Ratgeber-Kolumne von Schriftsteller Thomas Meyer
«Freundschaft ist das Gegenteil von Smalltalk»

Unser Kolumnist über die Frage: Wie beendet man eine langjährige Freundschaft mit Stil?
Publiziert: 23.12.2015 um 08:52 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 01:14 Uhr
Thomas Meyer

Wie kann man stilvoll eine langjährige Freundschaft beenden?

Wenn sich Ihnen diese Frage stellt, handelt es sich mit Bestimmtheit nicht um eine Freundschaft, sondern lediglich um eine Bekanntschaft. Niemand will eine echte Freundschaft beenden, denn diese ist ebenso selten wie wertvoll. Was auch erklärt, warum selbst ferne Bekannte als Freunde bezeichnet werden: Wir wollen einfach unbedingt welche haben. Zudem schickt es sich wirklich nicht, ein Mensch ohne Freunde zu sein.

Doch viele von uns sind genau das. Das ist betrüblich, allerdings auch nicht weiter überraschend. Wer in Restaurants, Cafés, in der Eisenbahn, im Büro und an Veranstaltungen, aber auch am Familientisch einmal bewusst den Unterhaltungen lauscht, stellt fest, wie grauenhaft oberflächlich diese sind. Oft tauschen wir uns nur über Nichtigkeiten aus.

Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht.
Foto: Inge Jurt

So kann keine Freundschaft entstehen. Freundschaft ist das exakte Gegenteil von Smalltalk. Sie ist intim, persönlich, teilnahmsvoll, offen, ehrlich und in alledem völlig schonungslos.

Immer wieder muss man sich Dinge über sich selbst anhören, die man nicht hören will, und Auskunft erteilen über Angelegenheiten, die einen nicht im besten Licht erscheinen lassen. Freundschaft ist anstrengend. Aber nur so kann man wachsen und sich ernsthaft mit anderen Menschen verbinden.

Langjährige Bekanntschaften, die nie solche Gefilde erreicht haben, werden irgendwann zur Last. Wir ärgern uns über die anhaltende Seichtheit der Begegnung wie auch über unsere Feigheit, den Kontakt einfach abzubrechen. Es gibt ja auch keinen Grund; es ist nichts vorgefallen, das als Anlass dienen könnte.

Da gibt es nur eines: das Problem ansprechen. Darüber reden, dass dies keine Freundschaft sei, dass Tiefe und Nähe fehlten. Allein ein solcher Nicht-Smalltalk kann alles zum Besseren verändern – oder die Sache wenigstens in Anstand und Würde beenden.Der Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer beobachtet seine Mitmenschen seit nunmehr 41 Jahren. Das ist denen nicht immer recht.

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