Jim Ratcliffe mischt die Sportwelt auf
30-Milliarden-Mann will bei Lausanne sparen

Wenn Lausanne-Sport einen Spieler für eine Million Franken kauft, so ist das für die Challenge League horrend. Für Ineos-Besitzer Jim Ratcliffe, der sich gerade Ligue-1-Klub Nizza einverleibt, ist es Münz.
Publiziert: 16.07.2019 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 16.07.2019 um 20:39 Uhr
Alain Kunz

Der Deal ist noch nicht ganz über die Bühne. Aber fast. Am Dienstag haben die Noch-Verantwortlichen von OGC Nice, dem Olympique Gymnaste Club, Ja gesagt zum Verkauf. Nun muss der Deal noch von der Direction Nationale de Contrôle et de Gestion abgesegnet werden, welche die Finanzen der französischen Profiklubs überwacht, sowie von den Liga-Konkurrenten.

Aber es ist klar: Der Verkauf wird für rund 110 Millionen Franken über die Bühne gehen. Und dann werden chinesisch-amerikanische Geschäftsleute jubeln, die den Klub an der Côte d’Azur 2016 für 26 Millionen Franken erworben haben. Reich werden mit Fussball? Geht doch!

Nur eben: Es braucht Leute, die gigantische Investitionen tätigen können. Wie der Petrochemie-Gigant Ineos, der in Zeiten von Klimaschutz-Hype imagemässig nicht eben glänzend dasteht. Ein paar Zahlen zum Gigantismus des Lausanne-Besitzers: Jim Ratcliffe, der Mehrheitsaktionär, wird auf 12 Milliarden Franken geschätzt. Damit ist der Brexit-Befürworter und Ritter des Empire der reichste Brite und laut Forbes die Nummer 110 der Welt.

Eine Yacht von Jim Ratcliffe im Hafen von Monte Carlo.
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So verrückt diese Zahl schon ist: Damit wird Ineos nur die Nummer drei im französischen Fussball. An der Spitze steht der staatliche Investitionsfonds QSI von Katar, dem Paris Saint-Germain gehört. Seit der Übernahme des Klubs 2011 haben die Kataris 1,7 Milliarden Franken in PSG investiert. Und auch die Familie Pinault mit der Kering-Holding (Yves Saint Laurent, Gucci, Boucherin etc.), Besitzerin von Stade Rennes, ist mit einem Vermögen von 29 Milliarden Franken viel reicher als Ratcliffe. Allerdings: Das sind die Zahlen von Forbes. Andere Quellen schätzen den Engländer auf 20 Milliarden ein. Oder gar in derselben Dimension wie die Pinaults.

Lausannes Leistungsausweis ist debakulös

Als Ratcliffe 2017 Lausanne kaufte, war dies gewissermassen ein Versuchsballon. Das Fussball-Labor Waadtland sollte die Antwort liefern auf die Frage: Wie bringt man einen Fussballklub an die Spitze? Nun, Fussball ist hoch komplex. Geld alleine garantiert nicht den ultimativen Erfolg. PSG hat die Champions League immer noch nicht gewonnen, ja nicht mal einen Halbfinal erreicht.

Auf bescheidenerer Stufe gilt das auch für Lausanne, wo der Leistungsausweis gar debakulös ist: Erst stieg man aus der Super League ab. Dann verpasste man nicht nur den direkten Wiederaufstieg klar, sondern schliesslich auch den Barrageplatz, den sich Aarau schnappte.

Zurück zum Big Business. Logisch wollte Ratcliffe seine Fussball-Ambitionen zuerst in seiner Heimat befriedigen. Doch seine Versuche Manchester United oder Chelsea aufzukaufen, gingen ins Leere. So ist es eben das durchaus auch mondäne Nizza, das letzte Saison mit Platz sieben weit hinter den eigenen Ambitionen hinterherdümpelte, nachdem man Trainer Lucien Favre an Dortmund verloren hatte.

Doch auch die 110 Millionen für den Mittelmeer-Klub sind im Ineos-Imperium ein Klecks, schaut man sich Deals aus der «richtigen» Geschäftswelt näher an: Vor gut einem Monat kündigte Ineos an, gut zwei Milliarden Franken in Saudi-Arabien investieren zu wollen in einen gewaltigen Petrochemie-Komplex an drei Standorten, der neun Milliarden kosten soll.

Radsport und Segeln

Und auch in anderen Sportarten zeigte sich Ratcliffe zuletzt investitionsfreudig. Er kaufte mit Sky das erfolgreichste Radsport-Team der letzten Jahre auf, Ineos stellt mit dem letztjährigen Tour-Sieger Geraint Thomas sowie Egan Bernal, dem Gewinner der Tour de Suisse, zwei der heissesten Anwärter auf den Gesamtsieg an der Tour de France. Und der Kopf Chef des Teams ist verletzungshalber nicht mal dabei: Chris Froome, der viermal im Maillot Jaune in Paris triumphierte.

Schliesslich ist das britische Ineos-Team einer von nur vier Herausforderern von Titelverteidiger New Zealand am America’s Cup, dessen nächste Ausgabe 2021 ansteht. Grund für das sinkenden Interesse: Weil wie 2013 eine neue Bootsklasse eingeführt wurde, sind die Investitionskosten enorm. Nur noch Milliardäre können sich die Teilnahme am gigantischen Segeltörn leisten. Unter 100 Millionen Franken geht gar nichts.

Zurück zum Fussball. Derweil das Ziel mit Nizza klar definiert ist – Ineos will an die Spitze gelangen der Teams hinter dem wohl unantastbaren PSG – weiss man immer noch nicht so genau, was Ratcliffe in Lausanne vorhat. Dort hat sein Bruder Robert (Bob) im März das Präsidium übernommen, aber die Ziele wirken verschwommen.

Für Verwirrung sorgte überdies die neue Dressfarbe: Violett statt des traditionellen Blau. Ineos wollte 2017 bereits das Logo ändern, stiess aber auf derartigen Widerstand, dass man die Pläne verwarf. Sportlich? Transfers wurden bislang keine getätigt. Offenbar fehlte die Zeit wegen des Nizza-Deals. Immerhin steht das Bekenntnis von Bob Ratcliffe, das er in einem auf der Klub-Homepage publizierten offenen Brief an die Lausanne-Fans abgab: «Wir sind uns bewusst, dass einige unserer Entscheidungen eine gewisse Lustlosigkeit oder Distanz erwecken können. Als Verantwortliche haben wir die Verpflichtung, es besser zu machen, weil die Ambitionen dieselben bleiben, was auch immer passiert: Lausanne-Sport an die Spitze zu führen. Wir werden neue Dinge ausprobieren. Unser Spielstil soll erkennbar sein. Und wir müssen eine starke Mentalität kreieren.» Wirkt reichlich nach Blabla.

Trainer Contini darf bleiben

Was durchsickert: Es soll gespart und nicht mehr geklotzt werden. Niemand mehr spricht von der Europa League. Und der bei Fans und Sponsoren in Frage gestellte Trainer Giorgio Contini darf bleiben, obwohl er die Saisonziele grossartig verpasst hat. Sportchef Pablo Iglesias auch. Nur fischt der gewaltig im Trüben.

«Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass man es mir offen und ehrlich sagen soll, wenn ich ein Problem für das Projekt darstelle. Doch ich habe nichts gehört in diese Richtung. Also habe ich den Eindruck, dass man mir vertraut», so Iglesias gegenüber «Le Matin Dimanche.»

Tönt ziemlich diffus. Andere sind restlos positiv. So Alain Joseph, der Ex-Präsident, Ist ja auch logisch, war er es doch, der Lausanne-Sport an Ineos verkauft hat: «Wenn man die Perspektiven sieht mit dem neuen Stadion* und den Strukturen, die aufgebaut werden, freue ich mich auf die Fortsetzung des Projekts. Ich glaube an Ineos. Der Klub geht seinen Weg, nimmt eine neue Dimension an. Nur braucht das Zeit.»

*Das Stade de la Tuilière wird 12 000 Fans Platz bieten und im Mai 2020 eröffnet. Ineos hat 20 neue Stellen in der Verwaltung des Klubs geschaffen. Das Budget für die laufende Saison dürfte um die 12 Millionen Franken betragen und damit anderthalb Millionen tiefer sein als jenes von GC.

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Challenge League 24/25
Mannschaft
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FC Thun
FC Thun
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2
FC Etoile Carouge
FC Etoile Carouge
6
2
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Neuchatel Xamax FCS
Neuchatel Xamax FCS
6
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FC Schaffhausen
FC Schaffhausen
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AC Bellinzona
AC Bellinzona
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FC Vaduz
FC Vaduz
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FC Wil
FC Wil
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FC Stade Nyonnais
FC Stade Nyonnais
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9
FC Stade-Lausanne-Ouchy
FC Stade-Lausanne-Ouchy
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10
FC Aarau
FC Aarau
6
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