NFL-Star Roethlisberger weint nach dem Spiel
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Gänsehaut-Interview am TV:NFL-Star Roethlisberger weint nach dem Spiel

Bye-bye, «Big Ben» Roethlisberger
Wie der NFL-Star mit Schweizer Wurzeln seinen Ruf ruinierte

Am Sonntag macht Ben Roethlisberger wohl sein letztes NFL-Spiel. Blick sagt, wie sich die Beziehung von Big Ben zur Schweiz über die Jahre verändert hat: Von der Euphorie nach dem Superbowl zur Empörung über seine Skandale.
Publiziert: 09.01.2022 um 17:33 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2022 um 20:50 Uhr
Emanuel Gisi

Big Ben nennen sie ihn und die längste Zeit wurde Ben Roethlisberger (39) seinem Spitznamen mehr als gerecht. 1,96 m gross und mit rund 110 Kilogramm Körpergewicht so robust gebaut wie ein Mähdrescher, zermalmte der Quarterback der Pittsburgh Steelers während fast zwei Dekaden seine Gegner in der NFL. Der Mann mit Schweizer Ur-Ahnen konnte gegnerische Abwehrspieler überrennen, er ging nicht zu Boden, wenn sie ihn niederzureissen versuchten, und er fand mit seinem Wurfarm regelmässig die freien Mitspieler in der Tiefe des Raumes.

Doch zuletzt bekam Big Ben häufiger einen an die Glocke, als er austeilte. Wenn der zweifache Superbowl-Champion am Sonntag das höchstwahrscheinlich letzte Spiel seiner Karriere bestreitet, wird manch ein Pittsburgh-Fan aufatmen. Zu offensichtlich wurde in den letzten beiden Jahren, dass Roethlisberger den Zeitpunkt verpasst hat, auf dem Höhepunkt seines Schaffens aufzuhören.

Nicht alles sah nach Lehrbuch aus

Wo er vor ein paar Jahren die Tatsache, dass seine Offensive Line zu den schlechtesten der NFL gehört, damit ausgeglichen hätte, dass er jegliche Gegenspieler einfach an sich hätte abprallen lassen, musste er sich zuletzt gegnerischer Übermacht geschlagen geben. Wo er früher seine Wide Receiver mit langen Pässen angespielt hätte, ist sein Arm mittlerweile zu schwach für spektakuläre Spielzüge. Während Tom Brady und Peyton Manning auch spät in der Karriere noch Superbowls gewannen, wird Roethlisberger kaum noch einmal einen Titel holen. Seine Steelers haben eine Aussenseiterchance, am Sonntag im letzten Saisonspiel doch noch irgendwie in die Playoffs zu rutschen.

In Pittsburgh sagen sie Danke: Ben Roethlisberger wird nach 18 Jahren aufhören. Sein letztes Heimspiel hat der Quarterback bereits hinter sich.
Foto: AFP
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«Es sah nicht immer schön aus, aber wir haben einen Weg gefunden», sagte Roethlisberger am letzten Montag, als es gegen Cleveland noch einmal einen Sieg gab. Den letzten in Heinz Field, seinem Heimstadion der letzten 18 Jahre. Es ist ein Satz, der zu seiner Karriere passt. Nicht alles sah nach Lehrbuch aus bei Big Ben, was aber vielleicht sogar ein Grund für seine Beliebtheit wurde. Wo Brady und Manning alles leicht zu fallen schien, musste sich Roethlisberger seine Erfolge mit brachialer Kraft erringen. Sogar in der Schweiz flogen dem «Schweizer» die Herzen zu – obwohl er ausser einem Ur-Ur-Grossvater aus dem Emmental mit dem Land nicht viel am Hut hatte.

2006 erstmals in der Schweiz

Als er nach dem Superbowl-Sieg 2006 als 24-Jähriger erstmals die Schweiz besuchte, verfolgte ihn das SRF-«Sportpanorama» einen Tag lang auf Schritt und Tritt. Beni Thurnheer versuchte im Studio seinen Namen auszusprechen und nachdem er mit dem Trottinett durch die Stadt gefahren war und mit seiner Familie den Zytglogge-Turm erklommen hatte, erklärte er: «Jetzt weiss ich, warum ich Uhren liebe.» Dem SonntagsBlick eröffnete er: «Es macht mich stolz, dass ich die Schweiz in den USA repräsentieren darf.»

Doch schon bald wurden die Schlagzeilen düsterer. Im selben Sommer verunglückte er bei einem Töff-Unfall schwer, bei seinem Sturz hatte er keinen Helm getragen. Teamkollegen berichteten darüber, dass er in der Kabine gar nicht gut ankomme – der Erfolg sei ihm wohl zu Kopf gestiegen. 2009 wurde es richtig eng für Roethlisberger: Eine Casino-Angestellte warf ihm vor, sie vergewaltigt zu haben. Man einigte sich aussergerichtlich. Kurz darauf meldete sich eine Studentin zu Wort, die ihm vorwarf, sie auf der Toilette einer Bar vergewaltigt zu haben. Das Verfahren wurde eingestellt, Roethlisberger wurde dennoch für 6 NFL-Spiele gesperrt.

Pornodarstellerin enthüllte Delikates

Sein Ruf war erst einmal im Eimer. Auch in der Schweiz schmückte man sich plötzlich nicht mehr so gern mit Roethlisberger. Als 2018 die Pornodarstellerin Stormy Daniels in einem Buch enthüllte, dass Roethlisberger 2006 für den späteren US-Präsidenten Donald Trump auf sie «aufgepasst» und sie zu ihrem Hotelzimmer gebracht hatte, erstaunte das in der US-Öffentlichkeit niemanden mehr. Dass er dort mindestens nach einem «Gute-Nacht-Kuss» gefragt hatte, ebenfalls nicht.

Darüber sprach am Montag niemand mehr. Der TV-Sender ESPN gewährte Roethlisberger noch einmal einen heroischen Abgang. Rein sportlich hat er den verdient: In den relevanten statistischen Kategorien befindet er sich in den ewigen NFL-Bestenlisten weit vorne. Seine Aufnahme in die Hall of Fame wird nur eine Frage der Zeit sein. Auch wenn es nicht immer schön aussah, in jeglicher Hinsicht.

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