lacht)

Wer ist heute Ihr härtester Kritiker?
Alle in meinem Umfeld. Ich will, dass sich meine Freunde kritisch mit mir auseinandersetzen. Vielleicht haben einige Fussballer zu viele Schulterklopfer um sich. Aber es geht auch schnell: Spielst du am Anfang gut, bist du in den Medien sofort der Held. Zu schnell aus meiner Sicht, bevor du etwas erreicht hast.

Nach einem Auftritt im «sportpanorama» staunte die Schweiz über Ihre Kopfrechen-Fähigkeiten. Kurzer Test: 28 mal 85?
(sofort) 2380.

Korrekt. Woher kommt das?
Wir hatten in der vierten oder fünften Klasse jeweils ein Kopfrechnen-Turnier. Danach habe ich mich stets verbessert und gelernt. Wenn ich draussen eine Zahl sah, suchte ich eine zweite und multiplizierte sie. Und wurde immer besser, zweistellig kann ich alles rechnen.

Reden wir noch über die Nati. Wie sehen Sie die EM-Gruppe mit den Wales, Italien und der Türkei.
Das ist eine sehr gute Gruppe und Italien Favorit nach zehn Siegen in der Qualifikation. Aber wir haben sehr gute Chancen weiterzukommen, was auch unser klarer Anspruch ist.

Die Schweiz muss zweimal in Baku und einmal in Rom spielen. Empfinden Sie dies als Fehlplanung der Uefa?
Es ist sicher nicht optimal. Aber mir spielt es keine Rolle, wir müssen die Spiele machen und gewinnen. Egal, ob in Baku oder in London.

Es sind jeweils Flüge von fünf Stunden nach Aserbaidschan. Was machen Sie während der Reisen?
Wir spielen Parchisi, das ist wie Eile mit Weile und man spielt es zu viert. Im Moment sind wir sechs, Granit Xhaka, Breel Embolo, Ricardo Rodriguez, Albian Ajeti, Renato Steffen und ich wechseln uns immer ab. So vergehen auch die langen Flüge sehr schnell.

DAS IST MANUEL AKANJI

Manuel Obafemi Akanji wird 1995 in Winterthur geboren und wächst in Wiesendangen ZH auf. Als Kind merkt er früh, dass er Profi werden will, «als ich mit meiner Schwester im Garten Fussball spielte». Als Junior ist er Flügelstürmer, wird dann Aussenverteidiger und später Innenverteidiger.

Seine Eltern pochen darauf, dass er erst eine Ausbildung macht. Das KV macht er in einem Treuhand-Büro. Parallel spielt er beim FC Winterthur, bevor er mit 20 zu Basel wechselt. 2018 holt ihn Dortmund für 25 Millionen Franken und er wird auf Anhieb Stammspieler. Auch in der Nati ist er inzwischen gesetzt.

Akanji ist seit Sommer 2019 mit Melanie verheiratet.

Manuel Obafemi Akanji wird 1995 in Winterthur geboren und wächst in Wiesendangen ZH auf. Als Kind merkt er früh, dass er Profi werden will, «als ich mit meiner Schwester im Garten Fussball spielte». Als Junior ist er Flügelstürmer, wird dann Aussenverteidiger und später Innenverteidiger.

Seine Eltern pochen darauf, dass er erst eine Ausbildung macht. Das KV macht er in einem Treuhand-Büro. Parallel spielt er beim FC Winterthur, bevor er mit 20 zu Basel wechselt. 2018 holt ihn Dortmund für 25 Millionen Franken und er wird auf Anhieb Stammspieler. Auch in der Nati ist er inzwischen gesetzt.

Akanji ist seit Sommer 2019 mit Melanie verheiratet.

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