«Ich führe sicher kein Streitgespräch mit Roger Köppel»
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Gemeindepräsident von Stäfa ZH:«Ich führe sicher kein Streitgespräch mit Roger Köppel»

Gendertag in Stäfa abgesagt – jetzt redet der Gemeindepräsident
«Es geht nicht um Buben, die im Röckli herumrennen»

Der Stäfner Gemeindepräsident Christian Haltner (FDP) schaltet sich in die Debatte um den Gendertag ein. Er wirft der SVP Verschwörungstheorien vor, spricht über Morddrohungen und übt Selbstkritik: Die Einladung habe gegen die Sprachregelung der Gemeinde verstossen.
Publiziert: 21.05.2023 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2023 um 10:39 Uhr
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Herr Haltner, Sie haben den Gendertag nach einem Shitstorm abgesagt. Sind Sie vor den Gegnern eingeknickt?
Christian Haltner: Nein. Die Polizei hat uns zu diesem Schritt geraten.

Müssten die Sicherheitsbehörden nicht fähig sein, einen solchen Anlass zu schützen?
Die Veranstaltung selbst war nicht das Problem. Die hätte die Polizei absichern können. Das Problem waren Aufrufe auf Telegram, Schülerinnen und Schüler schon auf dem Weg dahin abzufangen und sie von einer Teilnahme abzubringen. Die Polizei hätte zwar das Schulareal schützen können, nicht aber all die Wege dorthin. Wir wollten kein Risiko eingehen.

Das Unheil begann, nachdem das Einladungsschreiben für den Gendertag in die sozialen Medien gelangt war. Was passierte dann?
Über die Verantwortlichen der Schule und der Gemeinde brach eine Flut von Beschimpfungen herein. Insbesondere die Sozialarbeiterin, deren Name und Handynummer auf der Einladung stand, wurde aufs Übelste beleidigt und verunglimpft: hasserfüllte Nachrichten wie «Du verlogenes Luder» oder «Am liebsten würde ich handgreiflich werden». Dazu erhielt sie widerwärtige Bilder.

Christian Haltner (FDP) ist Gemeindepräsident von Stäfa. Im Interview erzählt er, wie über die Gemeinde eine Flut von Beschimpfungen und Drohungen hereingebrochen ist.
Foto: Siggi Bucher
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Laut der «Zürichsee-Zeitung» waren auch Morddrohungen unter den Nachrichten. Stimmt das?
Leider ja. Schulangestellte wurden per Telefon terrorisiert. Mit Aussagen wie «Ich steche dich ab!»

Wie geht es nun weiter?
Wir arbeiten die Ereignisse in Ruhe auf. Viele Beteiligte sind noch immer schockiert. Auch ich bin erschüttert. Mir ist wichtig, dass wir nicht wegschauen. Was hier abläuft, ist ein Skandal. Deshalb stehe ich als Gemeindepräsident jetzt öffentlich hin. So was geht einfach nicht.

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Angefeuert wurde der Shitstorm von prominenten SVP-Vertretern wie Nationalrat Andreas Glarner, der die Einladung mit dem Namen und der Telefonnummer der Sozialarbeiterin in den sozialen Medien postete. Gehen Sie juristisch gegen Glarner vor?
Nein. Wir sind zum Schluss gekommen, dass das eine politische und keine rechtliche Frage ist.

Warum?
Rechtliche Schritte gegen Herrn Glarner würden wohl ins Leere laufen, denn die Telefonnummer der Betroffenen steht zum Beispiel auch auf der Website der Schule und ist somit so oder so öffentlich.

Politisch hat der Stäfner Gemeinderat Herrn Glarner scharf kritisiert. In einer Stellungnahme werfen Sie ihm «Hetze» vor – ein hartes Wort.
Ich wüsste nicht, wie wir seine Aufrufe gegen den Gendertag sonst bezeichnen sollen. Glarner weiss ganz genau, welche Klientel er uns auf den Hals hetzt.

In der Stellungnahme steht auch, Glarner sei ein «schlechter Demokrat». Was meinen Sie damit?
Der Gendertag ist Teil des Lehrplans 21. Dieser kam demokratisch zustande. Wer nun nachträglich dessen Umsetzung und damit einen Volksentscheid kritisiert und sogar die Entlassung der Schulleitung fordert, ist nichts anderes als ein schlechter Demokrat.

Inhaltliche Kritik sollte doch aber möglich bleiben.
Leuten wie Glarner oder Roger Köppel geht es nicht um die Sache. Ihnen geht es einzig darum, ihre Themen zu bewirtschaften, und das auf dem Rücken unserer Gemeinde. Sie missbrauchen Stäfa und die Schule für ihre Stimmungsmache. Wir brauchen in Stäfa keine fremden Vögte!

SVP-Exponenten werfen der Schule «Genderindoktrination» vor. Sie waren selbst Lehrer. Was sagen Sie dazu?
So ein Schwachsinn! Die sollen aufhören mit solchen Verschwörungstheorien. An diesem Tag geht es um Dinge wie «Mein Körper gehört mir» oder «Ich sage Nein». Die Schülerinnen und Schüler sollen in ihrem biologischen Geschlecht gestärkt werden. Darum geht es am Gendertag und nicht um Buben, die im Röckli herumrennen.

Waren Sie nicht auch etwas naiv? Das Genderthema ist politisch aufgeladen. Hätte die Schule nicht vorsichtiger sein müssen?
Inhaltlich sehe ich überhaupt nichts Problematisches. Der Tag wird seit bald zehn Jahren regelmässig durchgeführt. Das Einzige, was nicht glücklich war, ist die Form des Erinnerungsschreibens an die Schülerinnen und Schüler.

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«Der Brief entsprach nicht der Sprachregelung unserer Gemeinde»
Stäfner Gemeindepräsident Christian Haltner
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Inwiefern?
Das Transgender-Logo und die Gendersternchen auf dem Brief entsprechen nicht der Sprachregelung unserer Gemeinde. Das haben wir der Schule mitgeteilt. Die Verantwortlichen werden ihre Lehren daraus ziehen. Dieser Fehler rechtfertigt aber noch lange keinen Shitstorm. Die SVP betont stets, dass sie für Schweizer Werte einstehe. Wissen Sie, was meiner Meinung nach zu diesen Werten gehört?

Sagen Sie es uns.
Respekt und Anstand. In der politischen Debatte darf man gerne hart diskutieren, aber man macht nicht einfach jemanden runter. Das mag in anderen Ländern Usus sein, aber nicht bei uns.

Gibt es im kommenden Jahr wieder einen Gendertag?
Das Thema wird ganz sicher weiter stattfinden. Wie bereits gesagt: Der Inhalt des Gendertags gehört zum Lehrplan und ist völlig unproblematisch. Einzig die Form werden wir überdenken. Ob es einen ganzen Tag braucht oder ob es mehr Sinn macht, das Thema auf mehrere kleinere Einheiten aufzuteilen. Das wird am Ende die Schulpflege entscheiden.

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