Warens wieder die «Lochergut-Jungs»?
Schwules Paar an Gay-Pride in Zürich verprügelt

Ein Männer-Paar wurde nach seiner Teilnahme an der Zurich Pride in der Nacht auf Sonntag beim Zürcher Lochergut angegriffen und verletzt – weil sie schwul sind.
Publiziert: 16.06.2019 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2021 um 09:13 Uhr
Marsel Szopinski

Am Samstag wird in Zürich die Pride gefeiert. Auch Micha Finkelstein (29) und sein Mann Nick Hintermann (29) gehen hin, um für die Rechte Homosexueller einzustehen. Am späten Abend kehren sie mit einer Bekannten heim. Kurz vor ihrer eigenen Haustür beim Lochergut werden sie angegriffen – weil sie schwul sind.

Unbekannte schreien sie von hinten an: «Schwuchteln! Seid ihr schwul?» Ehe sie sich umdrehen können, schlägt einer der Täter mit der Faust auf den Nacken von Finkelstein ein. Danach ins Gesicht. «Ich fürchtete um mein Leben», sagt Finkelstein zu BLICK. Doch sie setzen sich zur Wehr – und schlagen die Angreifer in die Flucht.

Homophobe Gang beim Lochergut?

Das Paar ruft die Polizei zu Hilfe. «Die Beamten kamen sehr schnell und waren einfühlsam. Sie schienen zu ahnen, wer die Täter sein könnten, sprachen von ‹Lochergut-Jungs›», so Finkelstein. Die Stadtpolizei Zürich bestätigt den Einsatz. Laut Finkelstein handelt es sich um drei Männer, die alle komplett in Schwarz gekleidet waren und einen ausländischen Akzent hatten. «Zurzeit sind uns jedoch keine weiteren Zwischenfälle gemeldet worden», sagt Brigitte Vogt, Mediensprecherin der Stadtpolizei Zürich, zu BLICK.

Micha Finkelstein und Nick Hintermann wurden in Zürich angegriffen – weil sie schwul sind.
Foto: zVg
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Noch am darauffolgenden Morgen sitzt der Schock beim Paar tief. «Heute musste ich Schmerztabletten nehmen», erzählt Finkelstein. Die Verletzungen sind nicht schwerwiegend. «Ich bin aber auch wütend: Es war klar ein Angriff gegen Schwule.» Deshalb brauche die Schweiz ein Antidiskriminierungsgesetz, damit solche Hassverbrechen korrekt geahndet werden könnten. Am Sonntagnachmittag werden sie gemeinsam Anzeige gegen Unbekannt erstatten.

Wiederholte Angriffe im Quartier

Leider ist das nicht der erste Gewaltakt gegen Schwule im Quartier. Zudem wurden Infostände von LGBT-Organisationen im Mai im Kreis 4 zerstört, wie Videoaufnahmen zeigen. Ob ein Zusammenhang besteht, ist noch unklar.

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Auch ein befreundetes Paar von Finkelstein wurde vor einem Jahr am benachbarten Bullingerplatz angegriffen. Sie assen auf einer Parkbank am Brunnen zu Mittag. «Plötzlich wurden wir von einem halben Dutzend Jugendlicher umzingelt», sagt Sandro G.* zu BLICK. Der Stimmführer der Bande fauchte die beiden Männer an: «Seid ihr eigentlich schwul oder was?»

Befreundetes Paar ebenfalls bedroht

Einer der Jungs schlug Sandros Freund auf den Hinterkopf. Dann drohte der Anführer wieder: «Wenn wir euch nochmals hier sehen, dann werdet ihr es bereuen.» G. versuchte zu schlichten und gleichzeitig das Lager zu räumen.

Das Paar flüchtete verängstigt. Als sie bei der Polizei Anzeige erstatteten, hiess es wieder: «Unsere Beschreibung passte laut den Beamten mit der ‹Lochergut-Gang› überein», so Sandro.

Pride-Präsidentin ist entsetzt

Lea Herzig, Präsidentin der Zurich Pride, ist ebenfalls entsetzt: «Mich schockiert es, dass am Tag von der Pride Homosexuelle angegriffen werden. Das zeigt, dass Homophobie weiter exisitert – sogar in Zürich, wo die LGBT+-Gemeinschaft weit vertreten ist.»

Solche Hassverbrechen sollten statistisch erfasst werden, findet Herzig, damit die Regierung gezielte Präventivmassnahmen ergreifen könne. «Zudem wird klar, dass wir weiterhin jedes Jahr an der Pride für unsere Rechte kämpfen müssen», sagt Herzig.

Angriffe an der Pride sind kein Zufall

Roman Heggli, Geschäftsleiter der Schwulenorganisation Pink Cross, verurteilt den Angriff ebenfalls aufs Schärfste: «Ich finde es einfach nur schlimm.» Aber: «Der Zeitpunkt der Attacke ist kein Zufall. Pride-Besuchende sind natürlich sichtbarer als an sonstigen Tagen. Deshalb werden sie auch zur Zielscheibe hasserfüllter Menschen.»

Dass Homosexuelle sich aber zurückhaltender verhalten sollen, lehnt Heggli ab. «Das ist ein absurder Vorwurf.» In der Schweiz soll jede Person nach eigener Vorstellung frei leben.

*Name der Redaktion bekannt

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