Grichting über Schande von Istanbul
«Meine Harnröhre schmerzt auch heute noch»

Das Schweizer EM-Spiel gegen die Türkei am Sonntag weckt Erinnerungen an die Schande von Istanbul 2005. Ex-Nati-Verteidiger Stéphane Grichting hat es damals am übelsten erwischt.
Publiziert: 18.06.2021 um 17:21 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2021 um 17:24 Uhr
Ugo Curty

Ausgerechnet die Türkei. Am Sonntag gehts für die Schweiz um die Achtelfinal-Quali an der EM. Auch vor 16 Jahren gings für die Nati gegen die Türkei um alles. Bei der Schande von Istanbul holt sich das Team von Köbi Kuhn das WM-Ticket, doch mussten dann vor den ausrastenden Türken in die Kabine sprinten, wo ein wütender Mob wartete.

Verteidiger Stéphane Grichting (42) wurde von hinten im Schritt getroffen und schwer verletzt. Der Walliser, der 2015 seine Karriere beendete, hat diesen Abend in Istanbul nicht vergessen.

Blick: Bei der Affiche Schweiz – Türkei denken wir immer an Sie.
Stéphane Grichting:
Ich möchte diese Erinnerungen nicht immer wieder hervor holen. Aber diese Momente sind in meinem Gedächtnis eingraviert, genauso wie sie sich im Gedächtnis der Generation eingraviert haben, die die Ereignisse damals erlebt hat.

Stéphane Grichting: Der frühere Nati-Verteidiger leidet bis heute an den Nachwirkungen der Schande von Istanbul.
Foto: Sven Thomann
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Ist sie auch in ihrem Körper eingraviert?
Ganz und gar. Es gibt oberflächliche Narben. Aber es gibt auch andere, die schwer heilen, sowohl in meinem Körper als auch in meinem Kopf. Meine Harnröhre wurde durchgetrennt. Selbst heute habe ich noch Nachwirkungen. Ich habe im Alltag immer noch Schmerzen und Beschwerden.


Stört es Sie, dass die Leute immer noch über dieses Spiel reden wollen?
Nein, ich will die Geschichte nicht verleugnen. Mein Name wird immer mit diesem Spiel verbunden sein. Aber natürlich spreche ich lieber über glücklichere Erinnerungen, vor allem über Fussball.

Haben Sie sich das Spiel seit 2005 jemals wieder angesehen?
Nein, ich will es nicht noch einmal erleben. Ich erinnere mich nur daran, dass wir uns an diesem Abend für die WM qualifiziert haben. Aber ich habe nicht vergessen, dass die Türkei uns bei der Euro 2008 rausgeschmissen hat. Wir haben also noch eine Rechnung offen.

Glauben Sie, dass die Achtelfinal-Quali ein Meilenstein für die aktuelle Nati sein könnte?
Ja, das war auch 2005 der Fall, nachdem wir uns qualifiziert hatten. Wir befanden uns in einem Generationenwechsel. Das hat das Team über alle Unterschiede hinweg durch verbunden. Von der aktuellen Nationalmannschaft wird schon seit einigen Jahren viel erwartet. Man hält sie zu Recht für sehr talentiert, aber man will immer mehr. Am Sonntag werden sie etwas mehr Kampfgeist zeigen müssen, um weiterzukommen.

Ähnlich wie 2005 wirds mit rund 30´000 türkischen Fans ein hitziges Auswärtsspiel. Doch kann das auch Xhaka und Co. zu Höchstleistungen anstacheln?
Das Stadion wird die Türkei sehr unterstützen. Hinzu kommt, dass die Schweiz zwischen Baku und Rom hin und her fliegen musste, während die Türken einen vorteilhafteren Spielplan haben. Aber unabhängig von den Reisen und unabhängig von der Atmosphäre muss die Nati jetzt abliefern und gewinnen. Denn wer Italien unterliegt und Wales und die Türkei nicht besiegt, gehört man nicht unter die Top-16 Europas.

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