Ösi-Trainer in der Kritik
Sind Sie gescheitert, Herr Koller?

«Geheimfavorit» Österreich ist an der EM schon vor den Achtelfinals ausgeschieden. Mittendrin: Der Schweizer Trainer Marcel Koller.
Publiziert: 23.06.2016 um 12:41 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 08:41 Uhr
Raphael Bischof und Alain Kunz

Die Erwartungen waren riesig. Die Skination Österreich, angeführt von einem Schweizer, wollte an der EM Fussball-Grossmächten wie Portugal, Italien oder Deutschland das Fürchten lehren. 

Daraus wird nichts. Nach der 1:2-Pleite gegen Fussballzwerg Island vom Mittwoch ist klar: Die vor dem Turnier hochgelobten Österreicher sind schon draussen. Ein einziges Törchen brachte man in drei Spielen zu Stande.

Das reicht nicht. Und plötzlich muss sich Erfolgstrainer Marcel Koller kritischen Fragen stellen. Die Schweizer kürten noch im Dezember ihn und nicht etwa Nati-Coach Vladimir Petkovic zum «Trainer des Jahres». Während Petkovic in den Medien nicht gut wegkam, wurde Koller euphorisch als «Wunderwuzzi» gefeiert.

Früher Abgang: Koller und seine Ösis sind an der EM schon draussen.
Foto: Getty Images
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Jetzt ist alles anders. Petko und die Schweiz träumen vom EM-Final. Die Ösis lecken ihre Wunden.

Sind Sie gescheitert, Herr Koller? «Nein», meint der 55-Jährige Zürcher. Die EM sei eine «wertvolle Erfahrung» gewesen.

In Österreich, wo Koller unlängst verlängert hat, ärgert man sich derweil über die verpasste Chance. «Hat Koller die Euro verspielt?» fragt sich das Internetportal «oe24.at». Die Ösis regen sich vor allem darüber auf, dass ihr Trainer für das alles entscheidende Island-Spiel plötzlich ein neues System aus dem Hut zauberte – und scheiterte (siehe Interview unten).

Auch die Rolle von Superstar Alaba, der auf der ganzen Linie enttäuschte, wird heiss diskutiert. Koller hatte ihn auf einer neuen, offensiveren Position gebracht.

Und: Nicht wie erwartet hat Alaba den Penalty gegen Island getreten, sondern dessen Kumpel Dragovic. Diesem versagten bekanntlich die Nerven.

Koller muss seine Ösis nun wieder aufrichten. Die WM-Quali steht vor der Tür.

Und Petkovic? Der steht plötzlich in einem viel besseren Licht. Putzt die Schweiz am Samstag die Polen, steht er im EM-Viertelfinal. Dann ist alles möglich. Der Wind hat gedreht.

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MARCEL KOLLER IM INTERVIEW

Wie sieht Ihre EM-Bilanz aus?
Wir hatten in der ersten Halbzeit gegen Island zu viele Abspielfehler, wie in den beiden Spielen zuvor. Erst in der zweiten spielten wir so wie in der Qualifikation. Nur eine gute Halbzeit reicht leider nicht. Dennoch haben wir wertvolle Erfahrungen sammeln können. Die EM hat gezeigt, dass man absolut topfit sein muss, um mithalten zu können. Wenn nur 62 Prozent der Bälle ankommen, wenn es normal 85 Prozent sind, dann wird es schwierig. Wenn man sechs, sieben Torchancen vergibt wie gegen Ungarn erst recht.

War die Erwartungshaltung zu hoch?
Die haut halt schon über den Deckel, wenn man nur die eigene Mannschaft kennt und die anderen nicht. Ich habe sie zu dämpfen versucht, weil ich halt viele Spiele sehe, weil ich genau weiss, wer Qualität hat.

Was war ihr Plan für die erste Halbzeit mit einem neuen System und ohne einen einzigen gelernten Stürmer?
Ich sehe Sabitzer und Arnautovic sehr wohl als Stürmer. Dass die erste Halbzeit schlecht war, lag aber nicht am System, sondern an unserer Hektik und an der Nervosität und daran, dass wir nicht gut kombiniert haben.

In der zweiten Halbzeit, die viel besser war, sind sie aber von der Dreierabwehr abgekommen, sind zurück zum alten System gekehrt und haben echte Stürmer gebracht.
Es war in dieser zweiten Halbzeit auch das einzige Mal, dass es funktioniert hat. Wie gesagt: Das lag nicht am System. Ich habe Marc Janko gebracht, obwohl er eigentlich nicht die nötige Matchfitness hat. Und wenn zehn Mann wie eine isländische Mauer hinten hineinstehen, dann ist es schwierig.

Warum hat Dragovic den Penalty geschossen? Ist nicht Alaba der Standardschütze?
Ich habe diese beiden vor dem Spiel als Schützen bestimmt. Sie sollten dann abmachen, dass derjenige schiesst, der sich besser fühlt. Drago hat die Verantwortung übernommen.

Wie erklären sie sich, dass die österreichischen Spieler nervöser waren als sogar Spieler von EM-Neulingen?
Das hat sehr viel mit der Person zu tun. Wenn du unsicher bist, machst die Dinge, sie sich als falsch erweisen.

Sehen Sie dieses frühe Aus auch als persönliches Scheitern?
Nein, es ist auch für mich eine Erfahrung, die ich mit der Mannschaft zusammen gesammelt habe.

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