Das sind die Machtverhältnisse beim SCB
Kann CEO Marc Lüthi überhaupt entlassen werden?

Der SC Bern ist zum Erfolg verdammt. Doch er dümpelt seit zwei Jahren im Tabellenkeller herum. Alles die Schuld von CEO Marc Lüthi?
Publiziert: 14.11.2021 um 14:05 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2021 um 14:41 Uhr
Angelo Rocchinotti

Der SCB gilt als laut und selbstbewusst. Er steht für Siege, Titel und Emotionen. Fünfmal gewann der Klub im letzten Jahrzehnt die Meisterschaft, setzte neue Massstäbe. Mittelmass? Das widerspricht dem Berner Selbstverständnis. Man will unterhalten. Doch nun steckt der einstige Krösus in einer monumentalen Krise, kommt seit drei Saisons nicht vom Fleck.

Seit Sommer 2017 steht Beat Brechbühl dem Verwaltungsrat vor. Kaum einer kennt den Präsidenten, der nach seiner ersten Saison von einer durchzogenen Spielzeit sprach, nachdem der Quali-Dominator im Halbfinal am späteren Meister ZSC gescheitert war. Das Gesicht des Klubs ist seit 23 Jahren Geschäftsführer Marc Lüthi.

Der in Luzern aufgewachsene Berner war Mitbesitzer der Vermarktungsfirma IMS, als der SCB 1998 mit zehn Millionen Franken Schulden in die Nachlassstundung geriet. Lüthi bekam den Managerjob, gleichzeitig erliess die IMS als grösster Privatgläubiger dem Klub die Schulden in sechsstelliger Höhe. Mittlerweile ist Lüthi längst SCB-Mitbesitzer und Delegierter des Verwaltungsrats.

Seit zwei Jahren dümpelt der SCB im Tabellenkeller herum.
Foto: Urs Lindt/freshfocus
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Kein Spektakel? Trainer weg!

Dank eines ausgeklügelten Gastronomie-Konzepts machte der heute 60-Jährige den Klub lange zu einem mächtigen Player. 60 Millionen Franken setzte die SCB Group AG vor der Pandemie um. Etwas mehr als die Hälfte entfiel auf die Tochtergesellschaft Sportgastro mit ihren rund 20 Betrieben.

Lüthi trimmte den Klub auf Erfolg. In seinen ersten Jahren wirkte er auch als Sportchef, sprach aber jeden Transfer mit dem Spieleragenten Gérald Métroz ab, weil ihm das Hockey-Wissen fehlte. Danach beschäftigt Lüthi zwar Sportchefs, hat aber keine Skrupel, sich auch mal einzumischen.

2011 feuerte er Trainer Larry Huras über den Kopf seines Sportchefs Sven Leuenberger hinweg, weil es ihm an Spektakel mangelte, 5000 Saisonkarteninhaber den Spielen fern blieben und dadurch Wurst- und Bierverkäufe einbrachen. Einzig der damalige Präsident Walter Born soll in Lüthis Entscheidung involviert gewesen sein.

An den genauen Ablauf will sich der umtriebige Manager heute nicht mehr erinnern. Lüthi sagt: «Grundsätzlich habe ich nie etwas ohne die Zustimmung des Verwaltungsrats gemacht. In 99,9 Prozent aller Fälle hat die Mehrheit die Entscheidung abgesegnet.»

Lüthi-Entlassung möglich

Präsident Brechbühl wehrt sich gegen die Behauptung, Lüthi könne schalten und walten, wie er wolle, und der Verwaltungsrat nicke ab: «Es war nie so, dass der CEO einen Antrag stellte und der Verwaltungsrat einfach zustimmte. Es fand stets eine Diskussion statt – auch bei Personalfragen wie der Entlassung eines Trainers. Manchmal dauerte der Prozess länger, manchmal war er kürzer.»

Brechbühl betont: «Als CEO pflegt Marc einen eher patronalen Führungsstil. Das gehört zu seiner Persönlichkeit – das kann und will ich gar nicht ändern. Meine Rolle als Präsident sehe ich primär als Sparringpartner und Enabler des CEO, um gemeinsam unternehmerischen und sportlichen Erfolg zu haben, und erst sekundär als Aufpasser und Kontrolleur. Ich will nicht warten, bis jemand einen Fehler macht, um ihn korrigieren zu können.»

Der Gesamtverwaltungsrat und Brechbühl als Ansprechpartner würden den Geschäftsführer aber sehr wohl kontrollieren. «Wir stellen ihn ein und entlassen ihn. Wie bei jedem professionell organisierten KMU existiert auch bei uns ein Organisationsreglement, das die Kompetenzen des CEO klar regelt.» Auf die Frage, ob man Lüthi als Mitbesitzer überhaupt entlassen könne, antwortet Brechbühl mit einem klaren «Ja, das kann man».

Umsatz eingebrochen

COO Rolf Bachmann war stets Lüthis rechte Hand. Die letzten fünf Jahre stand auch die Sportabteilung unter der Leitung des 58-Jährigen. Man wolle die Sportkompetenz stärken, müsse dafür im kommerziellen Bereich Abstriche machen, begründete Lüthi die Massnahme im Sommer 2016. Mittlerweile ist Bachmann wieder ausschliesslich für den Kommerz zuständig. «Eine Aufgabe, die nicht in Teilzeit und schon gar nicht mit halber Kraft wahrgenommen werden kann. Das ist die dringende Aufgabe der Gegenwart», sagt Lüthi heute.

Die Pandemie traf die Berner, die mit ihrem Gastromodell längst an Grenzen stossen, doppelt. Die Geschäftszweige Sport und Gastronomie brachen weg. Der Umsatz sank von 26 auf knapp 12 Millionen Franken. Trotz A-Fonds-perdu-Beiträgen in der Höhe von 5,7 Millionen Franken schloss der SCB das vergangene Geschäftsjahr mit einem Minus von 1,5 Millionen Franken ab.

Raffainers Vetorecht

Damit der SCB auf dem Eis wieder konkurrenzfähig wird, dafür soll nun Raeto Raffainer sorgen. Der Engadiner trägt seit Februar die Gesamtverantwortung für den Sport. Er ist auch in den Aufbau eines Leistungszentrums und das sogenannte Hockey-Lab involviert, das junge Spieler gezielter und besser fördern und sie in der Karriereplanung unterstützen soll. SCB-Mitbesitzer und Verwaltungsratsmitglied Mark Streit amtet als Projektleiter. Aus dem Tagesgeschäft hält sich der 43-Jährige, der auch Fördertrainings leitet, zurück.

Raffainer ist Lüthi unterstellt. Allfällige Alleingänge des Geschäftsführers dürfte er aber kaum goutieren. Der 39-Jährige lobt die Zusammenarbeit, sagt: «Wir tauschen uns täglich aus. Egal, wo ich gerade bin.» Der ehemalige Nati-Direktor ist im September ins IIHF-Council gewählt worden, weilt in diesen Tagen in Moskau. «Eigentlich ein 15-Prozent-Pensum. Doch zwischen November und April dürften es aufgrund diverser Turniere mehr sein.»

Im Frühjahr sorgte Raffainer für die Absetzung von Sportchefin Florence Schelling und ersetzte sie durch Andrew Ebbett. Der Sportdirektor sagt: «Seit Ebbett da ist, habe ich mich nie mehr alleine mit einem Spieler oder mit einem Trainer unterhalten.» Raffainer besitzt in der Ausländerfrage in den ersten Monaten ein Vetorecht. Dieses soll den noch unerfahrenen Sportchef vor Fehlern schützen. Davon Gebrauch gemacht habe er bisher nie, versichert Raffainer. «Ich will kein Schattensportchef sein», stellt er klar. Auch die Einzelgespräche mit den Spielern überliess er diese Woche dem Kanadier.

Raffainer führt den Sportchef, stellt Fragen und gibt Tipps. Als Lausannes Trainer und Sportchef John Fust für ein mögliches Tauschgeschäft Joël Genazzi auf dem Markt anbot, habe er Ebbett darauf aufmerksam gemacht, bloss keine Spielernamen zu nennen, um sich nicht in Teufels Küche zu begeben.

Wer kann den Trainer entlassen?

In der Trainerfrage durfte der Sportchef während Jahren bloss Vorschläge unterbreiten. Der endgültige Entscheid lag beim Verwaltungsrat. Auch im Falle einer Entlassung. Das ist seit zwei Jahren anders. Neu befindet die Geschäftsleitung darüber. Das sind neben Lüthi, Raffainer und Bachmann auch Finanzchef Richard Schwander und Gastroboss Sven Rindlisbacher. Weshalb auch sie?

«Weil wir über die eigene Nasenspitze hinausschauen», sagt Lüthi. Und Brechbühl: «Es geht um das bessere Argument. Hat der Gastrochef die besseren Argumente als der Sportdirektor, wird er die Geschäftsleitung überzeugen können. Die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte jedoch gering sein. Anders dürfte es in Gastrofragen sein.»

Brechbühl ist überzeugt: «Jedes Gremium muss das tun, was es am besten kann. Die Kompetenz des Verwaltungsrats liegt in der Gesamtstrategie und der Auswahl der Geschäftsleitung. Diese ist näher beim Sport, weshalb dort die Coach-Auswahl besser aufgehoben ist. Gerade diese Delegation verhindert Abnickerentscheide.»

In Bern hofft man, dass Trainer Johan Lundskog gar nicht erst zum Thema wird. Das System des Schweden ist auf die Zukunft ausgerichtet. In der Hauptstadt ist man überzeugt, dass man ein spielerisches Hockey praktizieren muss, um wieder Meister werden zu können. Doch bis der SCB um seinen 17. Titel spielen wird, dürfte es dauern. «Ich habe immer gesagt: Wir brauchen mindestens drei Jahre», so Raffainer.

Der einst so stolze Verein muss sich also wohl mit weiteren drei Jahren Mittelmass begnügen.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
1
3
3
2
SC Bern
SC Bern
1
2
3
2
ZSC Lions
ZSC Lions
1
2
3
4
EV Zug
EV Zug
1
1
3
4
Lausanne HC
Lausanne HC
1
1
3
6
HC Lugano
HC Lugano
2
1
3
7
EHC Kloten
EHC Kloten
1
1
2
7
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
1
1
2
9
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
1
-1
1
10
HC Davos
HC Davos
2
-3
1
11
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
1
-1
0
12
EHC Biel
EHC Biel
1
-2
0
12
SCL Tigers
SCL Tigers
1
-2
0
14
HC Ajoie
HC Ajoie
1
-3
0
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