Das totale Hertha-Chaos
Wer übernimmt das «Himmelfahrts-Kommando»?

Jürgen Klinsmann jubelt Hertha Berlin innert 76 Tagen vom Traum der Champions League ins Chaos. Danach spricht der Deutsche Klartext – und Hertha Berlin sucht im Scherbenhaufen einen neuen Trainer.
Publiziert: 12.02.2020 um 10:53 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2020 um 14:17 Uhr

Jürgen Klinsmann (55) hat genug. Nach 76 Tagen schmeisst er bei Hertha Berlin hin und tritt per sofort als Cheftrainer zurück. Die Meldung löst am Dienstag einen Schock in Fussball-Deutschland aus.

Noch am selben Tag spricht er Klartext. In einem grossen Interview mit der «Bild» erklärt er: «Es war keine Spontan-Entscheidung von mir. Ich habe schon länger das Gefühl, dass es in dieser Form nicht funktioniert.»

Was ist passiert? « Nach meinem Verständnis sollte ein Trainer – nach dem englischen Modell – die gesamte sportliche Verantwortung tragen. Also auch über Transfers.» Im Klartext: Klinsmann hat trotz Millionen-Transfers nicht die Spieler bekommen, die er gerne gehabt hätte.

Jürgen Klinsmann (55) hat genug. Nach 76 Tagen schmeisst er bei Hertha Berlin hin und tritt per sofort als Cheftrainer zurück.
Foto: keystone-sda.ch
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Sportlich habe er seinen Job gut gemacht, findet der 55-Jährige: «Ich habe ein Himmelfahrtskommando übernommen und habe nur in einem Spiel schlechter abgeschnitten als gehofft.»

Der Traum von Europa

76 Tage. So lange hält es Jürgen Klinsmann (55) also als Cheftrainer bei der Hertha aus. 76 Tage, in denen der Klub, aktuell im unteren Tabellenfeld klassiert, von der Champions League träumt und Transfers in Rekordhöhe tätigt. Und dann Knall auf Fall ins Chaos stürzt.

«Ich habe schon das nötige Selbstvertrauen. Ich traue mir das zu», erklärt Klinsmann bei seiner Vorstellung Ende November. Das Team solle raus aus dem grauen Mittelfeld, rein in die europäischen Plätze. Die Hertha sei «eines der spannendsten Fussballprojekte Europas», erklärt der ehemalige deutsche Nationaltrainer.

Im Januar lässt Klinsmann die Fans träumen. Im Interview mit der «Bild» spricht er von grossen Zielen. «Erster Schritt: Weg vom Tabellenkeller, durchatmen. Zweiter Schritt: Nächste Saison die Europa League erreichen. Dritter Schritt: In drei bis fünf Jahren um die Meisterschaft mitspielen und in die Champions League kommen.» Grosse Worte. Und: es folgen Taten.

Lucas Tousart (22, aktuell nach Lyon zurückverliehen), Krzysztof Piatek (24), Dodi Lukebakio (21), Matheus Cunha (20). Im Winter tätigt die Hertha Transfers für rund 80 Millionen Franken. Grosse Talente kommen in die Hauptstadt. Das Ziel ist klar, der Kampf um die oberen Plätze ist lanciert.

Die Fans sind wütend

Doch was zunächst gut läuft, endet abrupt. Ein 0:4 gegen Bayern München Ende Januar markiert den Anfang vom Ende. Kurz darauf scheidet Berlin gegen Schalke aus dem Pokal aus, dann folgt gegen Abstiegskandidat Mainz ein 1:3. Drei Tage später tritt «Klinsi» zurück. Mit einem Post auf Facebook kündigt er seinen Abgang an. Die Klub-Führung wird vom Entscheid überfahren.

Auch vom Interview in der «Bild» wissen viele nicht, was sie halten sollen. Plötzlich spricht der Super-Trainer von einem «Himmelfahrtskommando», dabei lobte er nur einen Tag zuvor in einem Livestream die Mannschaft als «motiviert» und betonte einmal mehr, wie sehr er sich freue, dabei zu sein.

Nun also plötzlich ein «Himmelfahrtskommando». Eines, das Klinsmann erst Wochen zuvor noch von der europäischen Königsklasse träumen liess. Die Fans sind wütend, sehen in ihrem einstigen Helden einen Blender. Auf den sozialen Medien lassen die Fans ihrer Wut freien Lauf:

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Tatsächlich sind die Aussagen, die Klinsmann innert wenigen Tagen tätigt, stark widersprüchlich.

Kommt Kovac oder übernimmt Gämperle?

Der grosse Traum wird zu einem Albtraum. Die Hertha steht vor einem Scherbenhaufen. Wie es weitergehen soll, ist offen. Die Wut auf Klinsi, sie ist gross. Der Traum von den europäischen Plätzen ist geplatzt, stattdessen steht Abstiegskampf an.

Nun soll ein neuer Trainer das Ruder herumreissen. Der grosse Wunsch-Coach in der Hauptstadt: Niko Kovac (48). Der ehemalige Hertha-Spieler und Bayern-Coach könnte an seine frühere Wirkungsstätte zurückkehren. Doch deutsche Medien wollen erfahren haben: Daraus wird nichts. Kovac stehe derzeit nicht zur Verfügung, wolle in dieser Saison keinen Trainerposten mehr übernehmen.

Und Harry Gämperle (51)? Der Schweizer, bis Ende der vergangenen Saison Co-Trainer bei YB, steht seit dem Sommer bei der Hertha unter Vertrag. Als Assistent von Ante Covic (44) war er bis im November regelmässig zu sehen. Seit Klinsmanns Übernahme war Gämperle nur noch im Hintergrund, besitzt aber nach wie vor einen Vertrag. Dass er nun neuer Cheftrainer wird, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich.

Die Klubführung muss sich äusserst zeitnah nach einer Lösung umsehen. Mitte Mai ist die Saison in der Bundesliga zu Ende. Das Ziel intern dürfte nun lauten: Keine Relegation, kein Abstieg. Der Klassenerhalt hat oberste Priorität. Dafür hat die Hertha nun etwas mehr als 76 Tage Zeit.

76. Die Zahl dürfte nun noch etwas länger in den Köpfen der Berliner Fans herumgeistern. (zis)

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Bayern München
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Borussia Dortmund
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RB Leipzig
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1. FC Heidenheim 1846
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Bayer Leverkusen
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Eintracht Frankfurt
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SC Freiburg
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Werder Bremen
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Union Berlin
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VfB Stuttgart
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FC Augsburg
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VfL Wolfsburg
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Borussia Mönchengladbach
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TSG Hoffenheim
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FSV Mainz
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VfL Bochum
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FC St. Pauli
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Holstein Kiel
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