Schmuck, Goldzähne, künstliche Gelenke
Krematorien machen Implantate zu Geld

Wegen ihrer Implantate oder Zahnkronen tragen viele Menschen wertvolles Edelmetall in sich. Sterben sie, landet es meist in der Urne. Das Krematorium Nordheim filtert diese Edelmetalle neuerdings aus der Asche und sackt das Geld ein.
Publiziert: 01.10.2018 um 00:33 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 11:11 Uhr
Zürcher Krematorium macht Kohle mit der Asche
1:40
Das Gold der Toten landet in der Stadtkasse:Zürcher Krematorium macht Kohle mit der Asche
Flavio Razzino

Nach zehn Minuten in der Gluthitze greift das Feuer des brennenden Holzsarges auf den Leichnam über. Das Krematorium ist die letzte Station des Körpers eines Menschen. Bei 700 Grad wird der Leichnam verbrannt, eineinhalb Stunden lang. Was am Ende übrig bleibt: 2,5 Liter Asche. Kremierer sagen: Dann ist der Mensch kein Mensch mehr, sondern eine Sache.

Im Krematorium Nordheim werden seit 1. September Edelmetalle aus der Asche der Toten gefiltert – und an Recyclingfirmen verkauft.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
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Und: Ein Teil dieser Sache weckt nach dem Verbrennen grosse Begehrlichkeiten. Nicht nur bei den Erben, sondern auch bei den Kremierern, die seit neustem ein Auge auf die Edelmetalle der Toten geworfen haben. Denn: Zwar schmelzen Schmuck, Zahnkronen oder kleine Implantate im Körper in den Elektroöfen, deren kostbare Rohstoffe Gold, Palladium, Silber und Platin bleiben nach dem Feuerbad aber erhalten.

Edelmetalle wandern an Recyclingfirmen

Auch das Krematorium Nordheim in Zürich will jetzt Kohle aus der Asche machen. Seit 1. September verkauft es die Edelmetalle an Recyclingfirmen und hofft dabei auf satte Gewinne.

Die Frage bleibt: Wem gehört das Gold der Toten überhaupt? Fakt ist: Die Angehörigen bekommen vom Krematorium keinen Rappen aus dem Erlös der Edelmetalle. Sie können die Feinfilterung der Asche (ein Vorgang der nur vier Minuten dauert) höchstens verbieten. Dann werden die Edelmetalle mitsamt der Asche vergraben.

Es geht um viel Geld. Alleine der Wert des Goldes, das jährlich auf Friedhöfen vergraben wird, schätzen Fachleute auf vier Millionen Franken. Für das Neu-Geschäft hat das Krematorium darum extra eine Aschenmühle gekauft, die Edelmetalle aus der Asche rausfiltern kann.

Andere Krematorien halten nichts von der Praxis

Das Nordheim ist das zweite Krematorium in der Schweiz, das auf die Edelmetalle der Toten aus ist. Krematorien in St. Gallen, Aarau und Basel wollen von dieser Praxis nichts wissen. «Die Asche gehört vollumfänglich den Angehörigen, nicht den Krematorien oder dem Staat», sagt Ursula Lauper vom Krematorium St. Gallen zu BLICK. Zudem ist die Rechtslage bei diesem Punkt längst nicht so klar, wie es die Krematorien gerne hätten.

Dennoch: Das Krematorium in Solothurn witterte als erstes das Geschäft mit der Asche. 2013 geriet es in die Kritik, weil es das Edelmetall der Toten verkauft hatte, ohne die Angehörige vorab zu informieren.

Solothurn fragt die Angehörigen nicht einmal

Wie in Zürich glaubt man auch in Solothurn, darüber entscheiden zu dürfen, wer den Gewinn aus dem Totengold einstecken darf. «Das Edelmetall gehört nach der Verbrennung dem Staat», sagt Solothurns Stadtschreiber Hansjörg Boll nüchtern.

Auch im Nordheim ist Rolf Steinmann, Leiter des Friedhofs- und Bestattungsamts, der Meinung: «Nach dem Verbrennen ist das Edelmetall in der Asche aus juristischer Sicht eine herrenlose Sache!» Ergo: Darum könnten Angehörige nicht verlangen, dass ihnen das Edelmetall ausgehändigt werde.

Im Schnitt bleiben pro Leichnam 2,2 Gramm Gold übrig, dazu kommt in manchen Fällen Palladium, Platin und Silber – je nach Implantaten, die ein Mensch zu Lebzeiten bekommen hat.

Steinmann hält die Aushändigung an Angehörige darum für nicht praktikabel. «Nur schon angesichts der kleinen Mengen, die da rausgefiltert werden, wäre das wenig sinnvoll», so Steinmann.

Widerspruchsrecht in Zürich

Immerhin: Die Angehörigen der Toten können in Zürich die Filterung der Asche verhindern. «Bei uns müssen die Angehörigen erst ihr Einverständnis abgeben, damit wir die Asche filtern dürfen», sagt Steinmann. Rund zwei Drittel der Angehörigen haben so dem Krematorium bislang ein Strich durch die Rechnung gemacht.

In Solothurn indes haben die Angehörigen gar nichts zu melden. «Wir stehen nur mit den Bestattungsämtern in Kontakt und haben mit den Angehörigen nichts zu tun», sagt Soloturns Stadtschreiber Bolt weiter. Bis zu 40'000 Franken spült der Verkauf der Edelmetalle jährlich in die Kassen des Solothurner Krematoriums – dort werden rund 1000 Verstorbene pro Jahr verbrannt.

Viel mehr Kohle mit der Asche wird das Krematorium Nordheim machen: Jährlich werden 7000 Menschen in Zürich kremiert – Erträge von weit über 100'000 Franken jährlich sind zu erwarten. Das Gold der Toten fliesst dann direkt in Zürichs Stadtkasse.

Was passiert mit den unsterblichen Überresten?

Einer der Abnehmer von Edelmetallen aus Körpern von Toten ist die Firma Kaladent AG in St. Gallen. Sie kauft Edelmetalle von Krematorien ein – und verwertet sie zu neuen Dentalmedizin-Produkten wie Knopfprothesen, Zahnspangen oder Brücken. Zahngoldfüllungen werden künftig immer seltener ­werden, sagt Erhard Püntener von der Kaladent AG. Heute werde Keramik ­verwendet. «Nach wie vor sind Edelmetalle in dieser Branche aber sehr wichtig und ­teilweise auch alternativlos», sagt er. Darum gebe es für das Gold, Silber, Palladium und Platin von Krematorien auch langfristig eine stabile Nachfrage. Für Patienten ist das ­unter Umständen eine schwer zu verdauende Neuigkeit: Gut möglich nämlich, dass in neuen Implantaten das alte Gold aus dem Körper von Toten steckt. Darüber informiert werden sie aber nicht.

Einer der Abnehmer von Edelmetallen aus Körpern von Toten ist die Firma Kaladent AG in St. Gallen. Sie kauft Edelmetalle von Krematorien ein – und verwertet sie zu neuen Dentalmedizin-Produkten wie Knopfprothesen, Zahnspangen oder Brücken. Zahngoldfüllungen werden künftig immer seltener ­werden, sagt Erhard Püntener von der Kaladent AG. Heute werde Keramik ­verwendet. «Nach wie vor sind Edelmetalle in dieser Branche aber sehr wichtig und ­teilweise auch alternativlos», sagt er. Darum gebe es für das Gold, Silber, Palladium und Platin von Krematorien auch langfristig eine stabile Nachfrage. Für Patienten ist das ­unter Umständen eine schwer zu verdauende Neuigkeit: Gut möglich nämlich, dass in neuen Implantaten das alte Gold aus dem Körper von Toten steckt. Darüber informiert werden sie aber nicht.

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