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Gericht verkündet Urteil im Seefeld-Mord
Tobias K. muss 20 Jahre in den Knast – Komplize kassiert 16,5 Jahre

Tobias K. (27) und sein Komplize Irvidias M. (39) sollen ein Zufallsopfer getötet haben – um die Zürcher Behörden zu erpressen und so einen Millionen-Coup zu landen. Nun wurden die beiden verurteilt.
Publiziert: 28.01.2020 um 23:01 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2020 um 17:48 Uhr
Michael Sahli, Viktor Dammann

Der Zürcher IT-Fachmann M. S.* (†42) hat seinen Killer Tobias K.* (27) bis zu seiner Ermordung im Juni 2016 noch nie gesehen. Das Mordopfer sitzt ohne böse Vorahnung im Zürcher Seefeld auf einer kleinen Mauer und raucht, als plötzlich Thomas K. vor ihm steht. Hinter seinem Rücken versteckt er ein Messer mit einer 18 Zentimeter langen Klinge. Der IT-Fachmann steht auf, als er den jungen Mann sieht. Dann sticht Tobias K. unvermittelt zu. Immer wieder, insgesamt fünf Mal. Das Opfer schleppt sich noch einige Meter weit. Und verblutet dann auf der Strasse.

Ab heute stehen Tobias K. und sein mutmasslicher Komplize Irvidias M.* (39) wegen Mordes vor Bezirksgericht Zürich. Ihr Motiv klingt wie aus einem schlechten Film.

Im Gefängnis entsteht der irrsinnige Plan

Laut Anklageschrift lernen sich die späteren Komplizen im Jahr 2014 im Gefängnis Pöschwies in der Schreinerei kennen. Tobias K. (damals 21) sitzt wegen Erpressung, Freiheitsberaubung, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und Drogen. Der Litauer Irvidias M. weil er den Schweizer Industriellen Thomas Schmidheiny (75) aus der Holcim-Besitzerfamilie um 150 Millionen erpressen wollte.

Ab heute steht Tobias K. wegen Mordes vor Gericht.
Foto: kapo zh
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Auch im Knast sei der Litauer überzeugt gewesen, bald Millionär zu sein: Er habe von einem Hacker belastendes Material über Zement-Baron Schmidheiny bekommen, erzählt er seinem zwölf Jahre jüngeren Knastbruder. Es gehe um Atomwaffen! Sogar Bundesrätin Sommaruga sei in den Fall involviert. Und: Schmidheiny habe ihn extra im Knast besucht, um über Schweigegeld zu verhandeln. So absurd die Geschichte klingen mag: Tobias K. hat sie offenbar geglaubt.

Etwas mehr als ein Jahr vor seiner Haftentlassung darf K. unbegleitet in den Urlaub. Das Unglück nimmt seinen Lauf.

Es beginnt mit einem Erpressungsbrief an den Kantonsrat

Der spätere Messer-Mörder will seinen Kumpel aus dem Gefängnis freipressen. In einem Brief an den Kantonsrat setzten die beiden Männer ein Ultimatum: Wird der Litauer nicht innerhalb eines Tages freigelassen, wolle man ein Zufallsopfer töten. Danach soll jeden Tag jemand sterben müssen. Nur: Die Erpressung funktioniert nicht.

So streift Tobias K. durch Zürich, sucht ein passendes Opfer. Im Coop beim Hauptbahnhof kauft er ein Messer. K. zögert. Trinkt sich Mut an. Bis er den IT-Fachmann M. S.* rauchend auf der Mauer sitzen sieht.

Tobias K. ist sieben Monate lang auf der Flucht

Nach der Bluttat verliert K. seinen Hut, an dem seine DNA gefunden wird. Weil K. ja bereits im Gefängnis war, hat ihn die Polizei als Täter schnell im Visier. Trotzdem dauert die Flucht sieben Monate. Dann begeht der Killer seinen letzten Fehler: Er will sich im Internet Waffen kaufen – und gerät an die Polizei. Bei der vermeintlichen Übergabe der Waffen klicken die Handschellen.

Dominik Zillig, Anwalt von Tobias K., sagte gegenüber BLICK: «Herr K. ist geständig, das Tötungsdelikt begangen zu haben. Er war der festen Überzeugung, dass Irvidias M. ihm die Wahrheit erzählt hatte. Heute ist ihm schleierhaft, wie er so hinters Licht geführt werden konnte.»

Der Litauer hingegen bestreitet jegliche Beteiligung an der Tat. Dennoch: Den Angeklagten droht eine lebenslange Haft plus Verwahrung.

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