Der Tag danach in Frankreichs Hauptstadt
Eiffelturm zu – Parade abgesagt

Am Montag nach dem niederschmetternden Final herrscht in Paris wieder Normalität. Der einzige, der immer noch weint, ist der Eiffelturm.
Publiziert: 11.07.2016 um 18:08 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 08:05 Uhr
Alain Kunz, Paris

Sie schleichen wie Zombies in die Metro. Nachts um zwei kehren die letzten aus dem Stade de France oder eine der Fanzonen zurück nach Hause, vom Spiel, von dem sie sich so viel erhofften – und dann so bitter enttäuscht wurden.

Denn dass dieses Spiel verloren gehen konnte, das leuchtete nicht ein. «Völlig unverständlich», sagt auf Equipe21-TV der Ex-Internationale Johan Micoud. «Und unverzeihlich. Wir haben doch die viel bessere Mannschaft als diese biederen Portugiesen. Dann fällt noch deren bester Mann aus. Und wir kriegens dennoch nicht auf die Reihe.» Dass so ein durchschnittliches Team wie Portugal gewonnen habe, sei halt sinnbildlich für diese mittelmässige Euro, so der Grundtenor. Redaktions-Direktor Jérôme Cazadieu in seinem Leitartikel: «Es ist nun mal so im Fussball, dass man nicht die bessere Mannschaft sein muss, um zu gewinnen.»

Die «Equipe» zeigt auf der Front Paul Pogba, wie er sein Gesicht unter dem Shirt vergräbt, und titelt: «Accablés!». Was in diesem Zusammenhang so viel heisst wie niedergeschlagen. «Le Parisien» bleibt ganz profan: «Es war nicht unser Tag», titelt das Blatt und Weltmeister Christophe Dugarry stellt fest, wie komisch Fussball sein kann: «Alle sagten, Portugal könne ohne Ronaldo nicht gewinnen. Der Rest sei zu durchschnittlich. Und dann gewinnen die den EM-Final – ohne Ronaldo...»

Nachts um zwei kehren die letzten aus dem Stade de France oder eine der Fanzonen zurück nach Hause, vom Spiel, von dem sie sich so viel erhofften – und dann so bitter enttäuscht wurden.
Foto: Dukas
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Kaum ein Thema ist die Aktion von Dimitri Payet, die zum Out des Superstars führte. «Warum auch?», fragt Equipe-Fussballchef Lionel Dangoumau. «Es war vielleicht ein Foul, vielleicht auch nicht. Jedenfalls eine Dutzendszene, die keines grossen Artikels würdig ist. Ein Top-Schiri hat bei uns die Szene genau so erläutert. Mehr braucht es da nicht.» Wenn es nun so weit gehe, dass man von einer Aggression und sogar Tätlichkeit spreche, dann sei das reine Ronaldo-Fan-Blindheit. «Man darf solch eine Aktion niemals an den Folgen messen», so Dangoumau.

Am meisten erstaunt dürften gestern indes Euro-ahnungslose Paris-Touris aus China, Indien oder woher-auch-immer gewesen sein, die auf ihrem Tagesplan den Besuch der Weltberühmtheit Eiffelturm hatten. Denn dort stand: «Tour Eiffel fermé». Die Folge von Ausschreitungen rund um die Fanzone Champ de Mars neben dem Wahrzeichen von Paris im Nachgang des Finals. Danach sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Der Montag musste zum Aufräumen eingesetzt werden.

Und das Team? Spieler und Coach Didier Deschamps wurden um 13 Uhr im Elysée-Palast von Staatschef François Hollande bei einem Dinner unter freiem Himmel getröstet. Aber eine Parade durch Paris gabs nicht. Die Aufkleber «Champions d’Europe 2016» am dafür vorgesehenen offenen Bus konnten wieder entfernt werden. Dumm nur, dass der Bus da bereits fotografiert worden war...

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