Deshalb will Nordmann in Bundesbern weitermachen
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Nach 16 Jahren im Nationalrat:Deshalb will Nordmann in Bundesbern weitermachen

Die zwei Waadtländer SP-Schwergewichte Maillard und Nordmann kämpfen um einen Sitz im Stöckli
Feind, Todfeind, Genosse

Roger Nordmanns Amtszeit im Nationalrat läuft aus. Deshalb will er nun in den Ständerat. Wie auch Pierre-Yves Maillard. Ein Duell unter Sozialdemokraten.
Publiziert: 06.06.2022 um 11:16 Uhr
Tobias Marti

Bern, Bundesgasse: Der Mann grüsst hier und da, da und hier winkt es zurück, im Café bestellt er seine Focaccia wie ein alter Freund, vorbeieilenden Journalisten nickt er jovial zu, Aline Trede, Nationalrätin der Grünen, winkt ihm vom Velo zu, und nun kommt auch noch Nationalratskollege Nik Gugger von der EVP vorbei.

Roger Nordmann (49) kennt Bundesbern. Und, noch viel wichtiger: Bundesbern kennt ihn. Nur hat dieser Roger Nordmann – seit 15 Jahren Nationalrat, Fraktionschef der Sozialdemokraten, gewiefter Taktiker, Dealmaker und Brückenbauer, ein Romand, der Schweizerdeutsch lernte – ein Problem: Seine Tage in dieser schönen Stadt sind gezählt.

Waadt mit Amtszeitbeschränkung

Nordmann stammt aus der Waadt, und dort kennen die Sozialdemokraten eine Amtszeitbeschränkung. Nach vier Legislaturen (16 Jahre) ist im Herbst 2023 Schluss.

Zwei SP-Schwergewichte aber nur ein Sitz zu erkämpfen: SP-Fraktionschef Roger Nordmann.
Foto: Thomas Meier
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Was ihm bleibt, ist der Wechsel in die andere Kammer, in den Ständerat. Wenn ihm das Stöckli aber verwehrt bleibt, ist seine Politkarriere perdu. Doch ehe Nordmann überhaupt an eine Kampfwahl gegen die heutigen Waadtländer Vertreter im Ständerat, Olivier Français (FDP) und Adèle Thorens (Grüne), denken kann, droht ihm Ungemach. Intern, von einem anderen SP-Schwergewicht. Es geht um eine Kampfwahl vor der Kampfwahl.

Maillard ist präsent

Zürich, Kreis 5, Ex-Industriequartier, Pierre-Yves Maillard (54) ist heiser – seit dem 1. Mai, als der Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat am Tag der Arbeit an drei Demos sprach. Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds liebt es, bei der Basis zu sein, dass ihm Delegierte und Demonstranten zuhören und umgekehrt, aber klar leidet da die Stimme.

Natürlich hört man ihn trotzdem: Maillard nimmt man wahr, einen roten Boss von altem Schrot und Korn, einen Dampfer auf Linkskurs, der gerade die Hallen des Zürcher Schiffbaus durchquert, wo früher Arbeiter schweissten und hämmerten und heute die Kultur zu Hause ist. Gegen Fabrikschliessungen, sinniert Maillard, habe er früher oft gekämpft. Er sieht sich als Streiter für den Service public, der sich gegen neoliberale Zumutungen wie Privatisierung und Deregulierung wehrt.

Maillard prophezeit schwierige Zeiten

Die Zeiten werden schwierig, da hat er keine Zweifel, für die Arbeitnehmenden einerseits: «Wir erleben Kaufkraftverlust, die Löhne steigen nicht, dafür aber die Preise.» Und für die Linke im Ständerat andererseits, weil es dort schwer zu verteidigende Sitze gebe. Aus diesem Grund trete er dort an.

Von manchen Parteifreunden wird er deshalb nun als Verdränger Nordmanns gesehen. Dass es ihnen jetzt nur darum gehe, nervt Maillard sichtlich. Er sagt, manchmal sei man in einer Situation, in der man es nicht allen recht machen könne. «Entweder heisst es, er lässt uns hängen, oder dann kommt der Vorwurf, man verdränge jemanden. Keine Wahl ohne Vorwürfe», sagt der Mann, dem schon allerlei Kosenamen wie Bulldozer oder Kampfmaschine angehängt wurden.

Können sie nebeneinander politisieren?

«Feind – Todfeind – Parteifreund», soll Konrad Adenauer, der erste deutsche Bundeskanzler, über persönliche Dynamiken in der Politik gesagt haben. Und wie steht es ums Verhältnis zwischen den Genossen? «Gut, sachlich», betonen Maillard und Nordmann unisono, was irgendwie auch auffällig ist.

Klar fühlt sich Nordmann von Maillard bedrängt, was er natürlich so nicht sagt. Er drückt das anders aus, betont, dass es eine Lösung für beide gäbe, dass sowohl Maillard wie er auch in Zukunft politisieren könnten: «Wenn ich gewinne, kann ich weitermachen und er ebenfalls, einfach im Nationalrat.» Weil sie sich ja gut ergänzten, so Nordmann, könnten sie der SP noch viel geben. Er, der die Klima-, Energie- und Umweltfrage geprägt habe, und Maillard, der unter anderem die Lohnpolitik beackere. Es ist erkennbar ein Versuch, den eigenen Sieg als Win-win-Lösung anzupreisen.

«Ich bin bereit zu kämpfen»

Maillard ist jetzt Mitte fünfzig, steht voll im Saft. Hätte er Nordmann den Vortritt lassen und vier Jahre warten sollen? Er verheimlicht nicht, dass er sich die Wahl bereits vor vier Jahren zugetraut hat. Damals aber habe er zugunsten einer Frau, Ada Marra, verzichtet.

Der Waadtländer SP-Sitz im Ständerat ging dann verloren. Damals sei ihm vorgeworfen worden, dass er sich nicht angeboten habe, so Maillard. «Die Partei hatte Schwierigkeiten bei den vergangenen Wahlen. Und nun wurde ich gefragt, ob ich zur Verfügung stehe für diese schwierige Wahl. Ich bin bereit zu kämpfen, seriös, treu und engagiert», sagt er.

Die Partei soll entscheiden

Maillard wäre wohl nicht angetreten, wenn er Nordmann einen Sieg zutrauen würde. Das aber sagt er nicht. Er sagt lediglich: «Die Partei entscheidet.»

Der Gewerkschaftsboss ist der Favorit, bei den letzten eidgenössischen Wahlen in der Waadt machte er mehr Stimmen als Nordmann. Und regiert hat er auch schon, 15 Jahre als Waadtländer Staatsrat, er kann also eine Majorzwahl wie die um den Sitz im Ständerat gewinnen.

Kein Wahlkampf gegeneinander

Jedenfalls haben sie abgemacht, keinen Wahlkampf gegeneinder zu führen. Am 25. Juni entscheidet die Parteibasis in der Waadt, wen sie 2023 als SP-Ständeratskandidaten ins Rennen schicken will. Weil es um eine interne Ausmarchung geht, wären Auftritte, Plakate und Co. sowieso reichlich absurd. Die rund 300 Waadtländer Delegierten werden indes in den kommenden Tagen bestimmt noch von ihnen hören.

Nun muss Roger Nordmann los, im Bundeshaus wartet eine Kommissionssitzung. Pierre-Yves Maillard hat einen Podiumsauftritt im Zürcher Industriequartier. Dort trifft er auf eine bekannte SP-Politikerin, die ausspricht, was viele Genossen jenseits der Waadt denken: Sie sei froh, müsse sie nicht zwischen den beiden wählen.

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