Ex-Fifa-Schiedsrichter Urs Meier
«Absolute Sicherheit haben wir auch mit Video nicht»

Der Videobeweis beim Confed Cup erhitzt die Gemüter. Der frühere Spitzenref Urs Meier verlangt mehr Transparenz und warnt gleichzeitig vor zu hohen Erwartungen.
Publiziert: 19.06.2017 um 20:15 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:52 Uhr
Martin Arn

Tor oder kein Tor? Viermal kam der Videobeweis beim Confed Cup bisher zum Einsatz. Für Verwirrung sorgte dabei vor allem der hauchdünne Offside-Entscheid im Spiel Chile – Kamerun. Die Chilenen jubelten kurz vor der Pause über den vermeintlichen Führungstreffer durch Vargas und waren dann ziemlich ausser sich, als die Video Schiedsrichter das Tor annullierten. Vidal und Co. motzten wohl auch deshalb so lautstark, weil die Abseitsstellung auf der Stadionanzeige nicht eingeblendet wurde.

Der ehemalige Spitzenref Urs Meier sagt: «Der Videobeweis funktioniert. Das ist das Positive. Aber er muss transparenter und schneller kommuniziert werden. Spieler und Zuschauer müssen innert nützlicher Frist wissen, weshalb ein Entscheid so und nicht anders gefällt wurde.»

Meier, seit 12 Jahren Regelexperte beim ZDF, hat allerdings «oft genug selber erlebt, dass man auch mit Videos nicht immer jede Situation eindeutig analysieren kann. Es kommt drauf an, welche Bilder, welche Einstellungen zur Verfügung stehen.»

Hauchdünn: Der Offside-Entscheid bei Chile - Kamerun.
Foto: Screenshot SRF

Meier weiter: «Es kam öfters vor, dass der Reporter vor Ort von mir wissen wollte: ‹Was war denn nun?›, und ich ihn vertrösten musste, weil ich mir noch weitere Kameraeinstellungen ansehen musste.» Ohnehin sei es so, dass man auch in Zukunft mit Fehlern leben müsse: «Es gibt einen Graubereich. Wird das Bild im richtigen Moment angehalten? Stimmt der Winkel der Kameraeinstellung? Eine absolute Sicherheit haben wir auch mit dem Videobeweis nicht.»

Wichtig für Meier: «Es darf nicht in jedem Spiel 5 oder 6 Videokonsultationen geben. Der Videobeweis soll eine Art Airbag sein, der im Zweifelsfall eine gewisse Sicherheit gibt. Der Schiedsrichter auf dem Platz soll aber weiterhin der Spielleiter bleiben. Denn wenn der Ref ein halbes Dutzend Mal auf technische Unterstützung angewiesen ist, dann ist er ganz offensichtlich nicht auf der Höhe.»

Meier fordert zudem Zurückhaltung bei der Kritik am Videobeweise: «Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Versuchsphase ist. Bisher wurde erst getestet. Es fehlt die Routine, sowohl bei den Video-Schiedsrichtern als auch bei den Refs auf dem Feld.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
6 heisse Fragen zum Video-Beweis

1. Wann greift der Video-Schiri ein?
Wenns wirklich spielentscheidend ist! Bei Toren, Penaltys, Platzverweisen oder Spielerverwechslungen. Drei Video-Schiris haben Zugriff auf die Bilder aller TV-Kameras und melden sich via Funk sofort beim Schiri auf dem Platz, wenn ihnen eine Szene überprüfenswert vorkommt. Nicht aktiv wird der Video-Schiri bei Gelben Karten (weils zu oft verkommt). Und bei Handspielen (weil nicht immer klar ist, ob ein Handspiel absichtlich war oder nicht).

2. Funktioniert der Video-Beweis?
Ja, die Kamera lügt selten, allfällige Fehlentscheidungen werden meistens korrigiert. Am Sonntag beim Confed Cup muss der Video-Schiri insgesamt viermal ran, in ­allen Fällen wird am Ende richtig entschieden.

3. Warum gibts trotzdem Wirbel?
Weil manche Szenen selbst mit TV-Bildern sehr schwer zu erkennen sind. Abseits oder nicht? Nicht selten gehts um Millimeter. Ein anderer Kritikpunkt ist die Frage, wann der Video-Beweis eingesetzt wird und wann nicht, oft sind die Entscheidungen der Video-Schiris fragwürdig. Zudem dauert es manchmal eine halbe Ewigkeit bis klar ist, ob ein Treffer nun zählt oder nicht, ob es ein Foul war oder nicht, ob es Offside war oder nicht.

4. Kommt der Video-Beweis an der WM 2018 zum Einsatz?
Noch befindet sich das Ganze in der Testphase. Ob der Video-Beweis auch im kommenden Jahr an der Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) eingesetzt wird, ist noch nicht entschieden. Grundsätzlich ist bisher das Echo auf aber positiv.

5. Wie halten es andere Länder mit dem TV-Beweis?
In Europa wird der Video-Beweis bislang nur im holländischen Cup eingesetzt, andere Länder wie Italien oder Portugal prüfen den Video-Beweis ebenfalls. Der europäische Fussballverband, die Uefa, will hingegen (noch) nichts davon wissen, in der Champions League ist die Technik bislang kein Thema.

6. Gibts noch Diskussionen am Stammtisch, wenn der Video-Beweis kommt?
Ja. Zwar würde man nicht mehr über das legendäre Wembley-Tor von 1966 sprechen, wenn es den Video-Beweis schon immer gegeben hätte, doch die Diskussionen nach den Spielen werden immer Teil des Fussballs sein. Zu emotional ist dieser Sport.

1. Wann greift der Video-Schiri ein?
Wenns wirklich spielentscheidend ist! Bei Toren, Penaltys, Platzverweisen oder Spielerverwechslungen. Drei Video-Schiris haben Zugriff auf die Bilder aller TV-Kameras und melden sich via Funk sofort beim Schiri auf dem Platz, wenn ihnen eine Szene überprüfenswert vorkommt. Nicht aktiv wird der Video-Schiri bei Gelben Karten (weils zu oft verkommt). Und bei Handspielen (weil nicht immer klar ist, ob ein Handspiel absichtlich war oder nicht).

2. Funktioniert der Video-Beweis?
Ja, die Kamera lügt selten, allfällige Fehlentscheidungen werden meistens korrigiert. Am Sonntag beim Confed Cup muss der Video-Schiri insgesamt viermal ran, in ­allen Fällen wird am Ende richtig entschieden.

3. Warum gibts trotzdem Wirbel?
Weil manche Szenen selbst mit TV-Bildern sehr schwer zu erkennen sind. Abseits oder nicht? Nicht selten gehts um Millimeter. Ein anderer Kritikpunkt ist die Frage, wann der Video-Beweis eingesetzt wird und wann nicht, oft sind die Entscheidungen der Video-Schiris fragwürdig. Zudem dauert es manchmal eine halbe Ewigkeit bis klar ist, ob ein Treffer nun zählt oder nicht, ob es ein Foul war oder nicht, ob es Offside war oder nicht.

4. Kommt der Video-Beweis an der WM 2018 zum Einsatz?
Noch befindet sich das Ganze in der Testphase. Ob der Video-Beweis auch im kommenden Jahr an der Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) eingesetzt wird, ist noch nicht entschieden. Grundsätzlich ist bisher das Echo auf aber positiv.

5. Wie halten es andere Länder mit dem TV-Beweis?
In Europa wird der Video-Beweis bislang nur im holländischen Cup eingesetzt, andere Länder wie Italien oder Portugal prüfen den Video-Beweis ebenfalls. Der europäische Fussballverband, die Uefa, will hingegen (noch) nichts davon wissen, in der Champions League ist die Technik bislang kein Thema.

6. Gibts noch Diskussionen am Stammtisch, wenn der Video-Beweis kommt?
Ja. Zwar würde man nicht mehr über das legendäre Wembley-Tor von 1966 sprechen, wenn es den Video-Beweis schon immer gegeben hätte, doch die Diskussionen nach den Spielen werden immer Teil des Fussballs sein. Zu emotional ist dieser Sport.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?