«Was frne Skandal!»
Credit Suisse bemerkte Corona-Kredit-Betrug und zahlte trotzdem – wegen Panne

Mit falschen Angaben wollte sich der Betreiber der Praxis-Kette «Mein Arzt» Corona-Kredite in Millionenhöhe sichern. Mitarbeiter bei der Credit Suisse bemerkten den Schwindel – und doch wurde das Geld schliesslich ausgezahlt.
Publiziert: 11.08.2021 um 10:03 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2021 um 11:56 Uhr

Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) brachte der Lockdown in die Bredouille. Um die Firmen zu retten, verabschiedete der Bundesrat im März 2020 ein Rettungsprogramm in der Höhe von 40 Milliarden Franken. Das machte sich der Chef der Praxiskette «Mein Arzt», Christian Neuschitzer, zunutze.

So stellte er nicht für das ganze Unternehmen, sondern für jede Praxis einzeln die Anträge, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Neuschitzer schraubte zudem kurzerhand die Umsätze in die Höhe, um so mehr von den Corona-Krediten einzusacken. Denn maximal zehn Prozent des Umsatzes von 2019 wurden ausbezahlt.

«Mein Arzt» war zu dem Zeitpunkt angeschlagen, war auf eine Finanzspritze angewiesen. Also liess der Österreicher die Credit Suisse von seinen Mitarbeitern mit Corona-Kredit-Anträgen überschwemmen. Und liess in die Formulare eintragen, dass jede Praxis einen Umsatz von 1,5 Millionen Franken gemacht habe. Hätte er alles korrekt ausgefüllt, hätte er lediglich 690'000 Franken Kredit erhalten.

Christian Neuschitzer täuschte die Credit Suisse in den Anträgen für die Corona-Kredite.
Foto: Xing
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Geld wurde doch ausbezahlt: «Was frne skandal»

Doch die Mitarbeiter bei der Credit Suisse wurden stutzig. «Meinarzt het für jedi meinarzt beziehig e umsatz vo 1’500’000 agäh», schrieb ein Mitarbeiter im internen Chat, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Ein anderer warnte: «D houptfirma het tonnewies betriebige.» Und schnell war klar: Da ist was faul. «Er heit niiiiiiie sövu Umsatz», wird im CS-Chat geschrieben.

Noch am selben Tag wurden die beteiligten CS-Mitarbeiter informiert. Sie sollten auf keinen Fall die Anträge von «Mein Arzt» bearbeiten, kein Geld solle ausgezahlt werden. Die Situation schien entschärft, der versuchte Betrug gestoppt.

Doch dann flossen trotzdem die Corona-Kredite. 3,6 Millionen Franken wurden ausbezahlt. Der Grund: Zwei Tage später waren andere CS-Mitarbeiter am Drücker. Sie wussten nichts von den falschen Umsatzzahlen, waren nicht informiert und witterten keinen Verdacht – und so wurde das Geld dann doch überwiesen. Ein Schock für die Angestellten. «Ohhh gottttttt», heisst es im Chat. Ob das Geld jetzt ausbezahlt wurde, fragte eine Mitarbeiterin. Ja, alles, bekam sie als Antwort. Ihre Reaktion: «Was frne skandal.»

So schnell das Geld ausbezahlt wurde, so schnell war es auch weg. Nur 300'000 Franken wurden bis heute zurückbezahlt. Die restlichen Millionen wurden in die Praxis-Kette gesteckt.

«Verstehe nicht, warum die Credit Suisse das Geld ausbezahlte»

Für den Kredit-Betrug wurde der Österreicher inzwischen vom Bezirksgericht Bülach verurteilt. Zehn Monate musste er in den Knast. Dazu erhielt er fünf Jahre Landesverweis. Mittlerweile ist er wieder auf freiem Fuss. Seine Zeit im Gefängnis hat er schon abgesessen. Er sei sicher nicht unschuldig, sagt er zur Zeitung. «Aber ich verstehe auch nicht, warum die Credit Suisse das Geld ausbezahlte, statt mich auf meine Fehler in den Gesuchen hinzuweisen, wenn sie schon davon wusste», sagt er zum «Tages-Anzeiger».

Für die Staatsanwaltschaft ist aber klar: Die CS ist unschuldig. Die Bank habe korrekt gehandelt. Grundsätzlich sollten die Banken nur prüfen, ob die Anträge vollständig sind. Eine inhaltliche Prüfung war nicht vorgesehen. Und auch die CS betont gegenüber der Zeitung nochmals: «Im vorliegenden Fall ist die Staatsanwaltschaft zum Schluss gekommen, dass die Credit Suisse keine Pflichten verletzt hat.»

Der Bund will nun genauer hinsehen bei den Corona-Krediten und die Anträge rückblickend prüfen. (jmh)

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