Bezirksgericht Bülach ZH
Abschlepper muss wegen Nötigung und Erpressung ins Gefängnis

Der umtriebige Abschlepp-Unternehmer Remo N.* (40) zwang die Besitzer von falsch parkierten Autos zu sofortiger Barzahlung und verlangte überrissene Preise. Zudem erschlich er unter falschen Angaben einen Corona-Kredit. Jetzt muss er ins Gefängnis.
Publiziert: 30.03.2022 um 10:56 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2022 um 15:11 Uhr

Das Bülacher Bezirksgericht hat am Dienstag einem Autoabschlepper unter anderem wegen Nötigung und Erpressung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten aufgebrummt: Remo N.* (40) hatte falsch parkierte Fahrzeuge abtransportiert und diese erst herausgegeben, nachdem die Halter hohe Gebühren bezahlt hatten.

Grundsätzlich könnten zwar Parkplatzbesitzer ein widerrechtlich abgestelltes Fahrzeug sofort entfernen lassen, hielt der Richter bei der mündlichen Urteilseröffnung am frühen Dienstagabend fest. Und dies auch durch einen beauftragten Abschleppdienst. Doch dürfen dem fehlbaren Fahrzeughalter dann nur die anfallenden Kosten verrechnet werden. Dabei könnte durchaus auch ein gewisser Gewinn für den Beauftragten eingerechnet sein – doch rechtfertige dies nicht irgendwelche Tarife.

Ohne Bezahlung rückte er Autos nicht raus

Vorliegend hatte Remo N., der vor allem im Zürcher Unterland und in der Stadt Zürich aktiv war, markant höhere Preise als Konkurrenzunternehmen eingefordert – der Richter sprach von «Fantasiepreisen». Gemäss Anklage forderte der Beschuldigte für das Abschleppen in rund 40 Fällen mal 850 Franken, mal 1070 Franken.

Verlangte laut Richter «Fantasiepreise»: Remo N., Abschlepp-Unternehmer.
Foto: zVg
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N. hatte gemäss Anklage jeweils die sofortige Bezahlung verlangt. Andernfalls drohte er höhere Gebühren an und verweigerte die Herausgabe des Autos. Ein solches Retentionsrecht bestehe hier nicht, hielt der Richter weiter fest. Der 40-Jährige habe sich damit der Nötigung und Erpressung schuldig gemacht.

Beschimpfungen und Sachbeschädigungen

Da der Mann bei seiner Tätigkeit unter anderem eine Kundin als «blöde Ausländerin» bezeichnete und er auch schon mal ein aufgeladenes Auto auf die Strasse plumpsen liess, kamen unter anderem auch noch Beschimpfung und Sachbeschädigung hinzu.

Schliesslich hatte sich Remo N. mit falschen Angaben auch noch einen Covid-Kredit über 230'000 Franken erschlichen, weshalb auch ein Schuldspruch wegen Betrugs erfolgte. Die 48-seitige Anklageschrift umfasste noch weitere Delikte.

Mehrmals von der Polizei vorgeladen

Bei der Gerichtsverhandlung am 1. Februar hatte N. erklärt, dass es ihm unbegreiflich sei, weshalb so viele Anzeigen gegen ihn eingereicht worden seien – er sei immer freundlich gewesen. Dessen Verteidiger hatte festgehalten, dass es in der Natur der Sache liege, dass Fahrzeughalter nicht gut auf den Mann zu sprechen seien, der ihre falsch abgestellten Autos abschleppe.

Dem Beschuldigten sei klar gewesen, was er mache, hielt demgegenüber der Richter nun am Dienstag fest. Wegen seiner Tätigkeit sei er mehrmals von der Polizei vorgeladen worden, 2016 sei er zudem vorübergehend in Untersuchungshaft gekommen. Der Beschuldigte habe sich aber «durch nichts und niemanden abschrecken» lassen.

Staatsanwaltschaft forderte sieben Jahre

Die Staatsanwaltschaft hatte eine unbedingte Freiheitsstrafe von sieben Jahren gefordert. Die Verteidigung eine bedingte Strafe von zwei Jahren. Das Bezirksgericht verhängte nun eine Strafe dazwischen.

Einerseits sprach es den Mann in einzelnen der über 40 eingeklagten Dossiers frei. Andererseits berücksichtigte es im Strafmass auch die lange Verfahrensdauer und das «widersprüchliche Verhalten der Strafverfolgungsbehörden». So habe die Polizei Remo N. trotz laufenden Verfahren gewähren lassen.

«Jeder Tag in Haft ist verlorenes Geld»

Der 40-Jährige, der sich seit März 2021 in Haft befindet, hatte vor der Urteilseröffnung seine Entlassung gefordert. «Jeder verdammte Tag, an dem man mich in Haft hält, ist verlorenes Geld.» Würde er freigelassen, würde er morgen wieder arbeiten. «Wäre ich draussen, hätte ich schon einen grossen Teil des Covid-Kredites zurückbezahlt.»

Für eine Entlassung sah das Bülacher Bezirksgericht aber keinen Spielraum. Es ordnete wegen Fluchtgefahr Sicherheitshaft an. Der Schweizer, der auch vergeblich einen Wechsel seines amtlichen Verteidigers forderte, bleibt damit im Gefängnis. Nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe – im Sommer 2023 – könnte er freikommen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann von der Staatsanwaltschaft oder dem Beschuldigten ans Zürcher Obergericht weitergezogen werden. (SDA/noo)

* Name geändert

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