«Meine Mutter will keinen Kontakt zu mir»
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Nur drei Mal gesehen:«Meine Mutter will keinen Kontakt zu mir»

Markus Kräutli (55) wurde mit zwei Jahren zum Pflegekind
«Meine leibliche Mutter soll das ruhig lesen, dann weiss sie, was sie verpasst»

In den 70er-Jahren wurde Markus Kräutli zum Pflegekind. Seit damals nennt er sich zum Nachnamen De Cesaris. Er und sein Pflegevater Antonio erzählen aus einem bewegten Leben, das um ein Haar einen komplett anderen Verlauf genommen hätte.
Publiziert: 08.05.2023 um 01:17 Uhr
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Aktualisiert: 08.05.2023 um 15:26 Uhr
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Sandro ZulianReporter News

«Sieht gut aus, in dieses Zimmer passt ohne weiteres noch ein Kinderbettchen», sagte 1970 der Vormund von Markus Kräutli (55), als er durch das Einfamilienhaus schritt. Ab da war es beschlossene Sache: Markus soll fortan ein Pflegekind sein und mit fünf Geschwistern und neuen Eltern einen grundlegenden Lebensabschnitt beginnen.

Eine wunderschöne Kindheit habe er in seinem neuen Zuhause verlebt. Dabei sah es zeitweise ganz anders aus für den gebürtigen Winterthurer. Seine leibliche Mutter hatte ihn verwahrlosen lassen. Kräutli sei laut eigenen Angaben «milieugeschädigt» gewesen und musste alle paar Wochen an einem anderen Ort schlafen. Schwarze Zähne hatte das Kleinkind damals, seine Mutter habe ihn sogar ein Mal mittels Alkohol ruhiggestellt.

Familientattoo auf dem Arm

Sein heutiges, neues Leben in Neftenbach ZH verdankt er dem italienischstämmigen Antonio De Cesaris (85) und dessen 2019 verstorbener Ehefrau Brigitta (†79). Die beiden nahmen den damals Zweijährigen bei sich auf.

Pflegevater Antonio (85, links) und Ziehsohn Markus (55) stehen vor der Urne von Mutter Brigitta (†79) im heimischen Garten.
Foto: Siggi Bucher
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«Ich habe mich nie als ‹typisches› Pflegekind gesehen», sagt er zu Blick. Konsequent nennt er auch heute noch die Pflegeeltern «meine Eltern» und hat sich den Namen De Cesaris und das Einzugsdatum auf den Unterarm tätowieren lassen. «Für meine Kinder war er der Bruder, für mich war er der Sohn», sagt Vater Antonio und ist sichtlich stolz auf seinen Markus.

«Nach dieser Ansage habe ich mit ihnen abgeschlossen»

Kräutlis leibliche Mutter kontaktierte ihren entfremdeten Sohn in den Teenager-Jahren und sagte, sie wolle ihn kennenlernen. «Ich war neugierig und traf sie dann auch», sagt er. Doch in den folgenden Monaten und Jahren war es stets er, der versuchte, den Kontakt aufrechtzuerhalten.

«Vor ein paar Jahren war ich bei ihr und kritisierte dieses Verhalten. Ich sagte, ich sei immer für einen Kaffee zu haben, aber sie müsse sich auch melden.» Seit damals sei nie mehr etwas von ihr gekommen. Ein Treffen mit seinem leiblichen Vater sei ähnlich ernüchternd verlaufen: «Er sagte nur, er sei nicht sicher, ob er überhaupt der Vater ist. Er habe halt einfach 18 Jahre lang für mich gezahlt.» Wirklich traurig ist Kräutli darüber aber nicht: «Ich habe meine Familie und bin glücklich, aber nach dieser Ansage habe ich mit dem Thema leibliche Eltern abgeschlossen.»

Eine offizielle Namensänderung von Kräutli auf De Cesaris sei allerdings nie wirklich ein Thema gewesen. Einerseits, weil die leibliche Mutter eine Adoption stets ablehnte, andererseits aus Finanz- und Bürokratiegründen – und wegen der Emotionen, sagt Kräutli: «Meine leibliche Mutter soll das ruhig lesen, dann weiss sie, was sie verpasst.»

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