Edelweiss-Hemd-Verbot für Schüler in Gossau ZH
«Diese Schule hat ein Problem»

Eine Lehrerin macht zehn Schülern wegen des Edelweiss-Hemds einen Rassismus-Vorwurf. Gibt es einen Graben zwischen Schweizer und Ausländer-Schülern? Oder zwischen Stadt und Land?
Publiziert: 14.12.2015 um 14:08 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:27 Uhr

Zehn Sek-Schüler kommen am Freitag in Gossau ZH im Edelweiss-Hemd in die Schule. Die Lehrerin will ihnen das verbieten, weil es rassistisch sei. Doch die Schule schreitet ein und kippt das Edelweiss-Hemd-Verbot (Blick.ch berichtete).

«Offensichtlich hat man an der Schule ein Problem, allenfalls mit Rassismus», sagt Lilo Lätzsch, Geschäftsführerin des Zürcher Lehrerverbands zu BLICK. «Wenn in einer Klasse zehn Schüler mit so einem Hemd kommen, wollen sie etwas ausdrücken. Die Schüler wollten provozieren und das ist ihnen gelungen.»

Unprofessionell reagiert

Die Lehrerin habe unprofessionell reagiert. «Das Problem löst man nicht mit einem Verbot. Man muss in der Klasse darüber reden», sagt Lätzsch.

Der SVP-Protest vom März: (von rechts) Andreas Aebi (BE), Peter Keller (Keller (NW), Pirmin Schwander (SZ), Markus Hausammann (TG) und Lukas Reimann (SG)
Foto: Peter Klaunzer
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Lilo Lätzsch, Geschäftsführerin des Zürcher Lehrerverbands.

Die Schüler derweil wollen nicht in die Rassisten-Ecke gestellt werden. «Ich habe bei der Aktion mitgemacht, weil ich zeigen wollte, dass ich stolz auf die Schweiz bin», sagt ein Schüler zu BLICK. Gleichzeitig berichten aber Schüler, dass es an der Schule immer wieder Streitereien zwischen Schweizer Jugendlichen und Teenies vom Balkan gebe.

Gibt es also einen Graben zwischen Ausländern und Schweizern? «Vermutlich geht es allgemein um Abgrenzung. Die Schule muss jetzt herausfinden, wieso die Schweizer Schüler das Gefühl haben, auf die Hinterbeine stehen zu müssen», sagt Miryam Eser, Dozentin an der ZHAW und Expertin für Rassismus und Jugendgewalt.

Auch für Lehrerin Lilo Lätzsch ist klar: «Es geht grundsätzlich um die Frage: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wohin gehöre ich?» Gerade bei Teenagern sei das ein grosses Thema. Auch Albaner würden sich zu Gruppen zusammenschliessen. «In diesem Alter geht es auch immer darum sich selber zu finden.»

«In der Stadt wäre die Aktion absurd»

Die Patriotismus-Kleider-Debatte kommt an Schweizer Schulen immer wieder auf. Zuletzt im März in Willisau LU, wo Lehrer ebenfalls das Tragen von Edelweiss-Hemden verboten hatten. 2006 gab es dieselben Diskussionen über Schweizerkreuz-Shirts in Roggwil BE oder drei Jahre vorher in Liestal BL.

Auffällig: Es sind immer ländliche Gemeinden oder Kleinzentren. Rassismus-Expertin Eser bestätigt: «Je ländlicher die Gegend, desto öfters gibt es diese Differenzen.» Dort sei die Durchmischung nicht so gross. Zudem präge das politische Milieu und das Elternhaus die Kinder.

Miryam Eser, Dozentin für Soziale Arbeit ZHAW, Schwerpunkt Jugendgewalt und Rassismus.

In städtischen Schulen würden solche Edelweiss-Hemd-Aktionen wohl als absurd wahrgenommen. «Dort fühlen sich die Schüler nicht verunsichert durch die Durchmischung, weil sie miteinander in Kontakt sind und sich weniger abgrenzen.»

«Schweizertum» auf dem Land

Gleicher Meinung ist Lilo Lätzsch vom Lehrerverband: «Das Schweizertum ist auf dem Land sicher ein grösseres Thema und Symbole wie Schweizerkreuz oder Edelweiss-Hemd sind schneller zur Hand als in der Stadt.»

Trotzdem hält Eser dies für kein flächendeckendes Problem. «Solche Diskussionen sind sporadische Phänomene, früher traten sie häufiger auf als heute», sagt Eser. Wenn neue Einwanderergruppen kämen, gäbe es zuerst mehr Probleme.

Aber Lehrer und Schulleiter würden immer seltener solche homogene Gruppen entlang von Nationalitäten beobachten. Denn mittlerweile sei es einfach normal, dass die Schüler aus verschiedenen Ländern kämen.

Deshalb halten auch beide Expertinnen nichts von Schuluniformen. Ein Versuch in Basel sei gescheitert, sagt Eser. Einerseits fühlten sich die Schüler damit sehr unwohl in der Öffentlichkeit, andererseits sei es ziemlich teuer gewesen. (sas)

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