Strafrechtsprofessor Martin Killias widerspricht dem Zürcher Polizeivorsteher Richard Wolff
«Das schürt das Misstrauen der Bevölkerung»

Strafrechtsprofessor Martin Killias (69) glaubt nicht, dass man mit dem Verschweigen von Täter-Nationalitäten den Rassismus bekämpfen kann. Im Gegenteil.
Publiziert: 07.11.2017 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:08 Uhr
Michael Sahli

Strafrechtsprofessor Martin Killias (69) sagt gegenüber BLICK deutlich, was er von der neuen Kommunikationsstrategie der Stadtpolizei Zürich hält: nichts.

Er plädiere für eine Kommunikation ohne Verbote, meint der Mann, der für die SP in den Nationalrat wollte: «Dass man die Nationalität prinzipiell nicht kommuniziert, halte ich für sehr problematisch. Man könnte theoretisch mit der gleichen Logik auch fragen: Warum nennt man das Geschlecht eines Täters? Oder das Alter? Auch diese Angaben werfen ein schlechtes Licht auf eine ganze Gruppe.»

Der Zürcher Polizeivorsteher Richard Wolff argumentierte, die Nennung der Nationalität eines mutmasslichen Täters verdecke die eigentlichen Ursachen für kriminelle Handlungen – wie zum Beispiel Armut, Drogenkonsum oder tiefes Bildungsniveau (BLICK berichtete).

Über Kreuz mit seiner Partei: Martin Killias.
Foto: GAETAN BALLY
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Dieses Argument lässt Killias nicht gelten. Denn solche Angaben könne man in einer Polizeimitteilung sowieso nicht einbringen – nur schon aus Gründen des Datenschutzes: «Würde die Polizei Angaben zu Bildungsniveau oder sozialer Schicht von Tätern machen, würden Menschen mit Elementarschulbildung oder in ärmlichen Verhältnissen blossgestellt.»

Das werden wir nicht mehr sehen – Nationalitäten in Meldungen der Stapo Zürich (Auswahl 2017).
Foto: Screenshot BLICK
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Der Experte findet das Verschweigen kontraproduktiv

Dazu kommt: Mit dem prinzipiellen Verschweigen der Nationalität würden rassistische Denkmuster möglicherweise zusätzlich gefördert: «Damit kann bei der Bevölkerung Misstrauen erst recht geschürt werden. Steht zum Beispiel in einer Polizei-Medienmitteilung, an der Zürcher Langstrasse sei ein ‹Mann› beim Chügeli-Dealen erwischt worden, werden sich viele Leute einfach ihren Teil dazu denken. Das kann kontraproduktiv sein.» 

Die Polizei müsse situativ entscheiden können, welche Informationen publik gemacht werden. Das heisse im Umkehrschluss aber nicht, dass man die Nationalität aller Täter unbedingt publizieren müsse: «Ich plädiere für eine sinnvolle Kommunikation.»

Fast alle nennen Ross und Reiter

Die Nennung der Nationalität von Verbrechern hat sich in der Schweiz seit der Jahrtausendwende eingeschlichen. Heutzutage ist es bei den Polizeikorps und Justizbehörden die Norm. Die Kantone St. Gallen und Solothurn gingen sogar noch einen Schritt weiter. Dort sind die Behörden sogar rechtlich dazu verpflichtet, die Herkunft von Tätern in ihren Meldungen zu nennen.

In St. Gallen entschied der Kantonsrat bereits 2010, die SVP-Initiative «Sicherheit und Transparenz» direkt umzusetzen. Alle Fraktionen mit Ausnahme der SP und der Grünen stimmten damals dafür. Anfang März 2012 nahmen schliesslich die Solothurner Stimmbürger die Initiative «Nennung der Nationalitäten in Meldungen der Polizei und Justizbehörden» deutlich an. 70 Prozent der Wähler sprachen sich für ein Ja aus.

Auf Bundesebene schaffte es die SVP aber nicht, sich in der Angelegenheit durchzusetzen. Ein entsprechender Vorstoss wurde im Jahr 2010 abgelehnt.

Die Nennung der Nationalität von Verbrechern hat sich in der Schweiz seit der Jahrtausendwende eingeschlichen. Heutzutage ist es bei den Polizeikorps und Justizbehörden die Norm. Die Kantone St. Gallen und Solothurn gingen sogar noch einen Schritt weiter. Dort sind die Behörden sogar rechtlich dazu verpflichtet, die Herkunft von Tätern in ihren Meldungen zu nennen.

In St. Gallen entschied der Kantonsrat bereits 2010, die SVP-Initiative «Sicherheit und Transparenz» direkt umzusetzen. Alle Fraktionen mit Ausnahme der SP und der Grünen stimmten damals dafür. Anfang März 2012 nahmen schliesslich die Solothurner Stimmbürger die Initiative «Nennung der Nationalitäten in Meldungen der Polizei und Justizbehörden» deutlich an. 70 Prozent der Wähler sprachen sich für ein Ja aus.

Auf Bundesebene schaffte es die SVP aber nicht, sich in der Angelegenheit durchzusetzen. Ein entsprechender Vorstoss wurde im Jahr 2010 abgelehnt.

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