Kanadas Eishockey-Schande
Sexskandale und eine geheime Schmerzensgeld-Kasse

Kanada ist in Aufruhr. Premierminister Justin Trudeau droht dem Eishockey-Verband mit der Auflösung. Sponsoren sind abgesprungen. Und die Verbands-Chefin ist zurückgetreten.
Publiziert: 11.10.2022 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2022 um 09:34 Uhr
Stephan Roth

Im April reichte eine 20-jährige Frau eine 2,55-Millionen-Franken-Klage gegen acht Spieler, den kanadischen Eishockey-Verband «Hockey Canada» und die Juniorenliga CHL ein. Kurz darauf einigten sich die Parteien aussergerichtlich. Der Verband bezahlte eine Millionen-Abfindung.

Wie kam es dazu? Nach einer Gala des Verbands im Sommer 2018 feierte die Frau mit einigen jungen Hockeyspielern, ehe sie mit einem von ihnen in einem Hotelzimmer einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatte. Danach sei sie von sieben Spielern, die dazu gekommen waren, missbraucht worden. Die junge Frau war dabei gemäss eigenen Aussagen stark alkoholisiert. Unter den mutmasslichen Tätern sollen auch Mitglieder des U20-WM-Gold-Teams gewesen sein.

Der Skandal zog seither immer weitere Kreise. Verbandsvertreter mussten vor einem Parlamentsausschuss aussagen. Dabei gaben sie zu, seit 1989 rund 6,5 Millionen Franken für Vergleiche mit Missbrauchsopfern überwiesen zu haben.

Das kanadische Eishockey wird von einer Serie von Skandalen erschüttert.
Foto: Toronto Star via Getty Images
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Ein weiterer erschütternder Missbrauchsfall einer U20-Nati aus dem Jahr 2003 kam ans Tageslicht. Die Polizei rollt inzwischen sowohl die Fälle von 2003 als 2018 neu auf.

Premierminister Trudeau droht mit Verbands-Auflösung

Es stellte sich heraus, dass die internen Untersuchungen beim Verband äusserst lax durchgeführt, Missstände unter den Teppich gekehrt wurden und ein geheimer Fond mit Lizenz-Beiträgen gefüllt wurde, um Schmerzensgelder nach sexuellem Missbrauch decken zu können.

Es wurde klar, dass nicht nur betrunkene Jungstars in Skandale verwickelt waren, sondern ein tiefgreifender Missstand im kanadischen Hockey vorliegt – und jegliches Unrechtsbewusstsein beim Verband fehlte. Zahlreiche Sponsoren des Verbands zogen sich zurück. Der Staat sistierte Beiträge, ebenso mehrere regionale Verbände.

Derweil forderte Premierminister Justin Trudeau «umfassende Veränderung». Und drohte damit, wenn nötig, Hockey Canada aufzulösen und eine neue Organisation namens Canada Hockey zu gründen.

Auf Druck der Öffentlichkeit trat nach ihrem Vorgänger Michael Brind'Amour nun auch die interimistische Verbands-Chefin Andrea Skinner zurück, die am umstrittenen Geschäftsführer Scott Smith festgehalten und den Verband in Hearings vor dem Parlament verteidigt hatte. Auch Smith ist mit dem gesamten Vorstand zurückgetreten.

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