Sportchef Chatelain zur SCB-Krise
«Hätten im Sommer alles auf den Kopf stellen sollen»

SCB-Sportchef Alex Chatelain spricht im Interview über die Goalies, den Trainer, seine Transfers und den sportlichen Tiefflug.
Publiziert: 29.11.2019 um 01:09 Uhr
|
Aktualisiert: 04.12.2019 um 18:56 Uhr
Angelo Rocchinotti

BLICK: Herr Chatelain, haben Sie Genonis Abgang unterschätzt?
Alex Chatelain: Das glaube ich nicht. Wir wussten, dass es schwierig werden würde und haben uns lange und intensiv Gedanken gemacht. Niklas Schlegel und Pascal Caminada sind im Moment nicht in der Lage, der Mannschaft so zu helfen, wie es unter den gegebenen Umständen nötig wäre. Ihnen die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben, wäre nicht korrekt. Auch andere agieren nicht auf ihrem Top-Level. Aber die Goalie-Position hat den grössten Einfluss auf die Leistung der Mannschaft.

Nun kommt Tomi Karhunen. Wieso haben Sie nicht schon im September reagiert?
Nach ein paar Runden lässt sich keine abschliessende Beurteilung vornehmen. Wir wollten den Torhütern eine realistische Chance geben. Hinterher ist man immer schlauer. Vor einem Jahr hiess es noch, Schlegel sei die einzig richtige Wahl. Nun wird der Transfer kritisiert. Es ist billig, auf Einzelne zu zielen.

Wie geht es mit Niklas Schlegel weiter? Er steht auch nächste Saison unter Vertrag.
Im Moment steht die aktuelle Situation im Vordergrund.

Hat viel zu tun: SCB-Sportchef Alex Chatelain.
Foto: Urs Lindt/freshfocus
1/7

Wie konnte es soweit kommen?
Es begann mit dem Meisterblues. Wir wähnten uns in Sicherheit, dachten, es laufe wie in den letzten drei Jahren. Dann machte sich Verunsicherung breit. Und schliesslich kamen Verletzungen hinzu. Wir gerieten in eine Negativspirale.

Sie haben mit Bieber, Grassi und Sciaroni verletzungsanfällige Spieler verpflichtet.
Sciaroni war nicht verletzt. Grassi stieg vielleicht etwas übermotiviert in einen Zweikampf. Und Bieber leidet an den immer gleichen Problemen. Doch wenn er spielt, spielt er sehr gut. Wir haben ein relativ breites Kader. Doch auch andere sind verletzt.

Was werfen Sie sich vor?
Wir haben einiges nicht gut gelöst. Vor allem hätten wir unser Programm im Sommer total auf den Kopf stellen sollen, um dem Meisterblues zu entkommen. Es zeigt sich wieder einmal, wie wichtig der Saisonstart ist. Biel kämpft auch mit Verletzungen, kann die Probleme nach einem guten Start aber einfacher auffangen. Wir schätzten das falsch ein, weil wir mit dem gleichen Mannschaftskern vor zwei Jahren keinen Meisterblues hatten.

War es nicht blauäugig, so früh mit dem Trainer zu verlängern?
Zum Zeitpunkt der Vertragsverlängerung gab es keinen Grund, dies nicht zu tun. Seither hat sich unsere Position verschlechtert. Es ist klar, dass damit in der Aussenwahrnehmung auch die Trainerfrage im Raum steht. Aber Kari Jalonen steht bei uns nicht zur Diskussion.

Wie nehmen Sie Kari Jalonen wahr?
So wie wir auftreten, habe ich nicht das Gefühl, dass die Probleme beim Trainer zu suchen sind. Ich habe auch nicht den Eindruck, als hätte Kari sein Vertrauen in seine Fähigkeiten verloren oder zweifle er daran, mit der Situation klar zu kommen. Er ist erstaunlich ruhig und locker. Ich glaube, dass unsere Trainercrew die richtige ist, um uns aus dem Loch zu holen.

Was, wenn Bern weiter verliert?
Dann muss man die Situation nochmals anschauen.

Gehen Sie mit Jalonen bis in die Playouts?
Das ist hypothetisch. Wir dürfen auch keine Rechenspiele vornehmen, müssen von Woche zu Woche schauen. Es gibt keine Ausreden mehr. Jetzt muss man jedes Spiel wie ein siebtes Playoff-Duell nehmen.

Sie selbst stehen seit Wochen unter Beschuss.
Ich halte mich von Kommentarspalten fern, bekomme aber mit, was auf Twitter geschrieben wird. Es ist symptomatisch: Nach einem guten Match hört man nichts, sonst hagelt es Kritik. Damit muss man umgehen können. Vielfach fehlen auch die notwendigen Informationen, um bei gewissen Themen mitreden zu können.

Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, Geld für Dutzendtransfers ausgegeben zu haben.
Das hiess es schon im letzten Jahr und wir wurden Meister. Heuer waren keine ganz grossen Namen auf dem Markt. Und mit jenem Spieler, hinter dem alle her waren, konnten wir verlängern (Andersson, Anm. d. Red.). Das passte auch wieder nicht allen, weil eine Lohnsumme publiziert wurde, ohne zu wissen, ob sie überhaupt stimmt.

Sie hätten mit Grégory Hofmann einen grossen Transfer tätigen können.
Er hatte schlicht kein Interesse, nach Bern zu kommen. Wie auch andere Spieler. Beispielsweise Christoph Bertschy.

Wie kann das sein?
Es wäre arrogant zu glauben, dass wir bei allen Spielern zuoberst auf ihrer Liste stehen. Es gibt solche, die nicht in die Romandie, nicht ins Tessin, nicht in die Berge oder nach Zürich wechseln wollen. Und es gibt Spieler, die nicht nach Bern möchten. Sie können anderswo gleich viel oder mehr verdienen.

Wieso kehren eigene Spieler nicht zurück?
Bertschy wollte einen anderen Weg einschlagen, kommt vielleicht später mal. Joël Vermin bekam ein massiv besseres Angebot von Lausanne.

Sie sorgen auch mit Ihrer Ausländerwahl für rote Köpfe.
Die Frage ist, was man will. Wenn man Almquist als Flop bezeichnet, halte ich dagegen. Wir erhofften uns mit Koivisto ein Upgrade. Er hätte uns im Spiel nach vorne mehr bringen sollen. Das funktionierte nicht. Bei Mursak hat man uns gratuliert, jetzt ist er nicht so effizient, wie er sein sollte und wird teilweise als Ausfall abgetan. MacDonald ist ein Leader und erfüllt seine Aufgabe.

Haben Sie es nicht verpasst, das Team zu verjüngen?
In einer perfekten Welt hätte man nach dem letzten Meistertitel auf den Markt gehen können. Doch im Frühjahr war er leer. Und im November wussten wir nicht, wie es herauskommen wird.

Im Hinblick auf die nächste Saison gibt es kaum Spielraum. Der Schweizer Markt gibt nicht viel her.
Unsere Jungs können Hockey spielen. Im Moment steckt einfach der Wurm drin. Die Top 9 haben wir beisammen. Wir werden um Neuenschwander eine Linie bauen und mit Thiry und Zryd in der Verteidigung Anpassungen vornehmen. Zudem kommen neue ausländische Stürmer. Und über die Goalie-Situation muss man diskutieren.

SCB-Chatelain Drei Mal Meister! Noch Fragen?

Ein Kommentar von Eishockey-Reporter Angelo Rocchinotti

Dem SCB steht das Wasser bis zum Hals. Natürlich trägt der Sportchef, der die Mannschaft zusammengestellt hat, eine Mitverantwortung. Genauso mitverantwortlich ist er aber für die Erfolge der letzten vier Jahre.

Die Behauptung, Alex Chatelain habe bloss das Erbe seines Vorgängers Sven Leuenberger verwaltet, ist absoluter Schwachsinn. Chatelain verpflichtete Trainer Jalonen. Er holte Goalgetter Arcobello und mit Haas einen der talentiertesten Schweizer Center. Mit den angeblichen finnischen, schwedischen, slowenischen, tschechischen, amerikanischen oder kanadischen Nullnummern dominierte Bern die Liga.

Jene, die nun mit dem Finger auf Chatelain zeigen, zogen schon über seinen Vorgänger her und verkennen die Lage.

Einerseits waren kaum Stars verfügbar. Andererseits stehen die Spieler vor der PostFinance-Arena auch nicht Schlange. Teams wie Lausanne, Zug und Biel können längst mit den Grossen mithalten.

Das Team steht im Umbruch. Und Chatelain weiss haargenau, was zu tun ist.

Ein Kommentar von Eishockey-Reporter Angelo Rocchinotti

Dem SCB steht das Wasser bis zum Hals. Natürlich trägt der Sportchef, der die Mannschaft zusammengestellt hat, eine Mitverantwortung. Genauso mitverantwortlich ist er aber für die Erfolge der letzten vier Jahre.

Die Behauptung, Alex Chatelain habe bloss das Erbe seines Vorgängers Sven Leuenberger verwaltet, ist absoluter Schwachsinn. Chatelain verpflichtete Trainer Jalonen. Er holte Goalgetter Arcobello und mit Haas einen der talentiertesten Schweizer Center. Mit den angeblichen finnischen, schwedischen, slowenischen, tschechischen, amerikanischen oder kanadischen Nullnummern dominierte Bern die Liga.

Jene, die nun mit dem Finger auf Chatelain zeigen, zogen schon über seinen Vorgänger her und verkennen die Lage.

Einerseits waren kaum Stars verfügbar. Andererseits stehen die Spieler vor der PostFinance-Arena auch nicht Schlange. Teams wie Lausanne, Zug und Biel können längst mit den Grossen mithalten.

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