Zu Besuch beim Treffen von Zwillingen in Altdorf UR
«Unsere Männer sind zum Glück nicht eifersüchtig»

Einmal pro Jahr kommen Schweizer Zwillinge zusammen, um sich auszutauschen und unter sich zu feiern. Wir waren in Altdorf UR dabei und haben mit eineiigen Zwillingen über ihre spezielle Geschwisterbeziehung gesprochen.
Publiziert: 18.09.2022 um 18:08 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2022 um 11:33 Uhr
Jonas Dreyfus
Parichehr (31, l.) und Paridokht Zarean
Foto: Thomas Meier

«Bevor wir schlafen gehen, einigen wir uns immer»

Zwilling zu sein, sei das Wunderbarste auf der Welt, sagen Parichehr und Paridokht Zarean aus Basel. «Du hast jemand, dem du hundert Prozent vertrauen kannst und der dich zu hundert Prozent unterstützt. Wenn man auf dieser Welt jemand so Perfekten suchen müsste, würde man ihn nicht finden.»

Die 31-jährigen Iranerinnen kamen vor einem Jahr in die Schweiz und sprechen schon fast fliessend Hochdeutsch. Die beiden machen fast alles zu zweit, ziehen sich immer gleich an, leben in einer Wohnung in Basel, arbeiten beide als Zahnärztinnen in der Forschung, haben beide Diplome als Schwimmlehrerinnen und antworten gemeinsam auf Fragen. Respektive: Die eine beginnt einen Satz und die andere setzt nach ein paar Wörtern ein, weil sie genau weiss, was ihre Schwester sagen wird. Und wie sie es sagen wird.

Schon in der iranischen Stadt Isfahan, in der sie aufgewachsen sind, waren sie Mitglied in einem Zwillingsverein. In der Schweiz sind sie zum ersten Mal bei einem Treffen dabei. «Wir haben einen grossen, gemeinsamen Freundeskreis», sagen die beiden Singles. «Doch es ist immer schön, andere Gleichgesinnte kennenzulernen.» Wie oft streiten sie sich? «Nie. Wir diskutieren, sind aber noch nie schlafen gegangen, ohne uns vorher geeinigt zu haben.»

Priska Odermatt (55, l.) und Beatrice Käslin sprechen sich normalerweise telefonisch ab, damit sie nicht dasselbe tragen.
Foto: Thomas Meier
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Priska Odermatt (55, l.) und Beatrice Käslin
Foto: Thomas Meier

«Unsere Männer sind zum Glück nicht eifersüchtig»

«Wir haben eine enge Beziehung, doch jede hat ihr eigenes Leben», sagen Priska Odermatt und Beatrice Käslin. Die 55-Jährigen wohnen in den benachbarten Dörfern Buochs und Beckenried in Nidwalden und haben je zwei erwachsene Kinder. Odermatt ist Hausfrau, Käslin Lehrerin. «Unsere Männer sind zum Glück nicht eifersüchtig», sagt Beatrice Käslin. Sie würden verstehen, wenn ihre Frauen auch mal untereinander Dinge besprechen, die sie gegenüber dem Partner vielleicht eher für sich behalten.

Fürs Zwillingstreffen ziehen sie sich jedes Jahr gleich an, doch das ist eine absolute Ausnahme. «Normalerweise sprechen wir uns telefonisch ab, damit uns das eben gerade nicht passiert.» Ihr Umfeld habe sie als Kinder und Jugendliche immer als Zweierpack behandelt. Odermatt: «Wenn ich mal alleine unterwegs war, hat man nach meiner Schwester gefragt, als wäre ich nur eine halbe Person.» Käslin: «Was ich in der Pubertät unangenehm fand: Wenn eine von uns ein bisschen zugenommen hatte, fiel das sofort auf.»

Das Vergleichen und Vereinheitlichen hat die beiden geprägt. Noch heute brauchen sie bei vielem im Leben unbedingt die Bestätigung der Zwillingsschwester. «Wenn jemand von uns zum Beispiel ein neues Möbelstück kauft, ruft sie an und sagt: ‹Komm mal schnell zu mir, ich möchte deine Meinung zu etwas hören.›»

Harry (61, r.) und Guido Anliker
Foto: Thomas Meier

«Wir haben aneinandergeklebt»

«Wir waren wilde Zwillinge», sagen Harry Anliker aus Uster ZH und Guido Anliker aus Wängi TG. Die 61-Jährigen wuchsen in der Stadt Zürich auf. Dort machten Sie einmal um Mitternacht ein Seifenkistenrennen durch die Stadt. Am nächsten Tag stand die Polizei im Haus. «Wir haben uns selbst erzogen, weil unsere Eltern viel arbeiten mussten», sagen die beiden. «Wir haben aneinandergeklebt. Das war nicht gut.»

Mit 14 beschlossen sie, dass jeder seinen eigenen Weg geht. Gab es irgendeinen Vorfall, der das ausgelöst hat? «Er hat mir die Freundin ausgespannt», sagt Harry Anliker und lacht. Ein Witz. «Du Löli», sagt Guido Anliker. Doch Frauen seien schon ziemlich ausschlaggebend dafür gewesen, dass sie sich voneinander emanzipiert hätten.

Heute sind sie beide verheiratet und haben Kinder. Harry Anliker, Experte für Textilmaschinen, hat zwei Töchter, die eineiige Zwillinge sind. Eine von ihnen arbeitet im Brockenhaus, in dem auch Guido Anliker tätig ist. «Ich bin ihr Chef.» Gibt es etwas, worin sie sich komplett unterscheiden? «Darf ich das beantworten?», fragt Harry Anliker. Sein Bruder stecke das T-Shirt in die Hose, er nicht. «Ich habe den besseren Kleidungsstil. Wenn wir uns für die Zwillingstreffen gleich anziehen, bestimme ich die Outfits.» Guido: «Und ich trage sie ohne Widerrede.»

Giannina Tenti (73, l.) und Angela Leuenberger
Foto: Thomas Meier

«Wir haben eine telepathische Verbindung»

«Sie ist eher von kämpferischer Natur», sagt Angela Leuenberger über ihre Zwillingsschwester Giannina Tenti. «Für mich fühlen sich Probleme an wie eine Lawine, die über mich hereinbricht. Meine Schwester sagt hingegen: ‹Wir schaffen das!›» Das sei das Schöne an der Zwillingsbeziehung, sagt Tenti. «Wir sind unterschiedlich, doch niemand muss um seinen Platz kämpfen.» Wie sich das anfühle, lasse sich nicht beschreiben, ohne dass es kitschig klinge. «Wir haben auf jeden Fall eine telepathische Verbindung.»

Die 73-Jährigen waren 42 Jahre voneinander getrennt. Tenti heiratete im Tessin, Leuenberger arbeitete in Winterthur ZH, zuerst im elterlichen Betrieb, einem Feinkostgeschäft, und anschliessend 33 Jahre lang als Nanny. Als Tentis Mann vor 25 Jahren starb, zog ihre Schwester zu ihr ins Tessin.

Was den beiden auffällt: Obwohl die eine von ihnen im Norden der Schweiz einen eher puritanischen Lifestyle verfolgte, hat sie heute nicht weniger körperliche Beschwerden als die andere, die im italienisch geprägten Süden das Leben genoss. «Die Wissenschaft könnte von uns wahrscheinlich viel lernen.»

Caroline (23, l.) und Valentina Egli
Foto: Thomas Meier

«Unsere Pubertät war nicht so cool»

Sie hätten unterschiedliche «Styles», sagen Valentina und Caroline Egli aus Marbach SG im Rheintal. Valentina sei weiblicher gekleidet, höre Elektro und Techno, Caroline ziehe sich männlicher an und höre Rock und Metal. Deshalb haben sie sich heute für dasselbe T-Shirt in zwei verschiedenen Farben entschieden. Die 23-Jährigen sind zum ersten Mal an einem Zwillingstreffen.

Ihre Mutter habe sie zu zwei verschiedenen Individuen erziehen wollen, sagen sie. Deshalb gingen sie getrennt in den Kindergarten und lernten ein erstes Mal, ohne die andere zurechtzukommen. Die Primarschule besuchten sie zusammen. «Damit wir beide dasselbe Fundament haben.» In der Oberstufe durften sie selbst entscheiden. Ihrer Schwester sei es egal gewesen, sagt Valentina. «Ich wollte lieber getrennt sein.»

Es sei nicht einfach, eine eigene Identität zu entwickeln, wenn man jemand so Ähnlichen neben sich habe. Caroline: «Unsere Pubertät war nicht so cool.» Danach wurde ihre Beziehung wieder eng. «Wir sind uns schon sehr ähnlich, haben denselben Humor, machen beide Geräteturnen. Auch Musik machen wir beide. Jedoch auf verschiedenen Instrumenten: Klavier und Ukulele.»

Stefan (42, l.) und Freddy Fankhauser
Foto: Thomas Meier

«Mein Bruder ist auch mein Konkurrent»

Es könne vorkommen, dass sie sich mal nicht gleichzeitig rasieren, sagen Stefan und Freddy Fankhauser. Doch die Form des Bartes und die Frisur seien immer identisch. Dieselben Outfits tragen sie nur an speziellen Anlässen wie dem Zwillingstreffen – Stefan Fankhauser ist im Vorstand – oder an den Country-Konzerten, die sie so gerne besuchen.

Die 42-Jährigen sind in einfachen Verhältnissen in Rohrbach BE aufgewachsen. Im Dorf lebten ältere, identisch gekleidete Zwillinge, deren zu klein gewordene Kleider sie übernehmen durften. Die ledigen Brüder wohnen zusammen, fahren gemeinsam Töff, machen zusammen Ferien in Ländern wie den USA und arbeiten beide als Lastwagenmechaniker. «Aber nicht für dieselbe Firma.»

Dass sie sich so stark gleichen, hätten sie rückblickend auch mal ausnutzen können, um sich in der Schule als den anderen auszugeben und für ihn zum Beispiel eine Prüfung zu schreiben. Doch dazu seien sie zu schüchtern und viel zu ehrgeizig gewesen. «Mein Bruder ist auch mein Konkurrent», sagt Freddy Fankhauser. «Wenn ein Kollege etwas von meinem Teller probieren will, darf er das gerne. Aber niemals mein Zwillingsbruder!»

Manuela Jauch-Lötscher (l.) und Susanne Gasser-Lötscher (46)
Foto: Thomas Meier

«Zwilling zu sein ist ein Privileg»

Als Manuela Jauch-Lötscher und Susanne Gasser-Lötscher vor 46 Jahren in Schüpfen im Berner Seeland zur Welt kamen, fiel ihr Vater im Spital in Ohnmacht und holte sich eine Schramme am Kopf. Denn bis zur Geburt habe niemand gewusst, dass zwei Babys unterwegs waren. Ihre Mutter war damals erst zwanzig Jahre alt. «Rückblickend sind unsere Eltern stolz, Zwillinge grossgezogen zu haben. Sie wollen immer, dass wir ihnen Fotos schicken, wenn wir gleich angezogen sind.»

Die Schwestern sagen, sie würden spüren, wenn es der anderen nicht gut gehe, auch wenn die eine in Silenen UR und die andere in Hasle LU wohne und sie eigentlich grundverschieden seien. Die eine ist eher ordentlich, die andere chaotisch, die eine hat zwei Kinder und arbeitet in der Pflege, die andere hat vier Kinder und ist auf einem Bauernhof mit 50 Kühen als «Familienfrau» für den Betrieb zuständig. Und wenn eines der Kinder ein Problem hat, vertraut es sich manchmal zuerst der Schwester der Mutter an.

In der Schule habe es früher oft geheissen: «Deine Schwester kann das schon. Warum du nicht?» Das habe wehgetan, sagt Jauch-Lötscher. «Doch Zwilling zu sein ist ein Privileg», sagt Gasser-Lötscher. «Es ist immer jemand für dich da.»

Zwillingsforschung: Wie gross ist der Einfluss der Gene?

Wer am zweiten September-Wochenende den grossen Saal des Lokals Uristier in Altdorf UR betrat, hatte das Gefühl, doppelt zu sehen. Rund 140 Zwillinge – fast alle eineiig – trafen sich dort zum 45. Treffen des Schweizerischen Zwillingsvereins.

Es sei Ehrensache, dass man sich für diesen zweitägigen Anlass gleich anziehe, sagten die Teilnehmer in der Pause zwischen der Generalversammlung und dem Bankett mit Tombola, in der sie für die Kamera des Fotografen posierten und dem SonntagsBlick Magazin Auskunft gaben über ihre Beziehung als Geschwister.

Er habe früher das Gefühl gehabt, mit seinem Bruder der einzige Zwilling auf der Welt zu sein, sagte Stefan Fankhauser (42) aus Rohrbach BE in einem der Gespräche. Seitdem er die Treffen besuche, lebe er «das Zwillingsein» viel bewusster. «Ich weiss jetzt, wie andere damit umgehen.»

Der Anteil an Zwillingsgeburten stieg seit den 1980er-Jahren international um ein Drittel. Gründe sind die stärkere Verbreitung von künstlichen Befruchtungen und das höhere Alter vieler Mütter. In der Schweiz waren die Zahlen 2021 mit 1342 Mehrlingsgeburten allerdings rückläufig und machten 1,5 Prozent aller Geburten aus. Das dürfte mit der Zunahme der Übertragung von nur einem Embryo in die Gebärmutter zu tun haben.

All diese Zu- und Abnahmen werden von Geburten von zweieiigen Zwillingen beeinflusst. Wenn sich eine einzige Eizelle, die durch ein einziges Spermium befruchtet wird, im Verlauf der Entwicklung teilt, wie das bei der Entstehung von eineiigen Zwillingen passiert, ist das reiner Zufall. Nur rund ein Drittel aller Zwillinge sind eineiig.

Weil das Erbgut von eineiigen Zwillingen in den allermeisten Fällen hundert Prozent identisch ist, sind sie wertvoll für die Wissenschaft. Anfang Jahr veröffentlichte die Universität Zürich eine Studie, für die Forscher eineiige Zwillingspaare untersuchten, von denen ein Zwilling an der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) leidet und der andere nicht. Die Studie konnte beweisen, dass die Hälfte der Zusammensetzung des Immunsystems durch die Genetik bestimmt wird.

Genetische Einflüsse sind also Voraussetzung dafür, dass die Krankheit ausgelöst werden kann, was aber nicht zwingend passieren muss. Da sich beim Zwilling, der nicht an MS erkrankt, genetische Ursachen dafür, dass er gesund bleibt, ausschliessen lassen, können die Forscher sein Immunsystem mit dem des erkrankten Zwillings vergleichen und nach Auslösern für MS ausserhalb der Gene suchen.

Andere Studien untersuchen, wie Gene und Umwelt unsere Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. Die grösste im deutschsprachigen Raum betreut Frank Spinath (53), Psychologieprofessor an der Universität des Saarlandes. Seit 2014 befragen er und seine Kollegen jährlich 4000 Zwillingspaare im Alter von 5 bis 23 Jahren inklusive Familienmitgliedern. Es geht um Themen wie Schulnoten, Talente oder Gesundheitsorientierung. Die Studie zeigt, dass der Erfolg, den wir im Leben haben, rund zur Hälfte durch die Genetik bestimmt wird. Für die andere Hälfte spielt zum Beispiel der Freundeskreis eine Rolle, Lehrer, die einen unterrichten, oder persönliche Erfahrungen, die man macht.

Spinath hat in seiner Laufbahn Tausende Gespräche mit Zwillingspaaren geführt. Er kennt viele der Problematiken, von denen die Teilnehmer des Treffens in Altdorf berichten. Dass sie als Kinder darunter gelitten haben, ständig verglichen zu werden. Dass sie miteinander konkurrieren. Er habe in seiner Forschung auch mit Zwillingspaaren gesprochen, die sich nicht mögen, sagt Spinath. «Solche wird man an einem Zwillingstreffen natürlich nicht antreffen.» Er glaube, es hänge von der eigenen Person ab, ob es ein Vorteil ist, Zwilling zu sein. «Wenn ich eher ängstlich bin, ist es etwas Wunderbares, immer jemanden an der Seite zu haben. Wenn nicht, kann mir so ein Doppelgänger auch im Weg stehen.»

Frank Spinath, Professor für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität des Saarlandes, forscht seit Jahrzehnten mit Zwillingen.
Thorsten Mohr

Wer am zweiten September-Wochenende den grossen Saal des Lokals Uristier in Altdorf UR betrat, hatte das Gefühl, doppelt zu sehen. Rund 140 Zwillinge – fast alle eineiig – trafen sich dort zum 45. Treffen des Schweizerischen Zwillingsvereins.

Es sei Ehrensache, dass man sich für diesen zweitägigen Anlass gleich anziehe, sagten die Teilnehmer in der Pause zwischen der Generalversammlung und dem Bankett mit Tombola, in der sie für die Kamera des Fotografen posierten und dem SonntagsBlick Magazin Auskunft gaben über ihre Beziehung als Geschwister.

Er habe früher das Gefühl gehabt, mit seinem Bruder der einzige Zwilling auf der Welt zu sein, sagte Stefan Fankhauser (42) aus Rohrbach BE in einem der Gespräche. Seitdem er die Treffen besuche, lebe er «das Zwillingsein» viel bewusster. «Ich weiss jetzt, wie andere damit umgehen.»

Der Anteil an Zwillingsgeburten stieg seit den 1980er-Jahren international um ein Drittel. Gründe sind die stärkere Verbreitung von künstlichen Befruchtungen und das höhere Alter vieler Mütter. In der Schweiz waren die Zahlen 2021 mit 1342 Mehrlingsgeburten allerdings rückläufig und machten 1,5 Prozent aller Geburten aus. Das dürfte mit der Zunahme der Übertragung von nur einem Embryo in die Gebärmutter zu tun haben.

All diese Zu- und Abnahmen werden von Geburten von zweieiigen Zwillingen beeinflusst. Wenn sich eine einzige Eizelle, die durch ein einziges Spermium befruchtet wird, im Verlauf der Entwicklung teilt, wie das bei der Entstehung von eineiigen Zwillingen passiert, ist das reiner Zufall. Nur rund ein Drittel aller Zwillinge sind eineiig.

Weil das Erbgut von eineiigen Zwillingen in den allermeisten Fällen hundert Prozent identisch ist, sind sie wertvoll für die Wissenschaft. Anfang Jahr veröffentlichte die Universität Zürich eine Studie, für die Forscher eineiige Zwillingspaare untersuchten, von denen ein Zwilling an der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) leidet und der andere nicht. Die Studie konnte beweisen, dass die Hälfte der Zusammensetzung des Immunsystems durch die Genetik bestimmt wird.

Genetische Einflüsse sind also Voraussetzung dafür, dass die Krankheit ausgelöst werden kann, was aber nicht zwingend passieren muss. Da sich beim Zwilling, der nicht an MS erkrankt, genetische Ursachen dafür, dass er gesund bleibt, ausschliessen lassen, können die Forscher sein Immunsystem mit dem des erkrankten Zwillings vergleichen und nach Auslösern für MS ausserhalb der Gene suchen.

Andere Studien untersuchen, wie Gene und Umwelt unsere Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. Die grösste im deutschsprachigen Raum betreut Frank Spinath (53), Psychologieprofessor an der Universität des Saarlandes. Seit 2014 befragen er und seine Kollegen jährlich 4000 Zwillingspaare im Alter von 5 bis 23 Jahren inklusive Familienmitgliedern. Es geht um Themen wie Schulnoten, Talente oder Gesundheitsorientierung. Die Studie zeigt, dass der Erfolg, den wir im Leben haben, rund zur Hälfte durch die Genetik bestimmt wird. Für die andere Hälfte spielt zum Beispiel der Freundeskreis eine Rolle, Lehrer, die einen unterrichten, oder persönliche Erfahrungen, die man macht.

Spinath hat in seiner Laufbahn Tausende Gespräche mit Zwillingspaaren geführt. Er kennt viele der Problematiken, von denen die Teilnehmer des Treffens in Altdorf berichten. Dass sie als Kinder darunter gelitten haben, ständig verglichen zu werden. Dass sie miteinander konkurrieren. Er habe in seiner Forschung auch mit Zwillingspaaren gesprochen, die sich nicht mögen, sagt Spinath. «Solche wird man an einem Zwillingstreffen natürlich nicht antreffen.» Er glaube, es hänge von der eigenen Person ab, ob es ein Vorteil ist, Zwilling zu sein. «Wenn ich eher ängstlich bin, ist es etwas Wunderbares, immer jemanden an der Seite zu haben. Wenn nicht, kann mir so ein Doppelgänger auch im Weg stehen.»

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