Wer darfs im WM-Viertelfinal sein?
Die möglichen Gegner der Schweizer Hockey-Nati

Die Viertelfinal-Qualifikation ist vor dem letzten Gruppenspiel gegen Tschechien längst fix. Wer wäre der beste Gegner? Finnland, Kanada, Deutschland oder die USA? Einfach wird es nicht.
Publiziert: 21.05.2019 um 01:24 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2019 um 12:51 Uhr
Stephan Roth aus Bratislava

Her mit den Deutschen?

Nicht unbedingt. Wer will schon gegen ein Team antreten, das vom Berner Meistertrainer Kari Jalonen väterlich beraten wird. Mit Deutschland hat die Nati nach dem Out an den Olympischen Spielen 2018 zwar noch eine Rechnung offen. Ein Sieg wäre doppelt so süss, eine Niederlage schmeckt aber bitterer als gegen jeden anderen Gegner. Zudem hätte eine Pleite einen unschönen Nebeneffekt. Die Nati würde in der Weltrangliste vom Erzrivalen überholt und auf Platz 8 abrutschen. Immerhin haben beide das Ticket für Olympia 2022 in Peking schon auf sicher.

Die Deutschen, die seit dem Absprung von Olympia-Silberschmied Marco Sturm (Assistent in Los Angeles) vom Finnen Toni Söderholm gecoacht werden, starteten wie die Schweizer mit vier Siegen ins Turnier (bester WM-Beginn seit 1930) und rissen Gastgeber Slowakei (3:2) mit zwei späten Toren brutal aus der Euphorie.

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Der Star des Teams, in dem noch elf Olympiahelden dabei sind, ist Leon Draisaitl. Der 23-Jährige skorte bei Edmonton an der Seite von Superstar Connor McDavid in der NHL 105 Punkte. Zum Vergleich: Timo Meier stellte diese Saison mit 66 Zählern einen neuen Schweizer Rekord auf.

Die Frage stellt sich, ob sich Colorado-Goalie Philipp Grubauer und Supertalent Moritz Seider (18) rechtzeitig vollständig von ihren Verletzungen erholen.

Oh, wie wärs mit Kanada?

Die Erinnerungen könnten nicht besser sein. Letztes Jahr schaffte die Nati in Kopenhagen im Halbfinal mit dem 3:2-Sieg gegen das Mutterland des Eishockeys den ganz grossen Wurf. Es war nicht die erste Sternstunde der Schweiz gegen die Kanadier: Man erinnere sich an die WM in Paris 2017 (3:2 n.V.), 2013 auf dem Weg zu Silber in Stockholm (3:2 n.P.), 2010 in Mannheim (4:1) und Olympia 2006 in Turin (2:0).

Die Kanadier, denen die ganz schillernden Namen nach dem späten Forfait von John Tavares fehlen, starteten in Kosice nur langsam ins Turnier, verloren gegen Finnland, hatten Mühe mit Frankreich und bezwangen die Slowakei erst in letzter Sekunde.

Doch langsam hat das Team des künftigen Philadelphia-Trainers Alain Vigneault Fahrt aufgenommen. Die Deutschen wurden bös auf den Boden der Realität (8:1) runtergeholt. Vegas-Star Mark Stone, der in den nächsten 8 Jahren 76 Mio. Dollar verdienen wird, buchte einen Hattrick und Detroits Flügel-Riese Anthony Mantha (1,95 m) schoss das bis dato schönste Tor des Turniers, als er den Puck mit einem Schuss zwischen den eigenen Beinen hindurch ins Netz zauberte.

Auch wenn die Kanadier nicht so viel Star-Power wie die Russen oder Schweden in die Slowakei – die Provinzstadt Kosice hatte keine magnetische Wirkung – gebracht haben, verfügen sie über genug Qualität und haben nur NHL-Spieler im Team.

Hände weg von den USA?

Während die Kanadier einige Stürmer mit grosser Wasserverdrängung im Team haben, setzen die USA vor allem auf Speed. Kleine, rassige und trickreiche Stürmer sind das Markenzeichen der Mannschaft von Detroit-Coach Jeff Blashill. Absagen von Stars waren, mit Ausnahme des verletzten Auston Matthews, eine Seltenheit.

Angeführt wird das Team vom ehemaligen Bieler Lockout-Gast und Captain Patrick Kane, der in der abgelaufenen Saison bei Chicago 110 Punkte buchte. Die weiteren Wirbelwinde im Sturm: Alex DeBrincat (ebenfalls Chicago), Jack Eichel (Buffalo), Johhny Gaudreau (Calgary), Clayton Keller (Arizona) und Dylan Larkin (Detroit).

Angesichts dieser Qualität nur eine Nebenrolle bleibt da dem erst knapp 18-jährigen Jack Hughes. Ihm gehört allerdings die Zukunft: Nach wie vor gilt er als Top-Favorit, im Sommer, wie Nico Hischier vor zwei Jahren, als Nummer 1 im NHL-Draft von den New Jersey Devils gezogen zu werden.

Das letzte Viertelfinal-Duell gegen die USA verloren die Schweizer 2015 in Ostrava unter Glen Hanlon. Unvergessen bleibt hingegen der Sieg in Stockholm zwei Jahre zuvor, als die Mannschaft von Sean Simpson auf dem Weg zu Silber im Halbfinal gegen die Amerikaner (3:0) das bisher beste Schweizer WM-Spiel überhaupt zeigte.

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Wieder gegen die Finnen gewinnen?

Warum nicht? Hier in Bratislava mussten die Schweizer gegen Schweden (3:4) und Russland (0:3) feststellen, dass es Mannschaften gibt, die individuell doch stärker besetzt sind und mehr Klasse haben.

So gesehen braucht man noch nicht ins Zittern zu kommen, wenn man an die Finnen denkt. Die Mannschaft des anderen Jalonen (Jukka) hat keinen einzigen NHL-Stammspieler dabei und überzeugt mehr durch defensive Stabilität und mannschaftliche Geschlossenheit als durch individuelle Extraklasse. So hat es auch Platz für die NL-Spieler Toni Rajala (Biel), Harri Pesonen (SCL Tigers) und Petteri Lindbohm (Lausanne).

Für die Musik ist vor allem ein 18-jähriger besorgt: Kaapo Kakko. Der Stürmer, der in dieser Saison in der Liiga 26 Tore in 50 Spielen für TPS Turkku erzielte, sorgte für eine regelrechte Hysterie in Kosice. 6 Treffer hat er an der WM bereits erzielt und damit das Duell (gegen Hughes) um die Nummer-1-Position im Draft neu angeheizt.

Mit den Finnen machte die Mannschaft von Patrick Fischer letztes Jahr ausgezeichnete Erfahrungen: Im Viertelfinal von Herning gelang eine wunderbare Überraschung (3:2). Da würde man sich doch gerne noch einmal das Gleiche bestellen.

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