«Es muss jetzt schnell gehen mit dem neuen Modus»
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Klartext von Liga-Boss Schäfer:«Es muss jetzt schnell gehen mit dem neuen Modus»

«12 Mannschaften wären ideal»
Liga-Boss Schäfer fordert neuen Modus

Liga-Boss Claudius Schäfer äussert sich im Blick Kick über einen neuen Modus im Schweizer Fussball, den Pyro-Skandal des Zürcher Derbys und die VAR-Diskussionen.
Publiziert: 29.11.2021 um 10:18 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2021 um 10:43 Uhr
Andreas Böni (Interview) und Dunja Moustopoulos (Mitarbeit)

Blick: Sprechen wir über den aktuellen Modus im Schweizer Fussball. Sind Sie zufrieden mit zehn Klubs pro Liga?
Claudius Schäfer: In dieser Saison haben wir in der Super League zehn Traditionsvereine. Es ist wahnsinnig spannend und noch alles möglich. Aber es ist an der Zeit, eine Veränderung zu vollziehen.

Und die wäre?
Vor drei Jahren hatten wir mit einer holländischen Beratungsfirma, die unter anderem die Champions League mitgestaltet, geforscht. Damals ist man zum Entschluss gekommen, dass in der Super League zwölf Mannschaften das Ei des Kolumbus wären. Man muss überprüfen, ob das jetzt immer noch der Idealfall wäre. Bei den ganzen Spekulationen rund um die Diskussion wird vielfach die Kostenseite vergessen. Je mehr Klubs, desto weniger Geld steht zur Verfügung. Ausser man würde die Challenge League anders positionieren.

Bei 14 Mannschaften hätte man allerdings Klubs wie Wil oder Schaffhausen in der Super League, die auch mal nur 815 Zuschauer hätten. Was bringt das einer Profiliga?
Die gewisse Grund-Infrastruktur für die Super League müsste man natürlich trotzdem mitbringen. Dass jeder Klub aus der Challenge League ein potenzieller Aufstiegskandidat ist, mag ich zu bezweifeln.

Für Liga-Boss Claudius Schäfer ist klar: «Es braucht in der Schweiz einen neuen Modus.»
Foto: Urs Lindt/freshfocus
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Wie sieht es mit der Zeitachse aus?
Es muss schnell gehen. Wenn wir in der Saison 2023/24 loslegen möchten, braucht es eine Übergangssaison. Heisst, wir müssen im Frühling den richtigen Modus finden. Wir haben viel Grundlagenarbeit bereits gemacht. Wichtig ist nur, dass man an dem endgültigen Entscheid dann auch festhält. Es ist klar, dass es nicht allen Klubs gefallen wird. Bei der letzten Abstimmung war es leider so, dass jeder Klub nur für sich geschaut hat, worauf das Projekt gescheitert ist.

Wie kann man den Fussball sonst noch attraktiver machen?
Das ist ein grosses Thema. Florentino Perez, Präsident von Real Madrid, hat beispielsweise gesagt, ein Spiel könne nicht mehr 90 Minuten dauern, sonst würde man die Jungen verlieren. Diese Aussage löste einen riesigen Aufruhr aus. Wenn man allerdings beachtet, wie junge Menschen relativ schnell wegschalten, ist vielleicht auch ein solcher Punkt der Diskussion wert. Bitte macht aber keine Schlagzeile: «Schäfer möchte 70-Minuten-Spiele!»

Wäre es möglich, in Zukunft die Kommunikation zwischen Schiedsrichter und VAR mitzuhören?
Das fände ich interessant. Wir müssen noch transparenter werden. Vieles wurde bereits dafür gemacht. Also wieso nicht auch das? Die Schiedsrichter müssten sich dabei aber auch wohl fühlen. In gewissen Sportarten, zum Beispiel in amerikanischen Ligen, hat man es ja bereits. Wieso also nicht auch im Fussball?

Beim VAR habt ihr gespart. In der Schweiz hat man keine kalibrierte Linie. Ein Fehler.
Es ist ein unglaublich teures Projekt. Es ist eine massive Bürde, die wir für unsere Schiedsrichter und den VAR stemmen.

Wieviel hätte die kalibrierte Linie gekostet?
Den Betrag kann ich so nicht sagen. Wir hätten mehr Kameras gebraucht, was eine teurere Produktion bedeutet hätte. Dazu wäre auch ein TV-Partner nicht bereit gewesen.

Gefällt Ihnen der VAR insgesamt?
Bei der Einführung hat er mir extrem gut gefallen. Wir haben von der ganzen Welt Komplimente gekriegt. Das IFAB hat sogar gesagt, es gebe keine Liga, die es besser eingeführt habe, als wir. In dieser Saison hatten wir aber doch den ein oder anderen Fehler, der mir gar nicht gefallen hat. Die Schiedsrichter sind jedoch die Ersten, die an diesem Problem arbeiten. Es ist wichtig, dass ein mit solch Kosten verbundenes Projekt auch das bringt, was man sich vorgestellt hat.

Gefällt es Ihnen, wenn der Linienrichter die Situation abwartet?
Als Fan gefällt es mir nicht. Es ist aber nachvollziehbar. Das gehört halt zur ganzen VAR-Thematik dazu.

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Die Bilder des Pyro-Skandals im Zürcher Derby schockieren bis heute. Was waren Ihre ersten Gedanken?
Es sind unglaubliche Bilder. Bilder, die nicht in ein Fussballstadion gehören. Bilder, die überhaupt nirgends hingehören. Wir müssen alles dafür tun, dass solche Szenen nicht mehr passieren.

Man sah Fans vor dem Stadion mit unzähligen Leitern. Was hatten sie mit diesen vor?
Das wüsste ich auch gerne.

Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) fordert, dass man ab nächsten Sommer nur noch mit der ID ins Stadion gehen kann. Ein guter Schritt?
Es ist eine einstimmige Empfehlung an die Bewilligungsbehörde. Die Spiele werden von den Kantonen bewilligt. Es lastet nun ein grosser Druck auf uns, dass die ID-Pflicht im Sommer kommt. Ich finde, man muss allerdings zuerst schauen, was die Konsequenzen eines solchen Schrittes wären. Nicht, dass man etwas einführt, nur damit man es eingeführt hat.

Die Ultras würden dann nicht mehr in die Stadien gehen, sondern davor protestieren.
Ja. Im Sommer haben wir das bei Sion gesehen, als sie die Ausweispflicht eingeführt haben. Sion hatte in der Folge nur noch 3000 Zuschauer und die gegnerischen Fans kamen vors Stadion. Es wird also einen sehr grossen Aufwand brauchen. Vor allem auf Seiten der Polizei.

Wollen sich die Polizisten denn mit den Fans vor den Stadien abgeben?
Klar, es ist unangenehm. Aber es liegt nicht in unserer Verantwortung, was ausserhalb der Stadien passiert. Auf öffentlichem Grund ist die Polizei verantwortlich.

Würden Sie die Polizei auch im Stadion wünschen?
Das ist ein heikler Punkt. Es braucht eine Gesamtstrategie dafür.

Für den Pyro-Skandal im Letzigrund wurde ein Kuschelurteil ausgesprochen. Die nächsten zwei Derbys finden ohne die FCZ-Kurve statt.
Für mich ist das kein Kuschelurteil. Ich finde das Urteil nachvollziehbar. Zwei Derbys ohne Fans ist ein grosser Eingriff. Es tut mir für alle leid, die nicht am Skandal beteiligt gewesen waren. Aber es ist eine Sanktion, die nun gesprochen wurde.

Hat diese Strafe eine grössere Wirkung als ein Geisterspiel?
Darüber kann man sich streiten. In der Vergangenheit gab es ja immer wieder solche Vorfälle. Aus diesem Grund ist es viel wichtiger, auf nachhaltige Massnahmen zu setzen.

Den FC Zürich schmerzt es finanziell aber nicht.
Vom finanziellen Aspekt her kann man das so sehen. Aber es schmerzt trotzdem, wenn die Stimmung und die positiven Fans mit ihren schönen Choreos weg sind.

Wenn sich die Zuschauerzahlen wie in Sion halbieren, schreit der Fussball wieder nach dem Staat und bittet um Kostenerstattung.
Wir haben in der Corona-Pandemie Subventionen verlangt und diese auch zugesprochen bekommen. Jetzt befinden wir uns in einer völlig anderen Situation. Zuerst müssen wir schauen, ob die personalisierten Tickets im Sommer überhaupt eingeführt werden. Wenn sich die Zuschauerzahlen halbieren würden, wäre das für viele Vereine dramatisch. Aber nach Bundeshilfe zu schreien, ist doch weit hergeholt.

Sind Sie persönlich für oder gegen eine Einführung personalisierter Tickets?
Man muss sehr genau hinschauen, was sie denn bringen würde. In Polen, Italien und der Türkei wurde sie bereits eingeführt. Und dort sind die Zuschauerzahlen gesunken. Allerdings ist klar, dass man etwas ändern muss. Von der Politik ist eine grosse Erwartungshaltung da. Ob es aber die richtige Massnahme ist, mag ich zu bezweifeln. Wichtig ist, dass alle an einem Strick ziehen und das wir solche Probleme in Zukunft verhindern können.

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Ist es für Sie also eine Stammtisch-Aussage, dass Fussball-Bosse nichts gegen Chaoten machen?
Absolut. Wir haben über zwei Millionen Zuschauer in unseren Stadien. Das ist eine riesige Herausforderung. Die Klubs machen heutzutage Sozialarbeit, früher war das nicht so. Unsere Klubs machen sehr viel in der Prävention.

Wird in den Stadien die 2G-Regel eingeführt?
Ich bin kein Prophet. In anderen Ländern gibt es die Regel bereits. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es sich in diese Richtung entwickelt. Jetzt kommt wieder etwas neues auf uns zu. Das Wichtigste für uns ist aber, dass wir vor Zuschauern spielen.

Ist die Schliessung der Gästesektoren noch ein Thema? Oder war das eine reine PR-Aktion, dass die Diskussion ruhiger wird?
Damit wollte man die Fans wecken. Genau nach so einem Vorfall wie im Letzigrund, erwartet man von den Fans, dass sie sich dagegen äussern und etwas dagegen unternehmen. Bei St. Gallen und GC hat man das gemacht. Wichtig ist, dass eine Diskussion ausgelöst wird.

Wie viele Spieler der Super- und Challenge League sind geimpft?
In der Super League sind 85 Prozent der Spieler geimpft. In der Challenge League sind es ungefähr 70 Prozent. Die Zahlen sind allerdings ein paar Wochen alt.

Auch im Liga-Komitee rumpelte es. FCZ-Präsident Ancillo Canepa abgewählt. Wegen seiner engen Beziehung zum abtretenden Präsidenten Heinrich Schifferle?
Als CEO bin ich nicht wahlberechtigt. Ich weiss, dass es im Vorfeld dieser Wahlen viele Gespräche gab und viele Kandidaten sehr stark lobbyiert haben. Canepa hat da wohl eher weniger gemacht.

Hat er sich zu sicher gefühlt?
Das müsste man ihn selber fragen. Er ist weiterhin als Präsident eines unserer 20 Vereine dabei und immer noch eine wichtige Persönlichkeit.

Mit Canepa und Schifferle wurden zwei fast 70-Jährige abgewählt, mit David Degen kommt frischer Wind ins Komitee. Strebt man damit ein jüngeres Denken an?
Das könnte ein Gedankengang gewesen sein. Junge Leute, die mit neuen und auch provokativen Ideen kommen. Darauf freue ich mich. Wichtig ist, dass die Entscheide demokratisch sind.

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Es wurde auf die Quote geschaut, dass das Tessin, die Romandie und die Challenge League vertreten sind. Was ist die Überlegung dahinter?
Im letzten Komitee hatten wir mit Jeff Collet nur einen Romandie-Vertreter. In dieser Saison haben wir nur sechs Vertreter aus der lateinischen Schweiz. Das ist zu wenig. Aus diesem Grund haben wir eine Minderheitsquote eingeführt.

Eine Frau sucht man vergeblich.
Das ist wirklich bedauerlich. Mit Kathrin Lehmann hatte das Komitee eine sehr gute Kandidatin. Sie wurde schliesslich nicht gewählt. Doch auch der gewählte Urs Egger hat ein beachtlichen Lebenslauf. Er wird uns bestimmt auch weiterhelfen. Im Endeffekt hätte eine Frau aber auch provokative Fragen gestellt, die wir Männer so nicht machen. Aber was nicht ist, kann noch werden.

Warum wird keine Frauenquote eingeführt?
Man hat sich das überlegt. Im Endeffekt sind wir aber eine Männerliga. Auch bei den Klubs selber sind noch viel zu wenige Frauen tätig. Leider

Mit Ruth Ospelt und Kathrin Lehmann wurden nun bereits zwei Frauen nicht gewählt. Die nächste Kandidatin, die kommt, ist Kanonenfutter. Da müsste man als Frau doch sagen: «Das mache ich nicht.»
Bei Ruth Ospelt, die ich auch sehr gern im Komitee gesehen hätte, hat der liechtensteinische Faktor mit dem FC Vaduz eine grosse Rolle gespielt und man im obersten Gremium nur Schweizer Leute haben möchte.

Heliane Canepa wäre eine interessante Kandidatin.
Sie hätte ich absolut begrüsst, sie wäre eine gute Option gewesen. Gespräche mit ihr sind immer interessant, da sie einen anderen Blickwinkel hat.

Neuer Präsident ist Philipp Studhalter. Habt ihr seine Russen-Verbindungen vorher geprüft oder von ihm erklären lassen?
Wir haben sie nicht geprüft. Er hat uns freiwillig seinen Strafregisterauszug vorgelegt. Allerdings muss man aufpassen. Sobald es um das Thema Russland geht, sind die Meinungen schon gemacht. Er ist Anwalt. Und Anwälte haben halt verschiedene Dossiers. Als Wirtschaftsanwalt ist man vielleicht mal in China oder Russland tätig. Es ist heikel, wenn man das zu schnell vorverurteilt.

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«Klubs dachten nur für sich»:Liga-Boss Schäfer über den Schweizer Fussball
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