Darum trinkt Nati-Stürmerin vor der Periode kein Kaffee
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Zyklus orientiertes Training:Darum trinkt Nati-Stürmerin vor der Periode kein Kaffee

«Die Tabuisierung muss weg»
Wie der Monatszyklus die Nati beeinflusst

Was hat der weibliche Monatszyklus für einen Einfluss auf den Spitzensport? Einen sehr grossen. In der Nati ist Zyklus-orientiertes Training zum Standard geworden.
Publiziert: 24.07.2023 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2023 um 10:32 Uhr
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Meriame Terchoun (27) spricht offen über ihren Monatszyklus und dessen Einfluss auf ihren Alltag als Fussballerin. So macht sie kein Geheimnis daraus, dass bei ihr ausgerechnet am Freitag, am Tag des WM-Startspiels gegen die Philippinen, die Menstruation einsetzte. «Ich dachte am Morgen: Das kann jetzt doch nicht wahr sein», so Terchoun.

Inzwischen weiss sie aber mit einer solchen Situation umzugehen. Denn schon in den Tagen zuvor bereitet sie ihren Körper darauf vor, damit die Symptome, wenn die Regel einsetzt, weniger stark sind. Sie braucht in diesen Tagen mehr Erholung, mehr Schlaf. Und sie nimmt vermehrt entzündungshemmende Nahrungsmittel wie Nüsse und Beeren zu sich. Auf Kaffee verzichtet Terchoun, trinkt dafür Tee. Die Kopfschmerzen, die sie jeweils verspürt, werden dadurch deutlich gelindert.

Know-how aus dem anglo-amerikanischen Raum

Im Trainingsalltag werden vier Phasen des weiblichen Zyklus unterschieden. Der Beginn der Menstruation läutet die erste Phase ein. Die Phasen zwei und drei sind vor und nach dem Eisprung, die letzte vor der Menstruation.

Meriame Terchoun spricht offen über ihren Menstruationszyklus.
Foto: keystone-sda.ch
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Je nach Phase, in der sich eine Spielerin befindet, werden die Ernährung, die Regeneration und die Belastung angepasst. So gibt es verschiedene Smoothies mit unterschiedlichen Nährstoffen und Vitaminen, die die Spielerinnen je nach Befindlichkeit brauchen. Oder im Kraftraum wird eine Serie weniger gemacht. Oder bei Stop-and-go-Bewegungen auf zu viele Richtungswechsel verzichtet.

«Peformen kann man aber in jeder Phase», sagt Mélanie Pauli (43). Seit der Ankunft der Athletiktrainerin im Schweizerischen Fussballverband im Jahr 2019 hält Zyklus-orientiertes Training auch in der Nati Einzug. «Ja, ich bin die Schuldige», sagt Pauli mit einem Lachen. Sie ist tief in der Materie drin. In Grossbritannien gibt es Wissenschaftlerinnen, die sich seit 20 Jahren damit beschäftigen. Auch mit Dawn Scott, Athletiktrainerin der US-Frauen an der WM 2019, steht Pauli in regem Austausch.

Pauli spricht mit Begeisterung, wenn sie über das Zyklus-orientierte Training spricht. Als Athletin habe sie sich nie mit diesem Thema befasst. Erst später, als sie sich mit Verletzungsprävention beschäftigte und sie immer wieder auf die Problematik mit den Kreuzbandverletzungen stiess, begann sie sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. «Spätestens dann kommst du auf die Idee, dass dies mit dem Monatszyklus zusammenhängen könnte.»

Zusammen mit Nils Nielsen (51) nimmt sie im Hinblick auf die EM in England das Projekt in Angriff. Anhand einer App (Fitrwoman), in der die Spielerinnen regelmässig ihre Befindlichkeit dokumentieren, kann Pauli die Daten kontrollieren.

Das Ziel ist, dass sich die Spielerinnen besser fühlen, sie ihre bestmögliche Leistung abrufen können und Verletzungen reduziert werden. «Der Körper braucht aber mindestens drei Monate, um sich dem Ganzen anzupassen», so Pauli, die in den Nachwuchszentren bereits die Elf- und Zwölfjährigen für das Thema sensibilisiert.

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Enttabuisierung ist wichtig

Für Pauli sind drei Dinge wichtig. Erstens: dass die Spielerinnen in ihrem sportlichen Umfeld über ihren Monatszyklus und ihr Wohlbefinden sprechen. «Die Tabuisierung muss weg.» Zweitens: das Monitoring. Die Informationen über Befindlichkeiten und Symptome müssen gesammelt werden. Drittens: Aus diesen Daten kann jede Spielerin in Rücksprache mit dem Staff eine Strategie entwickeln, wie sie damit umgeht. «Sie sollen einen Schlüssel erhalten, damit sie die Türe öffnen können», sagt Pauli.

Calligaris wieder fit

Im Schweizer Camp ist die Stimmung nach dem Auftaktsieg verständlicherweise gut und entspannt – trotz des schlechten Wetters, das seit zwei Tagen in Dunedin herrscht. Gute Laune hat auch wieder Viola Calligaris (27), die ins Mannschaftstraining zurückgekehrt ist. Die PSG-Verteidigerin hatte gegen die Philippinen noch wegen muskulären Problemen gefehlt.

Die Schweiz reist am Montag nach Hamilton (Neus), wo sie am Dienstag das zweite Gruppenspiel gegen Norwegen bestreitet. Für die Skandinavierinnen mit den Stars Ada Hegerberg (28) und Caroline Graham Hansen (28) ist es bereits ein Endspiel. Verlieren die Norwegerinnen nach dem 0:1 gegen Neuseeland auch gegen die Nati, müssen sie so gut wie sicher nach der Vorrunde die Heimreise antreten. Die Nati hingegen ist mit einem weiteren Sieg praktisch sicher in den Achtelfinals.

Im Schweizer Camp ist die Stimmung nach dem Auftaktsieg verständlicherweise gut und entspannt – trotz des schlechten Wetters, das seit zwei Tagen in Dunedin herrscht. Gute Laune hat auch wieder Viola Calligaris (27), die ins Mannschaftstraining zurückgekehrt ist. Die PSG-Verteidigerin hatte gegen die Philippinen noch wegen muskulären Problemen gefehlt.

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Eine, die sofort auf das Thema angesprochen hat, ist Terchoun. Ein dritter Kreuzbandriss war der Wendepunkt in ihrer Karriere. Seither befasst sie sich stark mit der Materie. «Das Ganze hat mein Leben auf den Kopf gestellt – im positiven Sinn. Seither fühle ich mich gesund, bin fit und kaum noch verletzt.» Inzwischen kennt sie ihren Körper viel besser als früher. Ihre Erfahrung gibt sie auch an Jüngere weiter und thematisiert das Thema in ihrem Alltag in Dijon (Fr). «Wir haben in der Nati einen Riesenschritt gemacht, global kann sich aber noch einiges tun.»

Wie das Ganze gehandhabt wird, ist sehr individuell. Nicht alle haben die gleichen Beschwerden, nicht alle nehmen Verhütungsmittel, die in der Regel die Symptome abschwächen, nicht alle reagieren auf äussere Einflüsse gleich. Was aber gilt: In den Phasen zwei und drei, wenn die Frauen am meisten Energie haben, müssen die hinteren Muskelketten – Gesäss, Oberschenkel, Wade – besonders aktiviert werden, weil die Bänder laxer werden. «Das ist die geilste Phase», sagt Terchoun. «Denn dann sind alle mega gut drauf und geben Gas.» Spätestens am Sonntag wird Terchoun in dieser Phase sein. Dann bestreitet die Schweiz ihr letztes und womöglich entscheidendes Vorrundenspiel gegen Neuseeland.

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