Für Gaëlle Thalmann könnte jedes Spiel das letzte sein
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Die ewige Nummer 1:Für Gaëlle Thalmann könnte jedes Spiel das letzte sein

Karriereende mit WM-Coup?
Einfach Gaga! Nati-Goalie spielte schon bei 16 Klubs

Die Nati ist an der WM noch ohne Gegentor. Das liegt auch an Gaga Thalmann (37), die gegen Norwegen überragend hält. Die langjährige Nummer 1 kämpft im Spiel gegen Neuseeland um die Verlängerung ihrer Karriere, denn nach der WM ist Schluss.
Publiziert: 30.07.2023 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 30.07.2023 um 07:31 Uhr
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Es ist Ende Juni in Yverdon. Die Nati bereitet sich auf die WM vor. Noch hat sich Inka Grings (44) offiziell nicht festgelegt, wer ihre Nummer 1 an der WM sein wird, doch ihre Aussagen lassen keine Zweifel übrig, dass es Gaëlle Thalmann (37) sein wird.

Diese spricht davon, dass sie auch nächste Saison in Sevilla spielen wird. Sie flunkert, denn kurz vor der Abreise nach Neuseeland wird klar, dass Thalmann ab September beim FC Lugano als Head of Women Soccer und als Goalie-Trainerin eingestellt wird. Bereits vor einem Jahr in der Vorbereitung habe sie gespürt, dass es womöglich ihre letzte Saison sein könnte, sagt Thalmann nach ihrer Ankunft in Neuseeland. Dieser Gedanke habe sich dann während der Saison verfestigt. Zu ihrem zukünftigen Arbeitgeber will sie aber nichts sagen. Ihr Fokus gilt der WM.

Mit Thalmann tritt eine schillernde Figur ab. Sie gehört zu jener Generation an Nati-Spielerinnen, die den Frauenfussball dank den Turnier-Teilnahmen in der breiten Öffentlichkeit salonfähig gemacht hat. «Sie ist ein absoluter Winnertyp und sehr ehrgeizig, auf und neben dem Platz», sagt Lia Wälti über ihre langjährige Nati-Kollegin. Dies bestätigt auch Noelle Maritz: «Auch im Brändi Dog will Gaga immer gewinnen.» Der Ehrgeiz hat Thalmann weit gebracht. Ein Rückblick auf ihre Karriere:

Ehrgeizig auf und neben dem Platz: Gäelle Thalmann.
Foto: Getty Images
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16 Klubs in 4 Ländern

Zwei Jahrzehnte dauert die Karriere von Thalmann an. Ein Highlight will sie nicht herauspicken. «Zum Glück gab es einige», sagt sie. Sie spielt in 16 verschiedenen Klubs in vier verschiedenen Ländern, gewinnt in Deutschland, Italien und der Schweiz den Meistertitel. Mehr als zwei Saisons in Folge hält sie es aber nirgends aus. Die Konstanz in Person ist sie dafür in der Nati. Seit ihrem Debüt 2007 absolviert sie 107 Spiele. An ihr gibt es kein Vorbeikommen, an allen grossen Turnieren steht sie im Tor. Besonders in Erinnerung bleibt das Playoff-Spiel 2021 gegen Tschechien, als sie mit zwei Penalty-Paraden der Nati das Ticket für die EM in England sichert. «Nach zwei abgewehrten Penaltys ist man keine Heldin, da tun andere Menschen viel, viel Wichtigeres», so Thalmann, die den Sieg mit Wasser feiert.

Die WM 2015

Thalmann gewinnt nach einem Kreuzbandriss den Wettlauf gegen die Zeit und steht bei der Schweizer WM-Premiere in Vancouver gegen Weltmeister Japan im Tor. Sie verschuldet den Penalty, der zum einzigen Treffer und damit zur Niederlage führt. Danach ist die Keeperin so angefressen, dass sie der Konfrontation mit den Journalisten aus dem Weg geht. Die Nati schafft trotz zwei Pleiten in der Vorrunde den Sprung in die Achtelfinals, scheitert dort aber an Gastgeber Kanada (0:1). «Kanada war eine gute Erfahrung», sagt Thalmann. Seither sei aber alles grösser und professioneller geworden: das Umfeld, die Organisation, die Teilnehmerzahl.

Ihre EM-Flops

Auch an den beiden EM-Endrunden kommt Thalmann nicht ohne Fehler durch. Besonders bitter ist ihr Fehlgriff 2017 in Holland gegen Frankreich, als die Schweiz durch einen haltbaren Freistoss kurz vor Schluss das 1:1 kassiert und dadurch nach der Vorrunde die Heimreise antreten muss. «Es war ein Handfehler, ich wollte den Ball drüber lenken», sagt Thalmann zur entscheidenden Szene. «Wenn man als Goalie einen Fehler macht, bedeutet das leider ein Gegentor.» Auch fünf Jahre später schnuppert die Nati an der Überraschung, ehe sie im entscheidenden Gruppenspiel gegen Holland in der Schlussphase noch mit 1:4 untergeht. Auch da macht Thalmann nicht immer eine gute Figur.

Ihr Spitzname Gaga

Der Spitzname passt bei der Freiburgerin wie die Faust aufs Auge, schliesslich wird fast allen Torhütern dieser Welt nachgesagt, sie hätten eine Macke. «Sie ist, wie sie ist. Goalies sind immer speziell», sagt Nati-Teammanagerin Caroline Abbé. Den Übernamen Gaga kriegt Thalmann aber schon während ihrer Kindheit verpasst. «Meine jüngere Cousine konnte Gaëlle nicht aussprechen und schon wars passiert», erklärt Thalmann 2021 gegenüber Blick. Als Mädchen schwärmt sie, die 1986 geboren ist, für Buffon, Maldini und Zidane. Weibliche Vorbilder im Fussball gibts in ihrer Kindheit praktisch noch keine.

Ihr Charakter

Abbé kennt Thalmann gut und ist ihr freundschaftlich verbunden. Als «diszipliniert, ordentlich, konzentriert», beschreibt sie ihre langjährige Zimmerkollegin in der Nati. «Wir beide waren das pure Gegenteil. Sie war sehr ordentlich, ich das Chaos. Sie die Früh-, ich die Spätaufsteherin.» Thalmann sei über die Jahre reifer geworden und hätte durch ihre vielen Klubwechsel auch sehr viel von verschiedenen Goalie-Trainern mitgenommen. «In den letzten zwei Jahren hat sie sich sehr positiv entwickelt», so Abbé. Den Vorwurf eines schwierigen Charakters lässt sie nicht gelten: «Man muss sie nehmen, wie sie ist. Und sie hat sich immer angepasst.»

In Neuseeland bleibt Thalmann bislang tadellos. Gegen die Philippinen hat sie Glück, dass ein Offside-Treffer der Philippinen nicht zählt, als sie aus dem Tor eilt, aber zu spät kommt. Gegen Norwegen ist sie eine Bank und hält mit drei starken Paraden den Punkt fest. Die Kolleginnen sind begeistert. «Sie gibt Feuer von hinten, vor allem der Viererkette. Das tut dem Team gut. Wir sind froh, dass sie zwischen den Pfosten steht», sagt Noelle Maritz.

Auch gegen Neuseeland will Thalmann wieder ein starker Rückhalt sein. Dass es ihr letztes Spiel sein könnte, blendet sie aus. Ihr Ziel ist es, ihre Karriere mit einem Sieg abzuschliessen. Dies würde bedeuten, dass die Nati Weltmeister wird. «Ich weiss, dass die Wahrscheinlichkeit sehr klein ist, aber träumen darf man.» Zumindest ein bisschen Gaga darfs zum Abschluss schon sein.

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