ZSC-Trainer Grönborg coacht so aktiv wie nie
Wenn der Eisblock zum Vulkan wird

Zwischen Feier und Trauer: Es sind emotionale Tage für Rikard Grönborg (53). Der ZSC-Coach muss sich wie in einem Schüttelbecher vorkommen.
Publiziert: 10.04.2022 um 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2022 um 13:31 Uhr
Stephan Roth

Sein Job und sein Leben lassen ihm keine Ruhe. Atempausen gibts kaum. Im Viertelfinal gegen Biel lagen seine ZSC Lions 0:2 zurück, glichen aus, verloren Spiel 5 und am Samstag vor einer Woche trennten Rikard Grönborg nur sechs Minuten vor dem Aus. Nach der obligaten Analyse wäre er seinen Job los gewesen. Doch der 53-Jährige ist noch da und sagte nachdem der Halbfinal gegen Fribourg erreicht war: «Jetzt geht der Spass erst los.»

Doch zwei Tage darauf ist die Stimmung bei ihm bereits wieder getrübt: Stella, einer der beiden French Bulldogs der Grönborgs, ist im Alter von 12 Jahren gestorben. «Es ist sehr traurig», sagt der Schwede. «Wir hatten sie länger als unsere Kinder. Es ist ganz besonders hart für unsere ältere Tochter Chloe. Sie ist neun und hatte Stella schon ihr ganzes Leben lang an ihrer Seite.»

Die Grönborgs bangten um Töchterchen Grace

Als er und seine amerikanische Frau Dawnie vor bald drei Jahren ihr neues Abenteuer in Zürich begannen, war es die Gesundheit von Töchterchen Grace gewesen, die sie in Angst versetzt hatte. Die Kleine litt unter Atemproblemen. Vor allem beim Schlafen, so dass sie die Eltern mehrmals pro Nacht wecken und aufrichten mussten, wenn ihnen ein Alarm signalisierte, dass Grace keine Luft mehr bekam.

Lions-Trainer Grönborg verfolgt die Partien über weite Strecken fokussiert und ist in seiner eigenen Welt.
Foto: Martin Meienberger/freshfocus
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ZSC-Coach Grönborg bangte um Leben seiner Tochter
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Drama nach Geburt:ZSC-Coach Grönborg bangte um Leben seiner Tochter

Es war eine harte Zeit für die Grönborgs, die um das Leben ihrer Tochter bangten. Inzwischen hat die Dreieinhalbjährige die gesundheitlichen Probleme hinter sich und ihr Papa sagt stolz: «Für ihr Alter ist sie sogar sehr weit.»

Ob sich das Gleiche über die Entwicklung seines Teams sagen lässt, steht auf einem anderen Blatt. Auch im dritten Jahr unter Grönborg hätten die ZSC Lions kein Gesicht, schrieb der Blick letzte Woche. Auch anderen Medien kritisierten den Coach.

Grönborg kann sich gut verkaufen

Kriegt er das mit? Setzt ihm die Kritik zu? Er lese keine Zeitungen, behauptet Grönborg, der ein Studium an der US-Uni St. Cloud State in Journalismus (Bachelor) und Leadership (Master) abgeschlossen hat. «Jeder hat das Recht auf seine Meinung. Es ist gut, wenn die Leute über die ZSC Lions sprechen.» Da war einer seiner Vorgänger, Hans Wallson, weniger diplomatisch gewesen: «Ich weiss, dass ihr Mist über mich schreibt», waren seine letzten Worte an die Kritiker, bevor er nach Weihnachten 2017 entlassen wurde.

So kleiden sich die Coaches der National League (im Bild Christian Dubé).
Foto: Marusca Rezzonico/freshfocus
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Eigentlich sollte der ZSC nur eine Zwischenstation für Grönborg sein. Seit er Schweden zu den WM-Titeln 2017 und 2018 (im Final gegen die Schweiz) geführt hat, wird er immer wieder als Kandidat für einen Trainer-Job in der NHL gehandelt.

Auch wenn die Erfolge mit dem ZSC bisher ausblieben, wäre es riskant, gegen eine NHL-Zukunft von Grönborg zu wetten. Der Mann mit dem weissen Bart, der 15 Jahre in den USA lebte und inzwischen auch den amerikanischen Pass hat, pflegt sein Image in Übersee mit Interviews, ist gut vernetzt und kann sich bestens verkaufen. So verblüffte er auch die Verwaltungsräte des HC Davos vor drei Jahren mit seiner Präsentation. Der HCD entschied sich dann aber für Christian Wohlwend. Auch weil Grönborg auf eine NHL-Ausstiegsklausel pochte und teurer war.

Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis sich eine NHL-Franchise den Anstrich geben will, besonders fortschrittlich zu sein und dies mit der Verpflichtung des ersten europäischen Trainers nach Alpo Suhonen (2000/01, Chicago) und Ivan Hlinka (2000-02, Pittsburgh) untermalt. Bereits mehrfach führte Grönborg Gespräche mit NHL-Klubs. Er nutzt auch die Mittel, welche einen Coach modern erscheinen lassen. «Wir schauen uns die Zahlen der Analytics an und überprüfen die Erkenntnisse dann aber auf dem Video», erklärt er. Von Anfang an pochte er darauf, Video-Coach Johan Andersson vom schwedischen Verband mitzubringen.

Talente kommen beim ZSC zu kurz

In Zürich ist die anfängliche Begeisterung für Grönborg bei Fans, Spielern, Umfeld und Klub allerdings abgekühlt. Auch weil sich die Gleichung «ehemaliger Junioren-Nati-Trainer = Nachwuchsförderer» als falsch erwies. Zürcher Talente haben einen schweren Stand bei Grönborg. So kam der vielversprechende U20-Nati-Verteidiger Noah Meier (20) diese Saison nur 17 Minuten zum Einsatz. Und im Sturm setzt Grönborg bei Bedarf lieber auf den limitierten Ex-Davoser Marc Aeschlimann (26) als auf Eigengewächse. Das kommt in einer Organisation, die sich auch über die Ausbildung von Spielern definiert, nicht gut an. Und lässt sich nur mit Erfolg rechtfertigen.

Marc Crawford, ZSC Lions: 2024
Foto: keystone-sda.ch
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Der Schwede könnte es sich einfacher machen. Doch der Mann, der im rauen Süden von Stockholm aufwuchs, hat einen harten Schädel. Deshalb steht Grönborg unter Druck. Wie er darauf reagiert? Als ob er jenen Fan gehört hätte, der nach einer Pleite brüllte: «Mach mal was!» Er coacht so aktiv wie noch nie, wirbelt seine Linien durcheinander und lässt auch bewährte Kräfte draussen. Nati-Verteidiger Christian Marti nahm er nach einem schlechten ersten Drittel beim Schicksalsspiel in Biel raus. «Man muss Anpassungen vornehmen. Man kann nicht einfach sitzen und warten, sonst ist es vielleicht zu spät», sagt er.

Auf der Bank ist Grönborg meist ruhig, oft nahezu apathisch. Er müsse sich voll auf das Spiel fokussieren, sagt er. Doch dann gibt es auch jene Szenen, in denen er ausflippt, sich mit den Schiedsrichtern anlegt. Oder mit dem Gegner, wie im November nach dem üblen Foul von Mark Barberio an ZSC-Star Garrett Roe. Grönborg verlor Contenance und Anstand, beschimpfte Lausanne-Coach John Fust und forderte ihn zum Kampf auf und attackierte danach Barberio und Justin Krueger verbal unter der Gürtellinie. «Wenn ich Emotionen zeige, ist es meistens, weil ich mich für mein Team einsetze.» Dann wird der Eisblock zum Vulkan.

«Was passiert ist, können wir nicht ändern»
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Neuer ZSC-Trainer Grönborg:«Was passiert ist, können wir nicht ändern»
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Foto: keystone-sda.ch
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National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
1
3
3
2
SC Bern
SC Bern
1
2
3
2
ZSC Lions
ZSC Lions
1
2
3
4
EV Zug
EV Zug
1
1
3
4
Lausanne HC
Lausanne HC
1
1
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6
HC Lugano
HC Lugano
2
1
3
7
EHC Kloten
EHC Kloten
1
1
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SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
1
1
2
9
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
1
-1
1
10
HC Davos
HC Davos
2
-3
1
11
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
1
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0
12
EHC Biel
EHC Biel
1
-2
0
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SCL Tigers
SCL Tigers
1
-2
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14
HC Ajoie
HC Ajoie
1
-3
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