Doug Honegger
Matthews ist eine Pleitensaison wert

Doug Honegger beleuchtet für BLICK exklusiv den nordamerikanischen Sportalltag. Heute im Fokus: Auston Matthews und der NHL-Draft.
Publiziert: 20.03.2016 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 09:05 Uhr
Doug Honegger
Doug Honegger beleuchtet exklusiv für Blick.ch den nordamerikanischen Sportalltag.

Das Szenario wiederholt sich jedes Jahr: Da gibt es diesen einen, fantastischen jungen Spieler, den jedes NHL-Team unbedingt haben möchte.

Aktuell ist Auston Matthews der grosse Preis, der junge Amerikaner, der sein letztes Jahr ausserhalb der NHL bei den ZSC Lions in der Schweiz verbrachte. Wer ihn haben will, muss zuvor eine bedenklich schwache Saison spielen und dann noch das Glück haben, bei der Draft-Lottery der Habenichtse vor dem eigentlichen Auswahlverfahren das erste Wahlrecht zu erhalten.

Die besten Chancen auf den ersten «Pick» hat das punkteschwächste Team der Regular Season. Um sich diese zweifelhafte Ehre zu sichern, zerlegt der zuständige Manager sein Team schon mal in Einzelteile und verscherbelt Spieler, die auch nur den kleinsten Gegenwert versprechen, für einen Eimer voller Pucks – Hauptsache, man gewinnt bis zum Ende der Saison nicht mehr  viele Spiele.

Auston Matthews ist im nächsten NHL-Draft das Objekt der Begierde.
Foto: EQ
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Dieser Vorgang wird im Fachjargon «Tanking» genannt, was sinnstiftend übersetzt etwa bedeutet, dass man freiwillig baden geht. Das wird aber keine NHL-Organisation offiziell zugeben, es wird dann bedeutungsschwanger von einem Neubeginn gesprochen. Chicago und Pittsburgh sind Organisationen, die nach mehreren ruinösen Saisons in Folge praktisch bei Null beginnen konnten und mit Hilfe von erstklassigen Talenten wie Lemieux, Crosby, Kane oder Toews einen Neustart einleiteten. Und ein paar Jahre später mit dem Stanley Cup belohnt wurden. 

Ausnahmespieler allein sind allerdings noch keine Garantie für einen schwungvollen Wiederaufbau. Ohne geschickte Strategie der Manager geht es nicht, die einst unschlagbaren Edmonton Oilers konnten sich seit 2006 nie mehr für die Playoffs empfehlen, obwohl sie allein in den letzten Jahren vier Mal das erste Wahlrecht zur Verfügung hatten. Mittlerweile arbeiten die Oilers daran, ihren Ruf als armseligste Organisation der Liga loszuwerden.

Die Toronto Maple Leafs waren den Oilers dabei lange Zeit knapp auf den Fersen, aber nach einem Housecleaning in der Teppichetage ist der neue GM Lou Lamoriello auf dem Weg, diesen für Kanadas bedeutendste Metropole unhaltbaren Zustand zu ändern. In seinem ersten Jahr hat der 73-Jährige Lamoriello acht Stammspieler verscherbelt und dabei etwas erreicht, was viele für unmöglich hielten.

Er wurde langfristige und teure Knebelverträge los (Kessel, Phaneuf, Clarkson), verjüngte das Team und raubte der Mannschaft so die Konkurrenzfähigkeit. Verlieren als Strategie.

Lamoriello hat sein Zwischenziel erreicht: Zehn Debütanten stehen mittlerweile im Kader der Maple Leafs, die kaum noch von ihrem Farmteam in der AHL zu unterscheiden sind. Von Position 30 kann sich Toronto nur noch aus eigener Kraft verdrängen, die Poleposition für die Draft-Lottery mit der 20-Prozent-Garantie für das erste Wahlrecht ist Lamoriello nicht mehr zu nehmen. Geht der Plan auf, wird Auston Matthews nächste Saison zum Hoffnungsträger der Maple Leafs.

In der Erfolgsorientierten Umgebung der NHL ist Gewinnen das Mass aller Dinge, aber wenn der letzte Platz einen Spieler wie Auston Matthews als «Trostpreis» garantiert, nimmt man eine Pleitensaison halt in Kauf.

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