Wie steht es um das Ersparte und neun weitere Fragen
Wie der Krieg auch unseren Alltag in der Schweiz verändern kann

Wie erklären wir den Krieg den Kindern? Wird Autofahren nun teurer? Drohen jetzt Cyberangriffe? Blick beantwortet zehn zentrale Fragen zum Alltag in der Schweiz.
Publiziert: 26.02.2022 um 13:57 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2022 um 16:25 Uhr
Jonas Dreyfus, Vanessa Nyfeler, Ulrich Rotzinger und Karin A. Wenger,

Es herrscht Krieg, mitten in Europa. Menschen verlieren Angehörige, bangen um ihr Leben, viele müssen ihr Zuhause hinter sich lassen. Das grosse Leid der Ukrainer macht auch in der Schweiz betroffen. Was bedeutet der Krieg für unseren Alltag? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.

Hilft gegen das Gefühl von Hilflosigkeit: An einer Kundgebung gegen den Krieg teilnehmen.
Foto: keystone-sda.ch

1. Wie erkläre ich meinem Kind, was passiert?
«Eltern sollten mit Kleinkindern nur über den Krieg sprechen, wenn sie danach fragen», sagt Lulzana Musliu von Pro Juventute. Bei Jugendlichen sei es wichtig zu fragen, was sie über das Thema wissen, denn auf Social Media wie Tiktok ist dieses sehr präsent. Eltern sollten den Kindern zeigen, dass man füreinander da ist. Gleichzeitig dürften sie ehrlich sagen, wenn sie etwas nicht wissen – und dass sie zum Beispiel auf die Frage, wieso es diesen Krieg gebe, keine Erklärung haben. Wichtig ist, weder zu beschönigen noch zusätzlich Angst zu schüren: sagen, dass Menschen sterben, aber auch erklären, dass sich andere in Sicherheit begeben können. Wenn sich ein Kind hilflos fühlt, kann man zum Beispiel eine Kerze anzünden, an einer Mahnwache teilnehmen oder für Kinder und Jugendliche in der Ukraine spenden.

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2. Wie kann ich den Menschen in der Ukraine helfen?
Als Zivilpersonen stoppen wir den Krieg in der Ukraine kaum. Aber wir können helfen! Durch Spenden an Organisationen wie Unicef, Caritas oder das Rote Kreuz werden Leidtragende mit Hygieneartikeln, Essen und psychosozialer Betreuung versorgt. Wem es nicht möglich ist, einen finanziellen Beitrag zu leisten, kann Menschen in der Ukraine durch das Verbreiten von richtigen und überprüften Informationen unterstützen. Für alle, die Solidarität zeigen möchten, gibt es diverse Demonstrationen in verschiedenen Kantonen.

Bilder, die wir uns bis vor kurzem nicht vorstellen konnten: Die ukrainische Hauptstadt Kiew wird von Russland angegriffen.
Foto: AFP
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Der Benzinpreis dürfte noch eine Weile hoch bleiben.
Foto: imago images/Shotshop

3. Wird Autofahren jetzt teurer?
Wer einen Benziner fährt, muss sich anschnallen. Denn der Ölpreis kennt derzeit nur eine Richtung: nach oben – auch weil die Nachfrage grösser ist als die Produktionskapazitäten. Das verteuert mit etwas Verzögerung die Zapfsäulenpreise. «Wir werden Spritpreise von zwei Franken und mehr pro Liter Bleifrei sehen, und die werden wohl noch eine Weile auf diesem Niveau verharren», sagt Fachmann Daniel Hofer (60), Präsident von Avenergy.

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4. Wie steht es um unser Erspartes, crasht nun die Börse?
Das Wichtigste zuerst: keine Panik – keine vorschnellen Verkäufe tätigen. Sparvermögen auf Konten sind sicher. Schwieriger ist es bei Anlagen an Finanzmärkten, zum Beispiel Aktien. Hier verbuchen Anleger aktuell vielerorts Verluste. Es bleibt bei sogenannten Buchverlusten, wenn die Papiere nicht verkauft werden. Ein Blick in die Vergangenheit bei Konfliktherden zeigt: Börsen neigen zu Überreaktionen und holen die Verluste – falls es nicht zu einer Rezession aufgrund der Krisenherde kommt – innert Wochen, manchmal Monaten wieder auf. Aktuell dürfte die Achterbahnfahrt an der Börse anhalten, doch der Börsenaufschwung wird wiederkommen.

5. Erst die Corona-Pandemie, jetzt Krieg: Wie halten wir das psychisch aus?
«Wir sind nach der langen Pandemie erschöpft und haben gehofft, dass wir nun wieder unbesorgter und entspannter sein können», sagt Yvik Adler, Psychotherapeutin und Co-Präsidentin der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen. Wenn einem der Krieg Angst einflösst, helfe es, daran zu denken, dass die Bedrohung in der Schweiz sehr begrenzt ist – und sich bewusst zu machen, wie komfortabel die eigene Lage im Vergleich zur Situation in der Ukraine ist. Adler rät, Entspannungsübungen zu machen und sich bewusst Dingen zu widmen, die einem Freude bereiten. Bewegung wirke Wunder im Kopf, schon ein Spaziergang reiche. Ebenfalls wichtig: über seine Ängste zu sprechen, mit Freunden oder der Familie. Wenn man sich sehr schlecht fühlt, kann man sich professionelle Hilfe holen.

6. Wird das Reisen mit dem Flugzeug gefährlicher?
Nein, sagt man beim Bundesamt für Zivilluftfahrt. Denn wenn Lufträume gesperrt seien, wie es zurzeit bei der Ukraine oder auch Afghanistan der Fall ist, würden sie weiträumig umflogen. Dass eine Maschine von einer Rakete getroffen wird – oder ähnliche Horrorszenarien –, ist also unwahrscheinlich. Swiss-Flüge machen bereits seit dem 12. Februar einen Bogen um den ukrainischen Luftraum und meiden seit vergangenem Jahr den Luftraum des Nachbarlandes Belarus. Vereinzelt kann dies gemäss Swiss zu minimal längeren Flugzeiten führen für Reisen nach Moskau, das neben St. Petersburg nach wie vor angeflogen wird, oder nach Tokio, Peking und Shanghai.

Die Gefahr von Cyberangriffen gegen die Schweiz sei klein, sagen Experten.
Foto: imago images/Chris Emil Janßen

7. Muss sich die Schweiz auf russische Cyberangriffe gefasst machen?
Das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) schätzt die Gefahr aktuell gering ein, dass Schweizer Behörden und Firmen Opfer gezielter Cyberangriffe werden. Möglich sei jedoch, dass Schweizer Firmen indirekt betroffen würden, wenn sie mit Lieferanten in der Krisenregion zusammenarbeiten oder Teile ihrer IT-Abteilungen in das Gebiet ausgelagert haben. Privatpersonen sollten gemäss NCSC ein stärkeres Augenmerk auf verdächtige E-Mails haben und vor allem die Anhänge auf keinen Fall öffnen. Kriminelle Akteure könnten den Krieg nutzen, um Phishing zu betreiben, indem sie Internet-User zum Beispiel mit der Ankündigung von reisserischem Videomaterial aus dem Krisengebiet in die Falle locken.

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8. Werden ukrainische Flüchtlinge in die Schweiz kommen?
Ob und wie viele ukrainische Flüchtlinge aufgrund der Krise in die Schweiz kommen, sei zurzeit noch unklar, sagt Daniel Bach, Kommunikationschef des Staatssekretariats für Migration (SEM). In der Schweiz leben rund 7000 Ukrainerinnen und Ukrainer – das seien relativ wenige im Vergleich zu Ländern wie Polen, wo sich mehr als eine Million von ihnen niedergelassen habe. Ähnliche Krisen hätten gezeigt, dass Flüchtlinge sich zunächst in die Nachbarländer begeben und danach allenfalls in Länder, wo bereits eine grosse Gemeinschaft lebe, sagt Bach. Im Moment sei gut die Hälfte der 5000 Plätze in Bundesasylzentren belegt. «Falls es zu einer grossen Migrationswelle kommt, würde sich die Schweiz solidarisch zeigen.»

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9. Lohnt es sich, in eine Wärmepumpe zu investieren?
Jeder fünfte Schweizer Haushalt heizt aktuell mit Gas. Hier heisst es: warm anziehen. Denn Russlands Machtspiele lassen derzeit die Kosten explodieren. Die Gaspreise könnten weiter ansteigen, sagt Andreas Tresch (32) vom Beratungsunternehmen Enerprice. «Bis sich die Gaspreise wieder ‹normalisiert› haben, dauert es aber womöglich bis 2023/2024.» Experten gehen nicht davon aus, dass die Schweiz zu wenig Gas haben wird. Das Umschwenken auf eine Wärmepumpe kann bei in die Jahre gekommenen Ölheizungen sinnvoll sein. Der Umbau ist aber auch mit Aufwand und Kosten verbunden.

10. Ich lese ständig die neusten Nachrichten und kann nicht mehr abschalten. Was hilft?
Anstatt im Minutentakt den Bildschirm zu entsperren, sollte man Pausen einlegen und Medien bewusst konsumieren, erklärt Yvik Adler, Psychotherapeutin und Co-Präsidentin der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen. «Fakten helfen gegen überschwemmende Gefühle, seriöse und klare Informationen geben Orientierung und Sicherheit.» Zudem rät Adler, sich auf Positives zu fokussieren und mit seinen Mitmenschen auch über Schönes im Leben zu sprechen.

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