Zu Besuch bei Roman Josi in Nashville
«Hier lebe ich meinen grossen Traum»

Roman Josi (25) startet in Amerikas Musik-Hauptstadt Nashville überzeugend in die neue Saison. Trainer und Fans stimmen Loblieder auf den Berner Verteidiger an.
Publiziert: 22.11.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:04 Uhr
Traumstart in die neue NHL-Saison: Josi ist der glücklichste Mensch unter der Nashville-Sonne.
Foto: Sven Thomann
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Von Marcel W. Perren (Text) und Sven Thomann (Fotos) aus Nashville

Ein Spaziergang auf dem Broadway in Nashville geht weniger in die Beine als richtig schön ins Ohr. Aus unzähligen Bars ertönt rund um die Uhr Live-Musik. Die meisten Bands spielen Cover-Versionen von Johnny Cash. An das Lebenswerk der 2003 verstorbenen Country-Legende erinnert hier auch ein beliebtes Museum.

Knapp zweihundert Meter von dieser Gedenkstätte entfernt findet man an der Bridgestone Arena ein weiteres «Denkmal». Es zeigt fünf Mannsbilder, die beim NHL-Klub Nashville Predators den Ton angeben. Neben Captain Shea Weber, dessen Assistenten James Neal, dem finnischen Super-Keeper Pekka Rinne und dem Ex-Zuger Mike Fisher ist auch unser Top-Verteidiger Roman Josi auf dem riesigen Transparent über dem Eingang der Predators-Heimat verewigt.

Josis Augen glänzen wie die eines kleinen Buben unter dem Weihnachtsbaum, wenn er zum eigenen Abbild hinauf schaut: «Als Knirps habe ich Joe Sakic und dessen Klub Colorado Avalanche bewundert. Jetzt darf ich selber in der NHL eine Rolle spielen. Ich lebe hier jeden Tag meinen grossen Traum.»

«Roumään Jooousi» in Nashville bei den Fans hoch im Kurs

Der einstige SCB-Junior hat in dieser Saison einen traumhaften Start hingelegt – die Predators liegen in der Western Conference an dritter Stelle. Josi hat in 17 Spielen 4 Tore und 9 Assists erzielt.  Head-Coach Peter Laviolette belohnt seinen Swiss-Star dafür mit einer süssen Portion Sonderlob: «Roman ist mein wichtigster Mann für den Spielaufbau. Er bewegt stets den Puck und kreiert damit meistens etwas Tolles. Er ist definitiv einer der besten Verteidiger der Welt.»

Dementsprechend hoch steht «Roumään Jooousi» bei den Fans der «Preds» im Kurs. «Die Trikots  von Josi sind zusammen mit den Merchandise-Artikeln von Shea Weber und Pekka Rinne unser grösster Kassenschlager», schwärmt Minnie, Verkäuferin im Stadion-Fanshop.

Weil ein Trikot mit der Nummer 59 und dem Namen Josi 220 Dollar kostet, darf man davon ausgehen, dass der Verein einen ansehnlichen Teil von Romans Jahres-gage von vier Millionen Dollar im eigenen Team-Store reinholt.

Josi drückt auf dem Weg zur Shelby Street Bridge, auf der Touristen den spektakulärsten Blick auf die Skyline der 626 000-Einwohner-Stadt erhaschen, einer Bettlerin ein paar Dollar-Noten in die Hand. «Ich bin ein grosszügiger Mensch, manchmal sogar ein bisschen zu grosszügig. Aber ich gebe gerne anderen Menschen ein bisschen von meinem grossen Glück weiter.»

Deshalb hat der liebenswerte Eisheilige kürzlich auch bei einer Charity-Auktion eine Gitarre der englischen Metal-Band Iron Maiden ersteigert. Obwohl er selber viel lieber House-Sound als Hardrock hört und gar nicht Gitarre spielen kann.

Die Silberhelden Josi und Niederreiter sangen «Guantanamera»

Beim Blick auf das Johnny-Cash-Museum spricht der 185-cm-Mann, der von seinen Berner Freunden liebevoll «d Joslä» genannt wird, über ein legendäres Duett mit Nino Niederreiter: «Nino und ich haben an der WM 2013 in Schweden das Hotelzimmer geteilt. Gegen die Langeweile, die während einem langen Turnier auf den Zimmern zum Thema wird, haben wir einen besonderen Stimmungsmacher eingeübt – das spanische Lied Guantanamera. Wir haben diesen Hit oft stundenlang interpretiert und sogar ein Video gedreht. Geklungen hat es zwar nicht wirklich gut, aber es hat sehr viel Spass gemacht. Und dass es uns gut getan hat, belegt ja auch die Silbermedaille, die wir bei dieser WM dann gewinnen konnten.»

Mit Niederreiter telefoniert Josi auch während der NHL-Saison regelmässig. Zumal Ninos Minnesota Wild wie die Predators der Central Division angehören. In der Nacht auf heute haben sich die beiden übrigens in St. Paul duelliert.

«Ich mag Nino sehr, obwohl wir die Freizeit während der Saison sehr unterschiedlich gestalten», erzählt Josi mit einem spitzbübischen Grinsen. Er kann sich einen feinen Seitenhieb an die Adresse seines Bündner Kumpels nicht verkneifen: «Während Nino im Winter häufig auf einer Minigolf-Anlage anzutreffen ist, habe ich als Kind das letzte Mal Minigolf gespielt. Jetzt schaue ich mir lieber im Kino Filme für richtig Erwachsene an ...»

Junggeselle Josi auch mal in Nashvilles Nachtleben

Zu gegebener Zeit taucht Josi gerne ins pulsierende Nachtleben von Nashville ein: «Ich gehe mit meinen Teamkollegen oft ins Acme am Broadway, wo ich mir bei passender Gelegenheit auch mal ein, zwei Bierchen gönne.»

Diesmal führt uns der begehrte Junggeselle aber in sein Lieblings­restaurant Kayne Prime, in dem er sich einen ganz besonderen «Appetizer» genehmigt: «Ich bestelle hier zur Vorspeise immer zwei halbierte Rindsmarkknochen und schmiere das Mark auf ein Toastbrot – das schmeckt göttlich!»

Danach verwöhnt sich Josi mit einem «Red Fish» und erzählt von der besonderen Fan-Kultur in Nash­ville: «Im Stadion gehören unsere Fans zu den lautesten der NHL. Neben dem Eis hast du als Spieler dann meistens deine Ruhe. Ich werde in der Stadt nur selten angesprochen.»

Wenn Josi bei einem Spaziergang doch um ein Selfie gebeten wird, muss es sich beim Bittsteller nicht unbedingt um einen Eishockey-Fan handeln: «Ich werde immer wieder mit Hollands Fussball-Star Robin van Persie verwechselt. Kürzlich ist mir ein Mann begegnet, der mir nicht glauben wollte, dass ich für die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft und nicht für Oranje spiele ...»

Dass der Puck-Virtuose zumindest mit kleinen Bällen auch sehr gut umgehen kann, beweist er regelmässig am Tischtennis-Tisch in der Predators-Garderobe – Josi ist teamintern im Ping Pong die Nummer 1. «Auf diesen Titel kann ich mir nicht allzu viel einbilden, weil die Kanadier und Amerikaner in unserer Mannschaft wirklich kein Talent fürs Tischtennis mitbringen.»

Josi stapelt tief. Aber in Wahrheit macht er in Nashville auf und neben dem Eis die Musik. Einige Country-Bands sollen in ihren Probelokalen angeblich bereits die Melodie des Berner Marsches üben. Die Berner Hymne soll am Broadway in Nashville gespielt werden, wenn «d Joslä» die Predators zum ersten Stanley-Cup-Sieg in der Vereinsgeschichte führt.

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